PANEL 20
Geschichtsdidaktik und Nationalsozialismus*

Chair: Christoph Kühberger (Salzburg)

Freitag, 17. April 2020, 09:00–10:30, U 1

Holocaust Education als transnationale Herausforderung

Regina Wonisch (Wien)

Die immer wiederkehrenden Jubiläen zum Jahr 1938 reichen nicht aus, um gegen rechtspopulistisches Gedankengut anzukämpfen. Es braucht eine Verstetigung der „Holocaust Education“ in den Schulen. Doch für viele SchülerInnen sind die klassischen nationalen Gedächtnisorte und -rituale nicht anschlussfähig. Sie haben entweder eine andere Perspektive auf den Nationalsozialismus oder gar keinen Bezug zur Vergangenheit der Mehrheitsgesellschaft. Konsens besteht darin, dass es bei der „Holocaust Education“ nicht nur um die Vermittlung historischen Wissens, sondern vielmehr um eine gegen Rassismus und Rechtsextremismus immunisierende Werteerziehung geht. Anhand der Internet-Lernplattform „Eternal Echoes. Teach and Learn about the Holocaust“, die im Rahmen eines EU-Projekts entstanden ist, soll der Frage nach neuen Lerntools, die der NS-Geschichte unterschiedlicher europäischer Länder Rechnung tragen, und den Herausforderungen einer transnationalen „Holocaust Education“ nachgegangen werden.

Widerstands- und Desertionsmahnmal in Bregenz: Rundgang und Unterrichtsmaterialien

Werner Bundschuh (Dornbirn)

Zum „Widerstands- und Desertionsmahnmal“ in Bregenz entwickelte _erinnern.at_ einen dialogischen Rundgang und bildete dazu ein Team von Vermittlungspersonen aus.

Die Stationen im Zentrum von Bregenz führen zu Orten, an welchen lokale Aspekte der Geschichte des Nationalsozialismus erkundet werden. Dabei stehen die Lebensgeschichten von Menschen im Mittelpunkt. Das interaktive und gesprächsorientierte Format des Rundgangs regt zudem eine Beschäftigung mit aktuellen Themen und Entwicklungen an und wirft somit die Frage nach der Bedeutung der nationalsozialistischen Geschichte für die Gegenwart auf.

Für die Homepage des Denkmals wurden außerdem Video-Porträts mit Nachkommen von Verfolgten und Unterrichtsmaterialien ab der 8. Schulstufe entwickelt. Zentral ist dabei die Fragestellung, wie das Widerstandsmahnmal in den Unterricht eingebaut werden kann. Lehrende erhalten dazu Anregungen. (http://www.widerstandsmahnmal-bregenz.at/)

Zeitzeugenschaft in der Geschichtsdidaktik

Angelika Brechelmacher (Klagenfurt)

ZeitzeugInnenberichte – insbesondere über den Holocaust – stellen ein wichtiges didaktisches Medium dar. Erinnerungen sind persönlich, nicht immer repräsentativ, und in ihrer Detailliertheit und Struktur abhängig vom Alter der Erzählenden zur Zeit der Verfolgung, ebenso wie von ihrer Erfahrung, darüber zu berichten. Je nach zeitlichen, sozialen, persönlichen Umständen treten im Lauf der Jahre Erinnerungen in den Vordergrund, während andere verblassen.

Zusehends ist der Zugang zu Berichten von ZeitzeugInnen nicht mehr persönlich, sondern nur noch mittelbar über digitalisierte Medien möglich. Umso wichtiger werden in der didaktischen Verwendung Rekonstruktion und Verständnis des Kontextes, in dem das Gespräch stattfand.

Beispielhaft werden mehrere Interviews mit einer Wiener Zeitzeugin verglichen, die in einem Zeitfenster von 30 Jahren durch verschiedene Personen geführt wurden, ohne als authentische Erinnerung in Frage gestellt zu werden.

„Asozialität“ als Thema der historisch-politischen Bildung

Elke Rajal (Wien)

Ausgangspunkt des Vortrags ist die Stigmatisierung und Verfolgung von Menschen als „Asoziale“, die im Nationalsozialismus ihren Höhepunkt fand – ein Thema, das im gesellschaftlichen Diskurs lange ausgeblendet blieb und auch in der Zeitgeschichtsforschung erst wenig bearbeitet wurde. So ist anzunehmen – und ein Blick in die Schulbücher bestätigt dies –, dass das Thema auch in der schulischen Vermittlungsarbeit zum Nationalsozialismus höchstens erwähnt oder gänzlich ignoriert wird.

Der Vortrag widmet sich Möglichkeiten einer Vermittlungsarbeit zum Thema „Asozialität“. Beleuchtet werden die spezifischen Herausforderungen, die ein derart Stigma-behaftetes Thema für die pädagogische Arbeit mit sich bringen. Thematisiert werden zudem aktuelle Anknüpfungspunkte, wie etwa die andauernde Stigmatisierung von angeblich „Leistungsunwilligen“ und von Menschen, die einen vorgeblich „amoralischen Lebenswandel“ führen.

 

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