PANEL 19
Das Neue Landhaus in Innsbruck – zwischen Heimatstil und Vergessenskultur

Chair: Manfred Grieger (Göttingen)

Freitag, 17. April 2020, 09:00–10:30, U 3

Das Landhaus in Innsbruck erlebte in den Jahren von 1933 bis 1955 eine wechselvolle Geschichte. Als Sitz der Landesregierung entwickelte es sich nach dem Ersten Weltkrieg zu einem Symbol der Demokratisierung der Tiroler Gesellschaft. Ein abruptes Ende fand der gelebte Parlamentarismus in der Errichtung der ab 1933 folgenden Diktaturen, die das Landhaus als Machtzentrum beibehielten. Mit dem „Anschluss“ Österreichs an das Deutsche Reich erfuhr das Verwaltungsgebäude durch den Bau des Neuen Landhauses eine massive Erweiterung. Nach dem Ende des Zweiten Weltkrieges beherbergte das Gebäude neben den sich konstituierenden demokratischen Institutionen unter anderem den Sitz der Militärregierung der amerikanischen bzw. französischen Besatzungsmacht.

Die Architekten in Tirol zur Zeit des Nationalsozialismus

Christoph Hölz (Innsbruck)

Nur wenige Tiroler Architekten waren wie Lois Welzenbacher international so bekannt, dass sie 1932 nach New York zur Ausstellung „The International Style“ eingeladen wurden. Während der gesamten NS-Zeit versuchte Welzenbacher an lukrative Bauaufträge zu kommen, indem er gleichermaßen Entwürfe in modernem und regionalistischem Baustil vorlegte. Dennoch war er nicht am Wettbewerb für den Erweiterungsbau des Landhauses 1938 beteiligt, der auf acht geladene Innsbrucker Architekten wie Franz Baumann und Wilhelm Stigler u. a. beschränkt war und nicht auf bekannte überregionale NS-Architekten ausgeweitet wurde. Die Zeit der 1920er-Jahre über die NS-Zeit bis in die Nachkriegszeit war zugleich von Stilwandel und Kontinuität geprägt. Ein Gebäudekataster der NS-Architektur in Tirol steht bislang aus.

Zwischen Funktion und Repräsentation: das Neue Landhaus in Innsbruck

Hilde Strobl (München)

Der Erweiterungsbau des Landhauses war nach dem „Anschluss“ durch die beengten räumlichen Verhältnisse im „Alten Landhaus“ von Gauleiter Hofer veranlasst worden. In kürzester Zeit wurde nach strengen Vorgaben ein Wettbewerb unter eingeladenen Innsbrucker Architekten ausgeschrieben. Die eingereichten Entwürfe mussten zugleich funktionalen Ansprüchen als auch einer beengten städtebaulichen Situation gerecht werden. Der Bau nach den Entwürfen von Walther und Ewald Guth folgte zugleich bautypologisch der NS-Architektur und regionaler Formgebung. Dennoch galt das Gebäude nur bedingt als Repräsentationsbau des Gaus Tirol-Vorarlberg: Weder wurde seine Eröffnung zelebriert noch der Vorplatz ausgebaut – und auch die Planungen für ein Gauforum in Innsbruck verzichteten auf die Einbeziehung des Erweiterungsbaus.

„Kein Akt typischer nationalsozialistischer Zielsetzung“ – der Umgang mit dem Neuen Landhaus nach 1945

Christian Mathies (Innsbruck)

Wie die Nachnutzung von und der Umgang mit Baulichkeiten nach politischen Zäsuren aussah, kann für Tirol am Beispiel des Neuen Landhauses nach 1945 aufgezeigt werden. Lebte die Erinnerungskultur damals von der Betonung des Widerstandes gegen das NS-Regime, blendete die Tiroler Politik die NS-Vergangenheit des Neuen Landhauses komplett aus. Anlässe, sich mit dieser Vergangenheit auseinanderzusetzen, gab es unmittelbar nach 1945 genug. Streitigkeiten zwischen Stadt und Land beschäftigten das Grundbuchamt etwa bis in die späten 1950er-Jahre. Im Rahmen angestrebter Rückstellungen von Gebäuden, die im Zuge des Erweiterungsbaues vom damaligen Reichsgau Tirol und Vorarlberg erworben worden waren, argumentierte das Land immer gleich. Der Bau wurde als allgemeine städtebauliche Maßnahme verkauft und stelle daher „keinen Akt typischer nationalsozialistischer Zielsetzung dar“. Bis heute gibt es kein offizielles Erinnerungszeichen, das die NS-Vergangenheit des Gebäudes thematisiert.

 

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