PANEL 10
Gedenken*

Chair (inkl. Kurzkommentar): Peter Melichar (Bregenz)

Donnerstag, 16. April 2020, 14:10–15:40, HS 3

Burgenland-Jubiläen der Ersten und Zweiten Republik – eine historiographische Bilanz

Martin Krenn (Linz/Eisenstadt)

Das im Jahr 2021 anstehende Jubiläum des Burgenlandes – 100 Jahre „Landnahme“ von 1921 – bildet den äußeren Anlass, um die in der Vergangenheit begangenen Festlichkeiten zu diversen „runden“ Jahrestagen des Landes in der Ersten wie Zweiten Republik kritisch zu bilanzieren.

Beginnend mit dem Jubiläum 1931 („10 Jahre Burgenland“), werden die von der burgenländischen Landesregierung jeweils zentral konzipierten Feierlichkeiten als integrale Momente einer föderalen Erinnerungs- und Gedenkpolitik verortet. Diese sollten in der Ersten Republik vorrangig den beiden übergeordneten Zielen der burgenländischen Kulturpolitik dienen, einerseits im Land ein eigenständiges Landesbewusstsein zu implementieren, andererseits dem Burgenland im politischen Gefüge der Republik Österreich einen festen Platz zu sichern. In der Zweiten Republik wurde über die Burgenland-Jubiläen an diese Programmatik angeknüpft, wobei zunehmend auch die „zweite“ Geburt des Landes im Jahr 1945 in die Jubiläumsgestaltung miteinbezogen wurde. Gedacht und erinnert wurde in der Folge nicht nur der „Landwerdung“ des Burgenlandes 1921, sondern auch seiner Wiedererrichtung 1945.

Im Rahmen der Ausführungen sollen entscheidende Narrative dieser Burgenland-Jubiläen seit 1931 aufgedeckt und analysiert werden. Insbesondere soll in den Blick genommen werden, ob – und wenn ja, ab welchem Zeitpunkt – sich eine auch kritische Auseinandersetzung mit der eigenen Landesgeschichte in den Jubiläums-Feierlichkeiten bemerken lässt. Noch 1975 wurde beispielsweise anlässlich der dreißigsten Wiederkehr des Jahres 1945 in einem von der burgenländischen Landesregierung mitherausgegebenen „Jahrbuch für ein Land und seine Freunde“ eine Person wie Heinrich Kunnert, ehemals Kreis- und Hauptstellenleiter für Kultur der burgenländischen NSDAP und Leiter der Außenstelle Eisenstadt des SD der SS, als Vorreiter des Denkmal- und Kulturgüterschutzes des Burgenlandes gewürdigt, ohne auch nur ein Wort über seine berufliche und politische Vita in den Jahren 1938–1945 zu verlieren.

Der Opfermythos. Besichtigung eines dominanten Konzeptes

Peter Pirker (Wien/Innsbruck)

Kein anderer Begriff hat die geschichtspolitische Diskussion über Österreich in den letzten Jahren so geprägt wie der „Opfermythos“. Mitte der 1980er-Jahre als kritisches Konzept eingeführt, ist es zum Common sense in Wissenschaft, Literatur und Politik erstarrt. Das Gedenkjahr 2018 hat das eindrucksvoll belegt: Auch wenn es durch die Regierungsbeteiligung der FPÖ Brüche gegenüber der dominanten politischen Erinnerungsordnung seit Mitte der 2000er-Jahre gab, war die Rhetorik des Opfermythos, das Eingeständnis, dass sich die Österreicher zu Unrecht über Jahrzehnte hinweg pauschal als Opfer des Nationalsozialismus dargestellt hatten, ein gemeinsamer Refrain. Der Vortrag analysiert den Entstehungszusammenhang des Begriffes Mitte der 1980er-Jahre im internationalen Kontext hinsichtlich seiner Opfersemantiken und untersucht, was aus den kritischen Intentionen in der jüngsten Erinnerungspolitik geworden sind, etwa hinsichtlich der Errichtung neuer nationaler Denkmäler für die Opfer der Shoah.

Die Glorifizierung des Todes: die Rituale zum „Heldengedenktag“ im Reichsgau „Groß-Wien“ 1938–1945

Richard Hufschmied (Wien)

Die primäre Forschungsfrage, die im Rahmen des Vortrages auch beantwortet werden wird, lautet: Inwieweit beeinflusste der Vernichtungskrieg des Deutschen Reiches ab 1939 die Rituale zum Heldengedenktag in Wien, und wenn ja, in welcher Art und Weise?

Die Selbstpräsentation des NS-Regimes im Rahmen des gesamtdeutschen Heldengedenktages erfolgte in Wien von 1938 bis 1945 unter Einbeziehung des „Österreichischen Heldendenkmals“ auf dem „Aufmarscharschplatz der Ideologien“, dem Wiener Heldenplatz. Bereits am 15. März 1938 kam es dort zu einer Kranzniederlegung durch Adolf Hitler, zahlreiche weitere, auch durch Spitzen des NS-Regimes wie Hermann Göring und Rudolf Hess, sollten folgen.

Von 1939 bis 1945 inszenierte das Regime eigene Erinnerungs- und Trauerakte im Rahmen des gesamtdeutschen Heldengedenktages, jeweils im März des laufenden Kalenderjahres auf dem Wiener Heldenplatz. Im Vortrag werden diese Rituale, ihre – militärischen, architektonischen, ideologischen und musikalischen – Spielarten und ihre Inszenierungen erläutert und analysiert.

Jubiläen als neue Forschungsimpulse? Franz Jägerstätter abseits medialer Wahrnehmung

Verena Lorber (Linz)

Jubiläen spielen im Gedenken an Franz Jägerstätter – Kriegsdienstverweigerer aus religiösen Gründen – eine bedeutende Rolle. Sein Todestag am 9. August 1943 oder die Seligsprechung am 26. Oktober 2007 bilden zentrale Wegmarken in der Erinnerungskultur und führ(t)en zu positiven wie auch negativen Auseinandersetzungen mit seinem Handeln in der medialen Öffentlichkeit. Wenn wir den Blick auf die frühe Rezeption Jägerstätters im Rahmen solcher Jubiläen richten, liefern diese aus heutiger Sicht wichtige Impulse für neue Fragestellungen. So war beispielsweise der Wehrmachtsseelsorger Kreutzberg, der Jägerstätter im Gefängnis in Berlin betreute, auch ein zentraler Akteur im frühen Gedenken an Franz Jägerstätter. Dies war der Ausgangspunkt, sich verstärkt mit dem Themenbereich der Wehrmachtsseelsorge und den religiösen Handlungsräumen auf individueller Ebene in NS-Haftanstalten auseinanderzusetzen.

 

Nach oben scrollen