Panel 15: Befreiung ohne Grenzen?

Michaela Köpf, Lukas Guggenberger, Lena Zingerle
Panel 15

Panel 15: Befreiung ohne Grenzen? Mobilität, Allianzen und Spannungsmomente der Dekolonisierung in Afrika in globalhistorischer Perspektive

Freitag, 17. April 2020, 13.30 bis 15.00 Uhr, Virtueller Konferenzraum 1
Chair: Arno Sonderegger (Wien)

Eric Burton (Innsbruck): Antikoloniale Solidaritäten im Konflikt: Panafrikanismus, Panarabismus und afroasiatische Beziehungen in Kairo, 1956–1963

Immanuel R. Harisch (Wien): Abgemilderter Antikolonialismus und elitäres Karrieresprungbrett: das „African Labor College“ des Internationalen Bundes Freier Gewerkschaften (IBFG) in Kampala, Uganda, 1958–1968

Lisa Hoppel (Wien): „Die Avantgarde des afrikanischen Radikalismus“ – radikaler Panafrikanismus zwischen Befreiungsnationalismus und antiimperialistischem Internationalismus, 1958–1963

Abstracts

 

Kommentare

Der Titel des 15. Panels des 13. bzw. 1. Virtuellen Österreichischen Zeitgeschichtetags 2020 lautete „Befreiung ohne Grenzen? Mobilität, Allianzen, Spannungsmomente der Dekolonialisierung in Afrika in globalhistorischer Perspektive“. Arno Sonderegger moderierte dieses Panel als Chair. Zudem referierte Eric Burton aus Innsbruck zum Thema „Antikoloniale Solidaritäten im Konflikt: Panafrikanismus, Panarabismus und afroasiatische Beziehungen in Kairo, 1956–1963“. Die beiden in Wien forschenden Vortragenden waren Immanuel H. Harisch zu „Abgemilderter Antikolonialismus und elitäres Karrieresprungbrett: das „African Labor College“ des Internationalen Bundes Freier Gewerkschaften (IBFG) in Kampala, Uganda, 1958–1968“ sowie Lisa Hoppel, deren Vortrag den Titel „,Die Avantgarde des afrikanischen Radikalismus‘ – radikaler Panafrikanismus zwischen Befreiungsnationalismus und antiimperialistischem Internationalismus, 1958–1963“ trug.

Beim Vortrag von Eric Burton habe ich besonders den Stellenwert von Ägypten und Kairo als interessant empfunden. Unter anderem wurde Kairo dadurch zum symbolischen Zentrum des Antiimperialismus und zur Bastion der Befreiungsbewegungen der Länder der Dritten Welt. Auch stellte Ägypten eine Schnittstelle zwischen Afrika und Asien dar. Des Weiteren wurde Kairo jedoch von Seiten der UdSSR als Zugangsmöglichkeit gesehen, um den Kommunismus in den globalen Süden zu exportieren und zu installieren. Dies deutet auch darauf hin, dass der Kalte Krieg keine rein bipolare Struktur aufwies.

Meiner Meinung nach war der österreichische Zeitgeschichtetag sehr spannend und lehrreich. Auch in diesem Panel konnte ich zusätzliche Informationen und Erfahrungen sammeln, denen oftmals in Seminaren nicht ausreichend Zeit gewidmet werden kann. Bei dieser Gelegenheit konnte ich den eigenen Interessen nachgehen und mich selbst weiterbilden. Für mich persönlich war es auch für meine spätere berufliche Laufbahn sehr hilfreich, da durch die Vorträge nochmals deutlich wurde, dass bei der Thematik des Kalten Krieges oft lediglich die Ost-West-Beziehungen in den Vordergrund gestellt werden. Als zukünftige Lehrerin möchte ich nicht vergessen, multiperspektivisch zu arbeiten und den Schülerinnen und Schülern einen so umfassenden Eindruck wie möglich von der Geschichte zu bieten. Dieses Panel hat vor allem nochmals verdeutlicht, dass der Kalte Krieg tripolar betrachtet werden muss und auf die signifikante Rolle der Dritten Welt bei der Betrachtung nicht vergessen werden darf. Besonders wurde nämlich im Verlauf dieses Panels der Stellenwert der gesamten Dritten Welt angesprochen und näher erläutert. Ich finde es sehr signifikant, sich diese Tatsache immer wieder bewusst zu werden, da dieser Teil der Welt oft in der Geschichtsschreibung nicht beachtet wird. Vor allem in der Schule sollen Lehrerinnen und Lehrer globalgeschichtlich unterrichten, und deshalb ist es von großer Bedeutung, einen weiten und umfassenden Blick auf verschiedenste Themen zu richten.

(Michaela Köpf)

 

Das Panel 15 des 1. Virtuellen Österreichischen Zeitgeschichtetages 2020 wurde von Arno Sonderegger moderiert und enthielt drei Vorträge zur Dekolonisierung Afrikas. Als erstes sprach Eric Burton zum Thema „Antikoloniale Solidaritäten im Konflikt: Panafrikanismus, Panarabismus und afroasiatische Beziehungen in Kairo, 1956–1963“. Es folgte Immanuel Harischs Vortrag „Abgemilderter Antikolonialismus und elitäres Karrieresprungbrett: das „African Labor College“ des Internationalen Bundes Freier Gewerkschaften (IBFG) in Kampala, Uganda, 1958–1968“. Abschließend referierte Lisa Hoppel über „‚Die Avantgarde des afrikanischen Radikalismus‘ – radikaler Panafrikanismus zwischen Befreiungsnationalismus und antiimperialistischem Internationalismus, 1958–1963“.

Eric Burton verdeutlichte die Meinungsverschiedenheiten bezüglich der zukünftigen Ausrichtung Ägyptens: Dessen Präsident Nasser befürwortete den Panarabismus, das ghanaische Staatsoberhaupt Nkrumah hingegen warb aus geographischen Gründen für eine Hinwendung zum Panafrikanismus. Die Rolle des geostrategisch wichtigen Landes am Nil interpretierten beide anders: Für Nasser war Kairo das Zentrum der antikolonialistischen Freiheitsbewegung und Bollwerk Afrikas gegen die im Nahen Osten schwelenden Konflikte, die im Zuge des Kalten Krieges aufkamen. Nkrumah hingegen befürchtete durch Ägyptens Panarabismus deren Überspringen auf den afrikanischen Kontinent.

Immanuel Harisch referierte über die sich bildenden Gewerkschaften Ende der 1950er und Anfang der 1960er Jahre. Fokussiert wurde der Internationale Bund Freier Gewerkschaften (IBFG), der 1958 in Uganda das „African Labour College“, eine Gewerkschaftsschule, erbaute. Die Zustimmung erteilte die britische Kolonialmacht, weil sie den IBFG, der verschiedene nationale Interessen vertrat, gegenüber dem kommunistischen Weltgewerkschaftsbund (WGB) als kleineres Übel betrachtete. Die spätere ugandische Regierung schloss die Schule.

Das Ideal des Panafrikanismus sei es, so Lisa Hoppel, Solidarität zwischen allen Menschen afrikanischen Ursprungs sicherzustellen und durch eine Einheit in ökonomischer, sozialer und politischer Hinsicht in eine fortschrittliche Zukunft zu schreiten. Weil der Panafrikanismus an sich nicht einheitlich, sondern verschieden interpretiert wurde, fanden sich in unterschiedlichem Maße sowohl Elemente des Befreiungsnationalismus als auch des internationalistischen Gedankenguts wieder. Solche widersprüchlichen Auffassungen zum Panafrikanismus verdeutlichte die Referentin anschließend an den Beispielen Algerien und Ghana.

Angesichts dieser drei Vorträge wurde mir bewusst, wie der globale Süden vom Geschichtsbewusstsein des reichen Nordens ausgeklammert wird – und das nicht nur beim Thema „Kalter Krieg“. Als zukünftige Lehrperson ist es mir wichtig, den Schüler/innen eine Vielzahl verschiedener Perspektiven aufzuzeigen, um dadurch einen umfangreichen Blick auf ein Thema zu gewährleisten. Das würde auch beinhalten, im Kontext des Kalten Krieges Entwicklungen im globalen Süden und die Rolle der Blockfreien zu beleuchten. Auch wird – wie Eric Burton meinte – darauf hinzuweisen sein, dass Dekolonisierung und Imperialismus noch nicht abgeschlossen sind.

(Lukas Guggenberger)

 

 

Mit dem Ende des Zweiten Weltkriegs begann nicht nur ein Zeitraum friedlichen Zusammenlebens, sondern bedeutete in vielerlei Hinsicht auch eine Neuziehung von Grenzen und eine Neuaufteilung von Gebieten. In diesem Zusammenhang beschäftigen wir Europäer uns im historischen Kontext vermehrt mit den jeweiligen Vorgängen auf dem europäischen Kontinent. Verlassen wir nun aber einmal den europäischen Schauplatz und gehen Richtung Süden, so erkennen wir, dass auch der afrikanische Kontinent von diesen Entwicklungen nicht verschont geblieben ist. Im Gegenteil, Afrika musste sich in dieser Hinsicht noch größeren Schwierigkeiten stellen, zumal der Kontinent lange unter den Großmächten Europas aufgeteilt war. Nach dem Zweiten Weltkrieg wurden auch hier die Stimmen nach einer europäischen Unabhängigkeit laut.

Panel 15 „Befreiung ohne Grenzen? Mobilität, Allianzen und Spannungsmomente der Dekolonisierung in Afrika in globalhistorischer Perspektive“ des 13. bzw. 1. Virtuellen Österreichischen Zeitgeschichtetags 2020 diskutierte ebenjene Thematik. Unter der Moderation von Arno Sonderegger referierten Immanuel R. Harisch zum Thema „Abgemilderter Antikolonialismus und elitäres Karrieresprungbrett: das „African Labor College“ des Internationalen Bundes Freier Gewerkschaften (IBFG) in Kampala, Uganda, 1958–1968“ sowie Lisa Hoppel über „,Die Avantgarde des afrikanischen Radikalismus‘ – radikaler Panafrikanismus zwischen Befreiungsnationalismus und antiimperialistischem Internationalismus, 1958–1963“.

Eric Burton, Assistenzprofessor für Zeitgeschichte an der Universität Innsbruck, erklärte in seinem Vortrag die in Kairo konkurrierenden antikolonialen Solidaritäten im Zeitraum von 1956 und 1963. Dabei spielten vor allem der Panafrikanismus und der Panarabismus eine tragende Rolle. Kairo stellte hierbei das Zentrum des Panafrikanismus dar und etablierte sich unter anderem als Schnittstelle zwischen Afrika und Asien. Ägypten war für den Antikolonialismus von großer Wichtigkeit, da das Land einerseits noch immer Teil Afrikas war, aber andererseits auch als Bindeglied zur restlichen Welt angesehen wurde. Wichtig für die Dekolonialisierung war die Frage, welche Gruppen bzw. Kontinente sich förderlich oder schädlich auf das anvisierte Ziel auswirkten. Als Drehkreuze des Antikolonialismus kristallisierten sich neben Kairo noch die Städte Accra, Conakry und Algier heraus. Sie waren wesentlich für die transregionale sowie transnationale Konnektivität im Kampf gegen die Abhängigkeit von Europa. An dieser Stelle muss angemerkt werden, dass zu diesem Zeitpunkt noch nicht alle afrikanischen Länder ihre Unabhängigkeit zurückerlangt hatten. In diesem Zusammenhang haben sich einige Spannungen erkennen lassen. So stellte Kairo beispielsweise ein Einfallstor für den Kommunismus dar. Im Jahre 1956 galt Kairo als Schnittstelle zur arabischen, asiatischen und kommunistischen Welt. Dieser Umstand wurde von den Befreiungsbewegungen als Chance der Unterstützung angesehen, während es für andere Staaten als Gefahr artikuliert wurde.

Grenzen bedeuten Trennlinien, welche einen Raum absondern, doch im Grunde sind sie weit mehr als nur eine beliebige Linie. Wie sich erkennen lässt, bedeuten sie Konflikte, Auseinandersetzungen und vor allen Dingen Leid; dies hat uns die Geschichte facettenreich aufgezeigt. Grenzen und Befreiung, ein dialektisches Wortpaar, das nie aus der Mode zu kommen scheint; dies verraten besonders die letzten weltweiten Entwicklungen.

(Lena Zingerle)

 

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