PANEL 11
Die langfristige Wirkung von internationalen Abkommen auf nationale Entwicklungen – umwelthistorische Perspektiven

Chair: Robert Groß (Innsbruck/Wien)

Donnerstag, 16. April 2020, 14:10–15:40, U 3

Die Beiträge in diesem Panel nehmen bedeutsame Ereignisse der österreichischen Außenpolitik (ERP 1948, UN–Luftreinhalteabkommen 1979, EU-Beitritt 1995) als Ausgangspunkt und analysieren ihre Wirkungen auf das Mensch-Umwelt-Verhältnis. Veränderungen werden hier anhand konkreter Fallbeispiele dargestellt, deren Fokus auf den Wechselwirkungen zwischen Politik, Wirtschaft, Zivilgesellschaft, Massenmedien und Natur/Umwelt liegt. Die Fallbeispiele verdeutlichen, wie sich diese Ereignisse physisch-materiell in die Landschaft, in das Energiesystem und die Transitinfrastruktur sowie in ihre Wahrnehmung eingeschrieben haben. Räumlich ist das Panel in Österreich verortet, zeigt aber, dass die Einbeziehung der natürlichen Umwelt in die Zeitgeschichte und von zeithistorisch bedeutsamen politischen Ereignissen in die Umweltgeschichte diese nationale Perspektive transnational und global erweitert.

Das ERP und die österreichische Papierlandschaft

Sofie Mittas (Linz)

1950 startete das ERP-Investitionsprogramm der österreichischen Papierindustrie. Durch die Beteiligung internationaler Organisationen wurden die Investitionsprojekte von der internationalen politischen Situation beeinflusst. Die Modernisierungspläne entstanden in einem intensiven Aushandlungsprozess zwischen den Unternehmer*innen, den Mitarbeiter*innen und Expert*innen der ECA (Economic Cooperation Administration) und österreichischen Beamt*innen. Der Beitrag geht der Frage nach, wie sich diese Investitionsprogramme in die österreichische Landschaft eingeschrieben haben. Zellstoff- und Papierfabriken waren über Infrastrukturen (z. B. Wasserkraftwerke), Rohstofflieferanten und Abnehmern von Abfallstoffen mit verschiedenen Umwelten verbunden. Fallbeispiele zeigen, auf welche Strukturen die Programme zugreifen konnten und welche Veränderungen und Nachwirkungen in der Mensch-Umwelt-Interaktion bewirkt wurden. Als Quellen dienen Dokumente aus den National Archives und österreichischen Archiven.

Die Unterzeichnung des UN-Luftreinhalteabkommens 1979 und die „Entschwefelisierung“ des österreichischen Energiesystems

Odinn Melsted (Innsbruck)

Im November 1979 unterzeichnete Österreich als einer von 33 UN-Mitgliedsstaaten das Genfer Luftreinhalteabkommen, wodurch sich die Republik zu einer radikalen Reduktion der Schwefeldioxidemissionen verpflichtete. Durch die Verbreitung von Anlagen zur Filterung schwefelhaltiger Abgase, die Entschwefelung von Erdöl und Erdgas in Raffinerien sowie dem Umstieg auf schwefelärmere Energieträger konnten Österreichs SO2-Emissionen daraufhin laut Berechnungen des Umweltbundesamtes (2018) gegenüber 1980 um 96 % reduziert werden. Hier wird der Frage nach der Bedeutung des internationalen Abkommens, aber auch der nationalen Diskurse zur Luftverschmutzung und dem Waldsterben, für den Erfolg der „Entschwefelisierung“ nachgegangen. Dies ist nicht zuletzt vor dem Hintergrund der gegenwärtig angestrebten „Entkarbonisierung“ des Energiesystems, wo vergleichbare Diskurse und Abkommen bislang wenig Wirkung zeigten, auch über die Grenzen der Geschichtswissenschaft hinaus relevant.

„Der Transit, der Verkehr und andere Unannehmlichkeiten“ – eine bildgeschichtliche Annäherung an den Tiroler Transitwiderstand

Maria Buck (Innsbruck)

Seit den 1980er-Jahren schwelt in Tirol entlang der Inntal- und Brennerroute der Widerstand gegen den Transitverkehr im Alpenraum. Von breiten Bevölkerungsschichten getragen, sorgten die langlebigen und zum Teil spektakulären Proteste der Bürger- und Umweltinitiativen dafür, dass das Transitproblem zunehmend auf die politische Agenda kam. War anfangs nur die lokale bzw. nationale Politik Adressatin des Protests, änderte sich das mit dem EU-Beitritt Österreichs 1995. Die EU wurde von den lokalen Stakeholdern schnell als wesentliche neue Akteurin erkannt und adressiert.

Der Vortrag wirft im Sinn der Visual History einen bildgeschichtlichen Blick auf den Tiroler Transitwiderstand. Es stellt sich dabei die Frage, welche Elemente der Anti-Transit-Proteste in Tirol in Karikaturen, die in – vorwiegend – österreichischen Medien publiziert wurden, aufscheinen. Dabei wird die These vertreten, dass die EU-Kritik der Anti-Transitbewegung eine zentrale Stellung einnimmt.

 

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