18. Mai 1945: Namhafte Kriegsgefangene in den PoW-Lagern der Alliierten in Südtirol

Südtirol wurde in den letzten Kriegswochen nicht nur der letzte Aufenthaltsort für prominente KZ-Häftlinge, sondern auch der sichere Hafen für aus Italien zurückströmende ehemalige Nazi-Kollaborateure sowie aus dem Reich geflüchtete Nazi-Funktionäre und deren Familien.
Kriegsgefangene

 

 

(Credit: National Archives, Washington DC, RG 111: 111-ADC-4513)

Der französiche General Andre Besson-Rapp, der die französischen Streitkräfte in Deutschland organisierte, die gegen Russland kämpfen sollten, wird von Mitgliedern des CIC befragt. Baron Dr. Gabov Kemeny, der ehemalige ungarische Außenminister wird außerhalb des PoW-Gefängnisses von einem Mitglied des CIC befragt.

Südtirol wurde in den letzten Kriegswochen allerdings nicht nur der letzte Aufenthaltsort für prominente KZ-Häftlinge, sondern auch der sichere Hafen für aus Italien zurückströmende ehemalige Nazi-Kollaborateure sowie aus dem Reich geflüchtete Nazi-Funktionäre und deren Familien. Auf eine schnelle Gefangennahme dieser Geflüchteten drängten sowohl militärische als auch zivile und geheimdienstliche Behörden der US-Besatzung. Nach ihrer Inhaftierung wurden sie zunächst in improvisierten Gefängnissen untergebracht, dann aber baldmöglichst als Prisoners of War (POW), also als Kriegsgefangene, in die südlich des Gardasees errichteten Sammellager abtransportiert.

Eine Geheimdiensteinheit, das 202. Counter Intelligence Corps Detachment (CIC Detachment) der 5. US-Armee, wurde in Südtirol stationiert. Die Hauptaufgaben dieser Geheimdienststellen bestanden in der Entwaffnung der deutschen Truppen sowie der Aufgreifung faschistischer und nationalsozialistischer Flüchtlinge. Sie konzentrierten sich auf Zufallskontrollen von Zivilpersonen, Razzien in Hotels und Pensionen, Überwachung der Sammellager des Roten Kreuzes, Kontrollen von Krankenhäusern und Militäreinrichtungen und die Bewachung der Grenzen. Hauptziel waren Angehörige der Gestapo, bekannte Kriegsverbrecher und SS-Offiziere.

Eine erste Aufsehen erregende Verhaftung gelang den Amerikanern wenige Tage nach Kriegsende, als sie in Meran die japanische und deutsche Botschaft entdeckten. Erstere wurde am 8. Mai geschlossen. Der japanische Botschafter, die Gesandtschaftsattachés für Marine, Armee und Luftwaffe sowie das übrige Personal wurden unter Bewachung gestellt. Die deutsche Botschaft war in der Villa Paolina in Meran noch mitten bei der täglichen Arbeit, als die Amerikaner kamen. Der „deutsche Vizekönig“ und „Bevollmächtigte des Großdeutschen Reiches“ Rudolf Rahn wurde trotz der Beharrung auf seinen Sonderstatus in seinem Ferienhaus, dem Praderhof, verhaftet.

Auch der in Meran aufgespürte ehemalige französische Filmstar Corinne Luchaire und deren Vater, der ehemalige Vichy-Informations- und Propagandaminister Jean Luchaire, kamen in die Schlagzeilen der alliierten Presse. In Wolkenstein in Gröden hielt sich die Frau von Hitlers Stellvertreter Martin Bormann zusammen mit 14 Kindern auf.

Nach Meran war auch Baron Gábor Kemény zusammen mit seiner Frau geflüchtet. Kemény war ungarischer Außenminister und Kollaborateur des Naziregimes und zeichnete als solcher für die Verschleppung hunderttausender ungarischer Juden in deutsche Konzentrationslager mitverantwortlich. In den ersten Tagen nach Kriegsende übertrug er angeblich die Verantwortung für den ungarischen Kronschatz dem mutmaßlichen ungarischen Mitarbeiter des Internationalen Roten Kreuzes (IRK), Jaac van Harten, um für sich selbst eine Art Zukunftsvorsorge zu treffen. Kemény blieb nach seiner Aufgreifung bis zum Prozess 1946 in Meran in Haft.

 

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