Panel 12: Ansätze der Internationalen Geschichte

Daniela Haas, Matthias Portner, Alex Prantner, Paul Siegert
Panel 12

Panel 12: Ansätze der Internationalen Geschichte: Vereine und internationale Organisationen im Fokus

Freitag, 17. April 2020, 09.00 bis 10.30 Uhr, Virtueller Konferenzraum 2
Chair: Oliver Rathkolb (Wien)

Pauli Aro (Florenz): Die größere Familie. Volksdeutsche Selbstorganisation und Vereinswesen in Österreich

Anastassiya Schacht (Wien): Ärzte im Zwielicht: internationale Organisationen im Konflikt mit der sowjetischen Psychiatrie im Kalten Krieg

Sarah Knoll (Wien): Zwischen Grenzöffnungseuphorie und Migrationsfurcht: rumänische Flüchtlinge in den 1980er-Jahren und die Rolle des UNHCR

Abstracts


Kommentare

Unter der Leitung von Oliver Rathkolb wurden in Panel 12 „Ansätze der internationalen Geschichte“ im Rahmen des 13. bzw. 1. Virtuellen Österreichischen Zeitgeschichtetags 2020 drei Forschungsarbeiten zu historischen Vereinen und internationalen Organisationen vorgestellt.

Pauli Aro aus Florenz beschäftigte sich mit der Volksdeutschen Selbstorganisation und dessen Vereinswesen in Österreich mit dem Vortragstitel „Die größere Familie“.

Anastassiya Schacht aus Wien präsentierte ihre Arbeit „Ärzte im Zwielicht“ und den Konflikt internationaler Organisationen mit der sowjetischen Psychiatrie im Kalten Krieg.

Abschließend behandelte Sarah Knoll aus Wien unter dem Titel „Zwischen Grenzöffnungseuphorie und Migrationsfurcht“ die Rolle der UNHCR in Bezug auf rumänische Flüchtlinge in den 1980er Jahren.

Für meinen persönlichen, zeitgeschichtlichen Studienschwerpunkt war die Darstellung von Pauli Aro über den Versuch einer ethnischen Homogenisierung in Zentraleuropa am Beispiel des amorphen Gebildes der „volksdeutschen Familie“ sehr aufschlussreich.

Nachdem der Forscher die Charakteristika von landsmannschaftlichen Organisationen, die im österreichischen Kontext über lange Traditionen verfügten und nach der regionalen Herkunft ihrer deutschsprachigen Mitglieder organisiert waren, am Beispiel der Banater Schwaben (spätere Vertriebenenorganisation) und des Sudetendeutschen Heimatbundes vorstellte, gab Aro anhand von zwei Nahaufnahmen Einblicke in die Beweggründe der österreichischen Parteien, wie diese volksdeutsche Aktivisten unterstützten.

Die 1946 vom österreichischen Innenministerium als Verbindungsstelle zwischen deutschsprachigen Vertriebenen und österreichischen Behörden errichtete „Zentralberatungsstelle der Volksdeutschen“ wurde geschaffen, um Vertriebene zu registrieren und zu selektieren. Die landsmannschaftlichen Organisationen hofften, durch die Zentralberatungsstelle dem Ziel einer Volksgruppenvertretung näher zu kommen.

Das erste Close-up stellte den Volkstumsaktivisten und Donauschwaben Matthias Giljum vor, der dem sudetendeutschen Josef Peters, dem Leiter der Zentralberatungsstelle, das Unterbinden von Volksgruppenaktivität vorwarf. Peters wurde vom Innenministerium nahegelegt, Giljum in die Zentralberatungsstelle einzubinden, da die Gruppe der Donauschwaben aus Rumänien und Jugoslawien als eine immer stärker zu integrierende Gruppe für die österreichische Verwaltung wahrnehmbar war.

Im zweiten Close-up wurde der innerparteiische Konflikt um einen Schriftführerposten der SPÖ Vertriebenenorganisation zwischen dem Donauschwaben Sebastian Werni und dem Sudetendeutschen Egon Bodinger, Leiter des IVHs (Interessensgemeinschaft Volksdeutscher Heimatvertriebener), veranschaulicht. Dieser Konflikt stellte die nach außen betonte Einheit der Sozialdemokraten in Frage. 1953 konnte sich Werni gegen Bodinger durchsetzen und fand im Sudetendeutschen ÖVP-Abgeordneten Erwin Machunze sein politisches und kollegiales Gegenüber.

Aros Forschungen zeigen auf, dass deutsche, politisch aktive Vertriebene trotz der ablehnenden Haltung österreichischer Behörden in der Parteienlandschaft schnell Anbindung fanden. Wirtschaftliche und rechtliche Integration der Vertriebenen gewann für die großen Parteien an Wichtigkeit, und der Wettlauf um deren Stimmen begann.

Für mich persönlich bestätigte sich durch die Forschungserkenntnisse Aros die Annahme, dass ethnische Gruppen sehr instabil konstruiert waren und als politische Akteure als unzuverlässig galten.

Bereits in den 1950er Jahren fehlten den Landsmannschaften junge Mitglieder, da in der großen Gemeinschaft die Gruppe der Vertriebenen wie jede nationale Gruppe funktionierte und die „größere Familie der Vertriebenen“ eher auf folkloristischen Prozessionen und Versammlungen tradiert wurde.

(Daniela Haas)

 

Vom 16. bis 18. April fand der 13. bzw. 1. Virtuelle Österreichische Zeitgeschichtetag 2020 statt, der das dritte Mal vom Institut für Zeitgeschichte der Universität Innsbruck organisiert und veranstaltet wurde. Das Augenmerk der vorgestellten Projekte aus Panel 12 „Ansätze der Internationalen Geschichte: Vereine und internationale Organisationen im Fokus“ lag vor allem bei der Flüchtlings- bzw. Migrationsdebatte von Vereinen und Organisationen zur Zeit des Kalten Krieges. Das Panel wurde von Oliver Rathkolb (Wien) moderiert.

Im Zentrum des Vortrages von Pauli Aro (Florenz) standen vor allem die Vereine und Organisationen von volksdeutschen Akteuren der 1930er bis 1950er Jahre in Österreich, welche sich zu Landsmannschaften entwickelten. Anhand wichtiger Persönlichkeiten, wie beispielsweise Matthias Giljum oder Josef Peters, wurden interne Konflikte und Beziehungen genauer erläutert.

Der Beitrag von Anastassiya Schacht (Wien) beschäftigte sich vor allem mit dem Kernkonflikt des Psychiatriemissbrauchs der 1970er und 1980er Jahre. Dieser spitzte sich zunehmend auf der Ebene von internationalen Organisationen zu und führte zur Spaltung der World Health Organization (WHO) und der World Psychiatric Association (WPA).

Der Fall der Berliner Mauer und die damit zusammenhängenden Auswirkungen auf die österreichische Einwanderungspolitik und Medien war ein wesentlicher Bestandteil der Präsentation von Sarah Knoll (Wien). Im Mittelpunkt standen vor allem die nach Österreich einwandernden Migranten und Migrantinnen aus Rumänien. Zusätzlich befasste sich die Vortragende mit dem Zusammenspiel der UNHCR und den Regierungen Österreichs und Ungarns beim Versuch, die Fluchtbewegung aus Rumänien zu lenken.

Die anschließende Diskussions- und Fragerunde zeigte, dass die angesprochenen Themen auf großes Interesse stießen. Auch ich empfand vor allem die Aspekte aus dem Vortrag von Knoll als sehr wertvoll, nicht nur weil das Thema Migration in den letzten Jahren immer wieder in den Medien präsent war, sondern vor allem weil es für mich als zukünftigen Geschichtelehrer sehr von Nutzen sein kann. Diese Thematik in einer Schulstunde einzubauen, ist für mich sehr gut vorstellbar. Vor allem in größeren Ballungszentren wie Städten, wo viele Kinder mit Migrationshintergrund zur Schule gehen, können sich Schüler und Schülerinnen mit solchen Unterrichtsgegenständen sehr gut identifizieren.

(Matthias Portner)

 

Panel 12 mit dem Titel „Ansätze der Internationalen Geschichte – Vereine und internationale Organisationen im Fokus“ beschäftigte sich im Rahmen des 13. bzw. 1. Virtuellen Österreichischen Zeitgeschichtetags 2020 in allen drei Vorträgen mit unterschiedlichen Vereinen bzw. Organisationen in deren historischen Kontexten und hatte das Ziel, anhand dieser die traditionellen Forschungsbereiche zum Kalten Krieg und zur Migration aufzubrechen. Chair dieses Panels war Oliver Rathkolb, Professor für Zeitgeschichte an der Universität Wien.

Den ersten Vortrag hielt Pauli Aro über die Volksdeutsche Selbstorganisation und das Vereinswesen in Österreich. Anschließend präsentierte Anastassiya Schacht ihre Forschungsergebnisse über internationale Organisationen, welche im Konflikt mit der sowjetischen Psychiatrie im Kalten Krieg standen. Der abschließende Vortrag von Sarah Knoll behandelte den Zwiespalt zwischen Grenzöffnungseuphorie und Migrationsfurcht; darin ging sie genauer auf rumänische Flüchtlinge in den 1980er Jahren in Österreich und die Rolle des UNHCR ein.

Sarah Knolls Vortrag war insbesondere aufgrund der aktuellen Flüchtlingskrise interessant, die in den Jahren 2015 und 2016 ihren Höhepunkt fand und bis heute ein brisantes und hitzig diskutiertes Thema darstellt.

Knoll eröffnete ihren Vortrag mit prägnanten Fakten, wie es zur Migrationsbewegung der 1980er Jahre kam. Hintergrund dafür war das Ende des Ost-West-Konflikts. Hauptthema in ihrem Vortrag war anschließend, wie es den Österreichern während dieser Phase erging. Noch vor der Öffnung des Eisernen Vorhangs nahm Österreich immer wieder Menschen vor allem aus Ländern jenseits des Eisernen Vorhangs bereitwillig auf, da Österreich durch seine liberale Aufnahmepolitik seine Existenz als souveräner demokratischer Staat unter Beweis stellen wollte. Außerdem pflegte Österreich gute Kontakte zur UNHCR und trat immer wieder in der Rolle als Vermittler zwischen Flüchtlingen und der UNHCR auf. Im Jahr 1989 war es in Rumänien zu blutigen Unruhen gekommen, worauf viele Rumänen nach Österreich flüchteten. Die Medienlandschaft in Österreich verbreitete aufgrund der vielen Asylanträge Angst. Es kam zu einer immer stärker werdenden fremdenfeindlichen und rassistischen Diskussion. Die österreichische Asylpolitik reagierte darauf in den Jahren 1990 bis 1992 mit verschärften Aktionen gegen die Migration. Die Aussetzung des Abkommens über Visa-freien Reiseverkehr von Rumänen oder die Stationierung des Bundesheeres an der Ost-Grenze sind nur einige Beispiele, die den Kurswechsel besonders verdeutlichen.

Als angehende Lehrperson im Fach Geschichte stellte ich mir nach diesem Vortrag die Frage, was das Gesagte für mich bedeutet. Bereits seit einigen Jahren hören wir Tag für Tag in verschiedensten Medien Berichte über die Flüchtlingskrise, der Asylpolitik u.v.m. Wie bereits vor gut 30 Jahren lässt sich auch heute noch der Großteil der Bevölkerung medial stark beeinflussen. „Fake News“ oder auch meinungsbildender Journalismus kommen immer stärker zum Tragen und werden fortwährend präsenter. Gerade die Jugend von heute erfährt aufgrund der immer stärker werdenden Mediatisierung einen breiten Zugang zu den verschiedensten Kommentaren durch und vor allem wegen des fast uneingeschränkten Zugangs zu sozialen Medien. Dies hat sehr wohl viele Vorteile, jedoch birgt dieser direkte und ungefilterte Charakter sozialer Medien auch eine große Gefahr. Deshalb ist es auch besonders wichtig, Jugendliche bereits früh mit dieser Thematik zu konfrontieren und zu sensibilisieren sowie im Unterricht zu thematisieren.

(Alex Prantner)

 

Am 17.04.2020 fand das Panel 12 des 13. Österreichischen Zeitgeschichtetages, das zugleich der 1. Virtuelle Zeitgeschichtetag 2020 war, statt. Das erwähnte Panel trug den Titel „Ansätze der Internationalen Geschichte: Vereine und internationale Organisationen im Fokus“. Chair der Veranstaltung war Oliver Rathkolb. Die drei Vorträge hielten Pauli Aro mit dem Titel „Die größere Familie. Volksdeutsche Selbstorganisation und Vereinswesen in Österreich“, Anastassiya Schacht, die über „Ärzte im Zwielicht: internationale Organisationen im Konflikt mit der sowjetischen Psychiatrie im Kalten Krieg“ referierte, sowie Sarah Knoll mit dem Thema „Zwischen Grenzöffnungseuphorie und Migrationsfurcht: rumänische Flüchtlinge in den 1980er-Jahren und die Rolle des UNHCR“.

Aros Vortrag befasste sich mit den Vereinen der Volksdeutschen, ihren verschiedenen Organisationen und Heimatbünden nach den beiden Weltkriegen und mit deren politischen Verbindungen zu den österreichischen Politikern und Parteien. So erläuterte Pauli Aro den Umgang der Österreicher mit den Volksdeutschen, welche nach Österreich kamen und hier großen Einfluss erlangten. So kämpften diese hart für eine Beratungsstelle für Volksdeutsche in allen Bundesländern, um damit auch lokal präsent zu sein. Die Bedeutung der Volksdeutschen Vereine zeigt ebenjenes Beispiel, dass ein Beamter einer Beratungsstelle von dieser entfernt wurde, nachdem ein Brief an das Staatskommissariat durch einen Volksdeutschen Verein geschickt wurde, in dem negativ über diesen Angestellten berichtet wurde. Im Vortrag wurde aufgezeigt, welche politische Macht die Volksdeutschen – trotz fehlender politischer Stimme – besaßen, weil sie ihren Einfluss mithilfe ihrer Vereinskultur und deren politischen Engagement nutzten.

Alle Vorträge zeigten die Bedeutung des Vereins- und Organisationswesens auf. Die politischen Konflikte zwischen Parteien und Vereinen wirken sich stets auf die Lebenswelt der Bevölkerung aus. Deshalb ist es wichtig, sich mit dieser Thematik genauer zu befassen, sowohl im eigenen Studium, als auch in der Schule. In der Schule ermöglicht dieses Thema, Politische Bildung mit Geschichte zu verknüpfen. So kann das Thema für ebenjene Module der historischen-politischen Bildung gut genutzt werden.

(Paul Siegert)

 

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