Medizinische Berufungsakten seit 1869


Berufungsakten ab 1918
Medizinische Habilitationsakten
Peter Goller

Berufungs- und Habilitationspolitik an der Medizinischen Fakultät Innsbruck 1869-1918/1945 

1869 wurde an der Universität Innsbruck nach fast sechzigjähriger Aufhebung (1810) wieder eine „höhere“ Medizinische Fakultät mit Promotionsrecht eingerichtet. Viele Berufungen und Habilitationen sind im österreichischen („Wiener Medizinische Schule“) und im internationalen Zusammenhang von Bedeutung, nicht nur die drei Berufungen der späteren Nobelpreisträger für Chemie Fritz Pregl, Adolf Windaus und Hans Fischer (1910, 1913, 1915 jeweils für Medizinische Chemie).[1]

                                          

Fakultätskonstituierung 1869

1810 war die ältere, 1673 gegründete Medizinische Fakultät im Zuge der bayerischen Degradierung der Universität Innsbruck zu einem philosophisch-theologischen Rumpf-Lyzeum aufgelöst worden. Zwischen 1816 und 1869/71 bestand ein „niederes“ medizinisch-chirurgisches Studium zur Ausbildung von Wundärzten, Geburtshelfern und Hebammen.[2]

Von den elf Gründungsprofessoren des Jahres 1869 wurden vier von diesem „Wundarzt-Studium“ übernommen: (Vgl. Dokument 1)[3]

  • für die Anatomie der gebürtige Steirer Karl Dantscher (1813-1887), in Wien promoviert und schon seit 1846 in Innsbruck „descriptive Anatomie“ lehrend.
  • für die Geburtshilfe und Gynäkologie der gebürtige Innsbrucker Virgil von Mayrhofen (1815-1877), 1843 in Wien promoviert. Er lehrte seit 1851 in Innsbruck.
  • für die Innere Medizin und spezielle Pathologie Otto Rembold (1834-1904), aus der Wiener Medizinischen Schule (bei Joseph Skoda) stammend. Rembold wird 1876 nach Graz berufen.
  • für die Allgemeine Pathologie, Pharmakologie und Pharmakognosie Anton Tschurtschenthaler (1815 in Sexten geboren - 1900), in Wien promoviert und schon seit 1856 am Innsbrucker „chirurgischen Studium“ die „theoretische Medizin“ lehrend.[4]

                                                                                              

Neu kamen 1869/70 von außen hinzu:

  • für die Physiologie der in Wilten geborene Maximilian Vintschgau (1832-1913), ausgebildet bei Ernst Wilhelm Brücke. Vintschgau lehrte bis zur Emeritierung 1902 in Innsbruck. 1866 war er nach dem Übergang von Padua zur italienischen Universität freigesetzt worden. Die Fakultät legte am 30. Juli 1869 einen Dreiervorschlag mit Leonhard Landois (Greifswald) an erster Stelle, mit Julius Bernstein (Heidelberg) an zweiter Stelle und mit Carl Toldt (aus Bruneck im Pustertal, Assistent an der Josephs-Akademie in Wien, später militant völkischer Anatomieprofessor an der Universität Wien) an dritter Stelle vor. Toldt war von der Fakultät auf Grundlage eines Gutachtens von Ewald Hering gereiht worden. Das Ministerium ignorierte den Vorschlag, da für Vintschgau eine Ersatzstelle gesucht werden musste. Für die in Prag anstehende Nachfolge von Jan Evangelista Purkinje, die an Ewald Hering gehen sollte, kam Vintschgau, der zwei Jahre an Purkinjes Seite suppliert hatte, nämlich nicht in Frage. ( Dokument 6 und 9)[5]
  • für die Medizinische Chemie der Grazer Dozent Richard Maly (1839-1891), 1875 an die Technische Hochschule Graz berufen. ( Dokument 3)[6]
  • für die Pathologische Anatomie Ferdinand Schott (1830-1887), der von Carl Rokitansky empfohlen worden war. Rokitansky war in den 1860er Jahren als Ministerialreferent in der Frage der Innsbrucker Fakultätsneugründung einflussreich. ( Dokument 5)
  • für die Staatsarzneikunde (und Gerichtliche Medizin) Eduard Hofmann (1837-1897), aus Prag geholter Privatdozent, 1875 nach Wien berufen. ( Dokument 4)
  • für die Chirurgie Karl Heine (1838-1877), ein Heidelberger Dozent, der schon 1873 nach Prag ernannt wird. ( Dokument 7) Er wurde in Innsbruck durch Eduard Albert (1841-1900), einen Vertreter der Wiener Schule (bei Johann Dumreicher), ersetzt. (Vgl. Dokument 11)
  • für die Augenheilkunde Ludwig Mauthner (1840-1894), der sich 1877 wegen der prekären klinischen Infrastruktur in Innsbruck in seine große Wiener Privatpraxis zurückziehen sollte. ( Dokument 8)
  • für die seit dem späten 18. Jahrhundert in Innsbruck existente Professur der Tierheilkunde Franz Wildner (gest. 1900), Assistent am Wiener Tierarznei-Institut. Der Fakultät erschien dieser Unterricht mit Blick auf Tierseuchen und sonstige veterinärpolizeiliche Fragen unentbehrlich. Mit Wildners Abgang wurde diese Professur einzogen. ( Dokument 2)

 

Forschungsbedingungen, klinische Verhältnisse, Verweildauer in Innsbruck

Franz Huter führt 1969 einleitend zu der unter Mitarbeit der Instituts- und Klinikvorstände erstellten Fakultätsgeschichte aus: In den hundert Jahren zwischen 1869 und 1969 wurden 131 Berufungsverfahren durchgeführt. 33 ernannte Professoren stammten aus dem Haus. Aus Wien wurden 55 Professoren geholt, aus Graz 14 und aus Prag 4 Dozenten. Aus Deutschland stammten 21 Lehrstuhlinhaber, nur Leipzig ist öfter genannt. Oft handelte es sich um die Rückkehr von Dozenten nach Österreich: „Die Wiener Medizinische Schule hat in manchen Fächern (…) eine geradezu beherrschende Stellung. Junge Dozenten und Extraordinarien aus Wien haben in den besten Jahren ihres Lebens in Innsbruck gewirkt, zum Teil sind sie dann von hier aus Berufungen nach Graz und Wien gefolgt.“

 

Medizinischer Personalstand 1869-1914

(ordentliche, außerordentliche Professoren, Privatdozenten,

Assistenten [Demonstratoren], Diener)

 

  • 1870/71   9 oP,   2/2 aoP,  3 PD,   5 Ass,             5 Diener
  • 1875/76   9 oP,   3/1 aoP,  3 PD, 11 Ass,             8 Diener, 1 Hebamme
  • 1880/81   9 oP,   4/1 aoP,  4 PD,   8 Ass,             8 Diener
  • 1885/86   9 oP,   3/2 aoP,  4 PD, 11 Ass,             8 Diener, 1 Hebamme
  • 1890/91 11 oP,   4/2 aoP,  3 PD, 14 Ass,           15 Diener, 1 Hebamme
  • 1895/96   7 oP,   8/5 aoP,  3 PD, 21 Ass/Dem,  16 Diener, 1 Hebamme
  • 1900/01 13 oP,   5/3 aoP,  3 PD
  • 1905/06 13 oP,   6/4 aoP,  4 PD, 27 Ass/Dem
  • 1910/11 14 oP,   7/3 aoP,  5 PD, 32 Ass/Dem
  • 1914/15 15 oP,   4/2 aoP,  8 PD, 36 Ass/Dem

 

Anmerkung: Es gilt zwischen in regulärem Berufungsverfahren ernannten Extraordinarien und hausintern angehobenen Extraordinarien zu unterscheiden. Die ersteren – bei der Berufung nach Innsbruck zumeist junge Privatdozenten – waren von Anfang an Instituts- bzw. Klinikvorstand. Sie wurden dann nach wenigen Jahren fast ausnahmslos zu Ordinarien befördert. Dies war so vom Moment der Berufung an vorgesehen. Deshalb wird dieser Professorentypus so ausgewiesen: z.B. „4/2“, d.h. insgesamt vier außerordentliche Professoren, davon zwei berufene!

 

Rund ein Drittel der bis zum Ende der Monarchie 1918 von auswärts ernannten Professoren verweilte im Schnitt nur circa vier Jahre in Innsbruck, dem standen einige Dauerordinariate entgegen, die in der rückwirkenden Beurteilung als zumeist wissenschaftlich wenig innovativ bewertet wurden.

Fast genau die Hälfte der zwischen 1869 und 1918 berufenen Professoren nahm einen Ruf an zumindest eine weitere Universität an, wobei Graz – manchmal als Zwischenstation – wichtigster Anlaufpunkt vor Wien und Prag war.

                                                                                  

Berufen

  • nach Wien: Hofmann (1875), E. Albert (1881), F. Hochstetter (1908), N. Ortner (1911), St. Bernheimer (1915), J. Meller (1918), L. Arzt (1926), W. Kerl (1927), E. Ranzi (1932), I. Amreich (1939 Wien)
  • nach Prag: Heine (1873), F. Schauta (1887, 1891 nach Wien), P. Dittrich (1893), W. Czermak (1895), H. Schloffer (1911), R. Schmidt (1913)
  • nach Graz: Maly (1875 TH Graz), O. Rembold (1876), I. Schnabel (1887, dann 1891 Prag, 1895 Wien), M. Holl (1889), M. Borysiekiewicz (1892), J. Kratter (1892), J. Moeller (1892, dann 1908 Wien), A. Jarisch (1892), G. Anton (1894, dann 1905 Halle), K. Nicoladoni (1895), F. Dimmer (1900), V. Hacker (1903), O. Zoth (1904), F. Pregl (1913), H. Rabl (1913), H. Pfeiffer (1921), H. Haberer (1924), H. Zacherl (1935, dann 1948 Wien)
  • nach Lemberg: Lukasiewicz (1898)

 

  • Berufen nach Deutschland: Roux (1895 Halle), J. Rille (1902 Leipzig), F.B. Hofmann (1911 kurz Prag, dann dt. Universitäten, zuletzt Berlin), A. Windaus (1915 Göttingen), W. Trendelenburg (1916 Gießen), R. Fick (1917 Berlin), H. Fischer (1918 Wien, dann 1921 TH München), G. Gruber (1928 Göttingen), H. Herzog (1928 Münster), H. Eymer (1930 Heidelberg)

                                                                                        

Vor allem angesichts der prekären klinischen Infrastruktur, die erst seit den 1880er Jahren durch Neubauten teilweise behoben wurde, waren „Spitzenkräfte“ für Innsbruck schwer erreichbar bzw. schwer zu halten. So war sich die Innsbrucker Fakultät 1876 klar, dass sie für die Innere Medizin viele ausgezeichnet qualifizierte Wiener oder Grazer Kandidaten – wie Leopold Schrötter, Franz Chvostek, Josef Breuer oder Alexander Rollett selbst dann nicht gewinnen kann, wenn diese als Privatdozenten (noch) gar keine adäquate universitäre Stellung innehaben. Mit Blick auf den durch Studien zur Physiologie der Atmung oder zum Gleichgewichtssinn hervorgetretenen Josef Breuer führte die Fakultät im Oktober 1876 aus, dass die Innsbrucker Klinik nicht mit einer blühenden Wiener Privatpraxis konkurrieren kann: „Breuer hat seit seinem Austritte aus dem Krankenhause eine sehr ausgedehnte und reiche Praxis. Er wäre sicher unter den genannten der tüchtigste. Rembold empfiehlt ihn auf’s Waermste. (…)  Wenn wir aber Breuer für die hiesige Schule gewinnen wollten, so ist es selbstverstaendlich, dass man ihm einen erheblich höheren Gehalt /:5000-6000 fl:/ antragen müsste und selbst dann wäre es wol sehr fraglich, ob er seine lucrative Stellung in Wien mit der sehr bescheidenen Stellung in Innsbruck zu vertauschen geneigt wäre; (…) Zieht man zu diesen Schwierigkeiten noch die hiesigen Localverhaeltnisse – die unpassenden und ungenügenden Spitalsräumlichkeiten, den Mangel an klinischem Material, endlich den Verzicht auf nahezu jegliche Privatpraxis – in Betracht, so glauben wir den bescheidenen Zweifel hegen zu dürfen, ob es nicht von vornhinein eine vergebliche Mühe wäre, den Versuch zur Gewinnung der genannten Kräfte zu machen.“  (Vgl. näher Dokument 15)

Gelegentlich zogen Innsbrucker Professoren auch (Wiener) Primararztstellen vor. So wechselte der Dermatologe Eduard Lang 1886 auf das Primariat für Syphilis am Wiener Allgemeinen Krankenhaus, nachdem ihm die Beförderung zum Ordinarius verweigert worden war. Im Oktober 1886 verwies die Fakultät aus Anlass einer pathologischen Besetzungsfrage auf den Umstand, dass nicht nur Ludwig Mauthner 1877 die Innsbrucker Professur zugunsten seiner augenheilkundlichen Praxis in Wien aufgegeben hat: „Dem hohen k.k. Ministerium für Cultus und Unterricht ist es ebenso gut bekannt, wie jedem Mitgliede dieses Professoren-Collegiums, dass auch die Stellung eines Ordinarius an der medicinischen Facultät Innsbruck nicht beneidenswert ist. Denn im Verlaufe weniger Jahre haben drei Ordinarien dieser Facultät in unzweideutigster Weise zu erkennen gegeben, dass sie ihre Würde als eine Last empfanden, von der sie sich um jeden Preis zu befreien suchten. Prof. Mauthner vertauschte die Professur in Innsbruck mit der Docentur in Wien; Prof. Kleinwächter erklärte in einem amtlichen Schriftstück, dass es ihm unmöglich sei, länger in Innsbruck zu bleiben und bat um seine Versetzung; Prof. Albert bewarb sich von seinem Amtssitze in Innsbruck aus um die niedrigere und schlechter dotirte Stelle eines Primararztes am Wiener Rudolf-Spitale.“ (Vgl. näher Dokument 22)

Vinzenz John, Professor des Verwaltungsrechts und der Statistik an der Juristenfakultät, hat die Bau- und Dotationsverhältnisse der Innsbrucker Kliniken und medizinischen Institute 1898 eingehend beschrieben, vor allem die elenden Spitalsverhältnisse in den ersten beiden Jahrzehnten nach 1869: „Das alte Stadtspital lag mitten in der Stadt, an geräuschvollen Straßen. Da dasselbe auch die Landes-Gebäranstalt, den Isolierraum für Irrsinnige, die pathologische Anatomie, die Leichenkammer, das Laboratorium für angewandte medicinische Chemie beherbergen musste, war der Raum recht beengt; die einzelnen Abteilungen waren nicht genügend separiert, es brauchte die größte Vorsicht und Aufmerksamkeit, um Übertragung von Krankheitskeimen zu verhindern oder doch zu paralysieren. Die Schaffensfreudigkeit der Lehrer und die Frequenz der Hörer litten gleichmäßig unter diesem Banne.“[7]

Die limitierten Innsbrucker Forschungsbedingungen zeigen sich auch knapp vor 1914, wenn die drei späteren Nobelpreisträger für Chemie Fritz Pregl (1910-1913), Adolf Windaus (1913-1915) und Hans Fischer (1916-1918) jeweils nur knapp drei Jahre ihre hiesige Professur für Medizinische Chemie ausüben. (Vgl. Dokumente 52, 58, 62)

Pregl urteilt kritisch, aber durchaus auch differenziert über seine Innsbrucker Forschungsjahre. So schrieb er 1911 nach Graz: „Im verflossenen Monate waren es die Schwächen meiner Methode der Mikroelementaranalyse, die meine ganze Zeit und Persönlichkeit absorbierten.“ Ende 1911 erschien Pregls gemeinsam mit seinem Grazer Kollegen Hans Buchtala veröffentlichter mikroanalytischer Forschungsbericht „Erfahrungen über die Isolierung der spezifischen Gallensäuren“. Im Mai 1912 notierte Pregl: „Am Ende des Wintersemesters war ich schwer überarbeitet. Ich habe die Mikroelementaranalyse verbessert, verfeinert, vereinfacht und noch weiter ausgebaut. Sie stellt nun einen fertigen Guss vor. Die Methoden sind bis in die geringsten Kleinigkeiten ausprobiert und die Vorschriften derartig, dass nunmehr Änderungen nur schaden könnten.“ Obwohl Pregl etwa 1911 eine Berufung nach Berlin mit der Begründung ablehnte, es sei ein größeres Glück, „in gewohnter Umgebung ruhig forschen zu können, als wieder die Gemütspein einer Ortsveränderung mitmachen zu müssen“, hat er sich in Innsbruck doch nicht hinreichend unterstützt gefühlt. Im Juni 1913 sprach Pregl aus Anlass einer Wiener und Grazer Berufungsoption von „geistiger Vereinsamung“: „In dieser Woche sollen also die Würfel darüber fallen, ob ich zeitlebens in Innsbruck verbauern soll oder ob ich in die Kulturwelt wieder eintreten darf.“ 1917 erkannte Pregl aber in seinem Handbuch „Die quantitative organische Mikroanalyse“ den (mit-) entscheidenden Charakter der Innsbrucker Jahre doch an. Die jeweils nur kurzen Aufenthalte von Pregl, Windaus und Fischer verdeutlichen die schwierige materiell finanzielle Ausstattung der naturwissenschaftlichen Forschung in Innsbruck.[8]

 

Berufungsnetzwerke, Schulzusammenhänge. Dominanz der „Wiener Medizinischen Schule“?

Ein Blick auf die knapp siebzig bis 1918 erfolgten Berufungen zeigt – nicht überraschend – die beherrschende Herkunft aus der „Wiener Medizinischen Schule“, - ein teils konstruierter Begriff, der angesichts der Wiener Binnendifferenzen nicht absolut stimmig ist.[9]

 

Berufen von

  • Wien: Rembold (Innere Medizin 1864/1869), F. Schott (Path. Anatomie 1869), L. Mauthner (Augenheilkunde 1869), E. Albert (Chirurgie 1873), P. Rokitansky (Innere Medizin 1876), I. Schnabel (Augenheilkunde 1877), W.F. Loebisch (Med. Chemie 1878), C. Nicoladoni (Chirurgie 1881), M. Holl (Anatomie 1882), F. Schauta (Gynäkologie 1884), J. Moeller (Pharmakologie 1886), M. Borysiekiewicz (Augenheilkunde 1887), E. Ehrendorfer (Gynäkologie 1887), A. Jarisch (Dermatologie 1887), G. Anton (Psychiatrie/Neurologie 1891), P. Dittrich (Gerichtsmedizin 1892), W. Czermak (Augenheilkunde 1892), W. Lukasiewicz (Dermatologie 1892), G. Juffinger (HNO 1892), J. Nevinny (Pharmakologie 1893), C. Mayer (Psychiatrie/Neurologie 1894), V. Hacker (Chirurgie 1895), F. Dimmer (Augenheilkunde 1895), F. Hochstetter (Anatomie 1896), A. Lode (Hygiene 1897), J. Rille (Dermatologie 1898), St. Bernheimer (Augenheilkunde 1900), B. Mayrhofer (Linz, Zahnheilkunde 1905), N. Ortner (Innere Medizin, 1907), R. Schmidt (Innere Medizin, 1911), H. Haberer (Chirurgie 1911), H. Rabl (Histologie 1911), S. Schumacher (Histologie 1913), J. Meller (Augenheilkunde 1915), F. Sieglbauer (1917, Doz. Leipzig), E. Ranzi (Chirurgie 1924), L. Arzt (Dermatologie 1926), W. Kerl (Dermatologie 1927), K. Meixner (Gerichtsmedizin 1927), L. Kumer (Dermatologie 1928), B. Breitner (Chirurgie 1932), R. Priesel (Kinderheilkunde 1935), I. Amreich (Gynäkologie 1936)
  • Prag: Hofmann (Staatsarzneikunde/Gerichtsmedizin 1869), L. Kleinwächter (Gynäkologie 1877), M. Löwit (Pathologie 1887), H. Schloffer (Chirurgie 1903), R. Fick (Anatomie 1908)
  • Graz: Maly (Med. Chemie 1869), J. Kratter (Gerichtsmedizin 1887), G. Pommer (Path. Anatomie 1888), C. Ipsen (Gerichtsmedizin 1893), H. Loos (Kinderheilkunde 1896), O. Zoth (Physiologie 1902), L. Merk (Dermatologie 1903), F. Pregl (Med. Chemie 1910), P. Mathes (Gynäkologie 1915), H. Pfeiffer (Pathologie 1919), Adolf Jarisch („der Jüngere) (Pharmakologie 1923), H. Zacherl (Gynäkologie 1931)
  • TH Brünn: Kerschner (Histologie 1894)
  • Innsbruck („Hausernennungen“): Öllacher (1873 Histologie), E. Lang (Dermatologie 1873), C. Senhofer (Med. Chemie 1876), G. Bayer (Pathologie 1922), F.J. Lang (Path. Anatomie 1928), W. Krainz (HNO 1930), W. Bauer (Zahnheilkunde 1934)

 

Berufen aus Deutschland

  • Breslau: Roux (Anatomie 1889)
  • Freiburg: Trendelenburg (Physiologie 1911), A. Windaus (Med. Chemie 1913)
  • Greifswald: Steyrer (Innere Medizin 1913)
  • Heidelberg: Heine (Chirurgie 1869), H. Eymer (Gynäkologie 1924)
  • Leipzig: B. Hofmann (Physiologie 1905, zuvor Prag), E.Th. Brücke (Physiologie 1916), M. Henze (Med. Chemie 1919), R. Seefelder (Augenheilkunde 1919)
  • München: Fischer (Med. Chemie 1915), H. Herzog (HNO 1915)
  • Straßburg/Mainz: Gruber (Path. Anatomie 1923)

 

Anmerkung: Während der Jahre 1938-1945 traten unter den spezifischen Bedingungen der NS-Wissenschaftspolitik folgende Professoren das Lehramt an: 1) Friedrich Weigmann (Berlin) für Hygiene, 2) Richard Wagner (Breslau) für Physiologie (dann 1941 nach München berufen), 3) Tassilo Antoine (Wien) für Frauenheilkunde (dann 1943 nach Wien zurück berufen), 4) Hans Jost (Frankfurt/M.) für Medizinische Chemie, 5) Friedrich Stumpfl (München) für Erb- und Rassenbiologie, 6) Gustav Wilhelm Parade (Breslau) für Innere Medizin, 7) Helmut Scharfetter (Innsbruck) für Psychiatrie und Neurologie, nachdem der Tage vor dem „Anschluss“ aus Wien berufene Hubert Urban entlassen worden war, 8) Jörg Mathis (Innsbruck) für Histologie, 9) Franz Riha (Innsbruck) für Zahnheilkunde, 10) Ferdinand Scheminzky (Wien) ab 1942 für Physiologie, 11) Siegfried Tapfer (Innsbruck) ab 1943 für Gynäkologie, 12) Werner Kindler (Solingen) ab 1943 für HNO-Krankheiten. Nur Ferdinand Scheminzky und – nach umstrittener „Entnazifizierung“ Siegfried Tapfer konnten nach 1945 in der Innsbrucker Professur verbleiben.

 

Berufungspolitisch dominierten in den Gründungsjahren nach 1869 Dozenten aus dem Wiener Umfeld. Die beiden Internisten der Gründungsjahrzehnte Otto Rembold (1869-1876) und Prokop Rokitansky (1876-1907) stammen aus der Schule von Joseph Skoda. Der 1882 für die Anatomie ernannte Moritz Holl war Wiener Schüler von Josef Hyrtl und Carl Langer. Holl folgte 1889 in Graz Emil Zuckerkandl nach. (Vgl. Dokument 20)

Konflikte innerhalb der Wiener Chirurgie-Schulen, so jener zwischen Theodor Billroth und Johann Dumreicher spiegeln sich auch in Innsbrucker Berufungsverfahren. So schlug die Fakultät 1873 den in Freiburg lehrenden Billroth-Schüler Vincenz Czerny unico loco vor. Das Ministerium oktroyierte aber die Ernennung des Dumreicher-Assistenten Eduard Albert. 1881 wiederholte sich dieser Schulkonflikt auf der Ebene der Innsbrucker Provinz, indem der Dumreicher-Schüler Karl Nicoladoni die Nachfolge von Albert antrat. (Vgl. Dokumente 11 und 19)

Nach 1900 scheint in chirurgischen Berufungen der Wiener „Kultname“ Anton Eiselsberg, eines Billroth-Schülers, als akademische Wegmarke auf, so im Fall von Hans Haberer (1909-1924, Vgl. Dokument 56), Egon Ranzi (1924-1932) und Burghard Breitner (1932-1955).

In der Augenheilkunde werden die Rivalitäten zwischen den Wiener Professoren Ferdinand Arlt, Eduard Jäger oder Ernst Fuchs auch in den Innsbrucker Berufungslinien von Ludwig Mauthner über Isidor Schnabel, Wilhelm Czermak, Friedrich Dimmer oder Stefan Bernheimer sichtbar. Erst mit dem Weggang von Josef Meller 1918 nach Wien wird mit dem Leipziger Dozenten Richard Seefelder erstmals ein Professor aus Deutschland berufen. (Vgl. Dokumente 8, 16, 24, 31, 38, 44, 63, - 1918, 1)

In der Histologie kam eine Wiener Schultradition indirekt über Viktor Ebner zum Tragen. Ebner, 1870 mit dem Fachkollegen Josef Oellacher erster habilitierter Dozent an der Innsbrucker Medizinfakultät, war 1888 als Rollett-Schüler von Graz gegen Widerstand der Wiener Fakultät berufen worden. Ebner empfahl 1892/93 den Brünner Privatdozenten Ludwig Kerschner für Innsbruck. Auf Kerschner folgten 1911 bzw. 1913 wieder Ebner-Schüler, nämlich kurz Hans Rabl und dann für gut 25 Jahre Sigmund Schumacher. (Vgl. Dokumente 10, 35, 55, 59)

Für die 1891/92 gegründete Lehrkanzel für Psychiatrie und Neurologie kamen zwei Assistenten der gehirnanatomisch orientierten Schule von Theodor Meynert zum Zug, erst 1892 der nach zwei Jahren nach Graz abgehende Gabriel Anton und dann 1894 für vier Jahrzehnte Carl Mayer.[10]

Im März 1891 hat das Innsbrucker Berufungskomitee ausgeführt: Dank der Entwicklungen in Wien „steht die Psychiatrie in unserem Vaterlande hochentwickelt und achtungsgebietend als eigene Schule da, an der altberühmten Universität der Reichshauptstadt in ihren beiden Richtungen der klinisch-empirischen und der neuropathologischen gelehrt durch die anerkannten Meister von Krafft-Ebing und Meynert“. Namentlich führt die Kommission für diese Schulrichtung „die Privatdozenten: Gabriel Anton, Sigmund Freud, Johann Fritsch, Alexander Holländer und Robert [Steiner] von Pfungen“ an. (Vgl. näher Dokumente 30, 36)

In der Anatomie stellte sich die Innsbrucker Fakultät 1895/96 nach dem Abgang des seit 1889 hier lehrenden Wilhelm Roux nach Halle die Frage: Soll dessen entwicklungsgeschichtlich „causale Richtung in der Anatomie“ fortgesetzt werden oder soll mit Ferdinand Hochstetter, dem Wiener Schüler von Carl Langer und Carl Toldt, ein „rein deskriptiver Morphologe“ berufen werden? (Vgl. näher Dokument Nr. 40)[11]

In der Physiologie lehrte seit der Fakultätsneugründung 1869 bis an die Jahrhundertwende 1902 der bei Ernst Wilhelm Brücke ausgebildete Maximilian von Vintschgau. Nach einem zweijährigen Zwischenspiel – in dem von 1902 bis 1904 der Grazer Rollet-Schüler Oskar Zoth wirkte – lehrten zwei Physiologen aus der Schule des 1895 von Prag nach Leipzig berufenen Ewald Hering: Franz Bruno Hofmann (1905-1911) und ab 1916 Ernst Theodor Brücke, 1938 vom NS-Regime aus „rassischen Gründen“ entlassen. Über dem Schreibtisch des 1887 aus Prag berufenen Moritz Löwit soll in Erinnerung an die Lehrzeit bei Hering dessen Büste gethront haben. Auch der 1896 an die Philosophische Fakultät Innsbruck berufene Experimentalpsychologe Franz Hillebrand hatte in Herings Prager Labor gearbeitet. 1918 widmete Hillebrand Hering eine Gedenkschrift. (Vgl. Dokumente 48 und 64)[12]

 

Akademischer Antisemitismus an der Medizinischen Fakultät

Die Ernennung des experimentellen Pathologen Moritz Löwit war 1887 als eine der letzten noch – im Zeichen von „1867“ und von begrenzt wirkender bürgerlicher Assimilation – ohne antisemitische Nebentöne über die Bühne gegangen, so wie die Berufungen der „Israeliten“ Ludwig Mauthner und Isidor Schnabel (für Augenheilkunde 1869 bzw. 1877) oder jene des Dermatologen Eduard Lang 1873 und des Medizinischen Chemikers Wilhelm Franz Loebisch 1878.

Die Berufung des Prager Dozenten Wilhelm Fischel auf eine gynäkologische Professur wurde 1887 aus religiös motiviertem Antisemitismus von vornherein ausgeschlossen „und zwar aus Rücksicht seiner Confession, welche bei der Abhängigkeit des Professors der Geburtshilfe vom Landesausschusse Anstoß erregt und dem genannten Docenten von Vorhinein die Stellung unmöglich gemacht hätte.“ (Vgl. Dokument 25)[13]

Religiöse Bedenken gab es in Tirol 1889 auch im Vorfeld der Berufung des Anatomen Wilhelm Roux, der als „entschiedener Anhänger der Descendenztheorie“ Darwins mit klerikal motivierten Vorurteilen zu kämpfen hatte. Überwunden wurden sie erst, nachdem der vom Unterrichtsministerium um eine Stellungnahme gebetene Histologe Viktor Ebner beruhigt hatte: „Eine seiner Schriften suche das Malthus-Darwinsche Princip in eingehender Weise auf Gewebeentwicklung und Regeneration zu übertragen. (…) Professor Ebner glaubt nicht, dass Roux das Bedürfnis habe, in der offensiven Art von Vogt oder Haeckel religiöse Empfindungen zu verletzen.“ (Vgl. Dokument 29)[14]

In den 1890er Jahren – zugleich auch Jahre eines starken zyklischen Frequenzeinbruchs auf studentischer Ebene infolge einer massiven „Überfüllung“ der ärztlichen Laufbahnen – eskalierte besonders im Umfeld der militant an Georg Schönerer orientierten Innsbrucker Burschenschaft „Germania“ ein rabiat „alldeutsch“ völkischer „Rassenantisemitismus“. Florian Albrecht, Burschenschaft „Germania“, ein fanatischer „Schönerianer“, der das so genannte „Waidhofener Prinzip“, wonach Juden „keine Genugtuung“ („Ist der Jude satisfaktionsfähig oder nicht?“) zu leisten sei, mitformuliert hatte, war in Wien vom Medizinstudium ausgeschlossen worden. Er kam im Sommersemester 1896 mit ähnlich Gesinnten zum Studium nach Innsbruck.

Gegen die Berufung des Augenheilkundlers Stefan Bernheimer liefen die deutschnationalen Burschenschaften 1900 Sturm: „Die deutsche Studentenschaft hat es von jeher nicht nur als ihr Recht, sondern vielmehr als ihre Pflicht betrachtet, in Dingen, die ihre Hochschule näher berühren oder die geeignet sind, den deutschen Charakter derselben zu schädigen, ihrer Meinung frei und offen Ausdruck zu verleihen. In Ausübung dieser Pflicht ergreift sie auch heute das Wort, um gegen die zunehmende Verjudung des Lehrkörpers der Innsbrucker Universität entschiedenen Protest einzulegen. Sie vermag nicht einzusehen, warum an einer Hochschule, an der unter 900 Hörern sich nur ein Jude befindet, eine jüdische Lehrkraft nach der anderen berufen wird. (...) Wir (...) bedauern die leider schon erfolgte Ernennung des jüdischen Professors für Augenheilkunde Dr. Bernheimer.“

Im Sommersemester 1900 folgten fast zeitgleich studentische Demonstrationen gegen die Ernennung des Prager Mediziners Richard Fuchs zum Assistenten bei der Pathologie: „Sie (gemeint ist Prof. Moritz Loewit – Anm.) haben einen jüdischen Assistenten aufgenommen, die ganze deutsche Studentenschaft Innsbruck ist dadurch beleidigt, Entlassung desselben, ein Lärm von Stöcken, Klopfen u(nd) Stimmen machte es unmöglich, deutlich zu verstehen. (...) - Neuerlicher Lärm, Entlassen, jüdische Rasse etc.“[15]

Im Jänner 1909 würdigte die Innsbrucker Berufungskommission die Leistungen der Wiener Anatomen Alfred Fischel und Julius Tandler sehr umfänglich, um sie doch mit einer typischen Redewendung des akademischen Antisemitismus aus dem Dreiervorschlag auszuschließen: „Das Comité möchte davon absehen, da es sich zu gleicher Zeit genötigt sieht, zu erklären, dass eine Berufung der Herren Fischel und Tandler nach Innsbruck aus lokalen Gründen untunlich wäre. Trotzdem glaubte aber das Comité in Anerkennung der sehr bedeutenden wissenschaftlichen und lehramtlichen Tätigkeit dieser Herren, sie wenigstens bei der Besprechung nicht übergehen zu sollen. Die beiden Herren müssten jedenfalls an zweiter Stelle genannt werden, und zwar Fischel vor Tandler.“ (Vgl. näher Dokument 51)

Am 4. Dezember 1918 fordert ein „deutschtirolischer“ Ärzteausschuss wegen einer „Überflutung der deutschen Lande durch nicht völkische Ärzte (Nichtarier, Nichtdeutsche)“: „Ärzte nichtdeutscher Nationalität, welche derzeit in den Universitätsinstituten bzw. Kliniken angestellt oder zu ihrer weiteren Ausbildung tätig sind, wären daher sofort zu entfernen.“ Am 3. März 1919 verlangte ein Verein der Hochschulassistenten in Innsbruck vom Professorenkollegium der Medizinischen Fakultät, „Assistentenstellen nicht mit volks- oder rassenfremden Personen zu besetzen“.[16]

In weiterer Folge führten diese antisemitischen Kampagnen dazu, dass die Innsbrucker Burschenschaften 1924/25 gegen die Habilitation des Zahnheilkundlers Wilhelm Bauer hetzten. 1938 wurde Bauer aus der Professur entlassen. Er übersiedelte in die USA.

Der 1910 habilitierte und 1922 zum Professor der allgemeinen und experimentellen Pathologie ernannte Gustav Bayer flüchtete nach dem „Anschluss“ im März 1938 in den Freitod. (Vgl. Dokument 1918, 4). Der 1916 ernannte Physiologe Ernst Theodor Brücke wurde 1938 ebenfalls aus „rassischen Gründen“ entlassen. Er emigrierte in die USA. (Vgl. Dokument 64)[17]

 

Zur Lage der medizinischen Privatdozenten

Nur ein Innsbrucker Privatdozent gelangte vor 1918 auf eine zentrale Lehrkanzel, der 1870 als erster habilitierte Rollett-Mitarbeiter Viktor von Ebner, der in Graz und dann ab 1888 in Wien lehrte.

Der zeitgleich mit Ebner habilitierte Josef Oellacher gelangte 1873 auf das hiesige histologische Extraordinariat. Der 1875 habilitierte medizinische Chemiker Leo Liebermann kompetierte vergeblich um die Innsbrucker Lehrkanzel und nahm schließlich einen Ruf als Professor für pathologische und physiologische Chemie an das Tierarzneiinstitut in Budapest an.[18]

Der 1910 für Pathologie habilitierte Gustav Bayer erreichte ausnahmsweise 1922 im Weg der Hausberufung ein Ordinariat.[19]

Gelegentlich gelangten in Innsbruck als Assistenten tätige Mediziner in Professuren, so etwa der später 1899 in Graz habilitierte Nicoladoni-Mitarbeiter Erwin Payr auf Chirurgie-Professuren in Greifswald, Königsberg und Leipzig. Der zwischen 1907 und 1911 bei Norbert Ortner als Assistent angestellte Internist Karl Radoncic wurde nach 1918 Professor in Zagreb, so wie der als Haberer-Assistent tätige Chirurg Julius Budisavljevic.[20]

Für einen umfänglicheren Privatdozentenbetrieb fehlte es in Innsbruck im Gegensatz zur Metropole Wien an hinlänglicher Dichte an wissenschaftlicher medizinischer Forschung, an ausreichender klinischer Infrastruktur, an hinlänglicher Möglichkeit zur privaten Facharztpraxis.[21]

Dies zeigen vor allem die wenigen Habilitationen in Schlüsselfächern wie interne Medizin oder Chirurgie. Vinzenz John urteilt 1898 (S. 72) bezüglich der niedrigen Dozentenquote: „Innsbruck theilt auch in dieser sehr vitalen Frage des akademischen Lehramts und der Wissenschaft das Loos der kleineren Universitäten, welche nahezu ausnahmslos einem zureichenden Nachwuchs weniger günstig sind, weil sie ob der geringeren Zahl der Ordinarien und der Studierenden auf die nachstrebenden Jünger der Wissenschaft eine geringere Anziehungskraft ausüben, ganz abgesehen von der vielseitigeren geistigen Anregung der größeren Städte als Sitz der größeren Universitäten.“

Einige der habilitierten Assistenten rückten innerhalb der eigenen Fakultät in (un-) besoldete (Titular-) Extraordinariate auf, so Michael Dietl, Hermann Klotz, Hans Malfatti, Adolf Posselt, Alfred Greil, Emanuel Hibler, Friedrich Herrenschwand, Ludwig Haberlandt (Vgl. Dokument 1918, 2) oder Felix Gaisböck.

Viele Privatdozenten wichen auf Primararztstellen aus, so die 1878 für Psychiatrie habilitierten Franz Schnopfhagen und Fridolin Schlangenhausen als Leiter der Nervenheilanstalten Niedernhart bei Linz bzw. Feldhof in der Steiermark. Der 1909 für innere Medizin habilitierte Alfred Decastello wurde beispielsweise Primararzt am Wiener Franz Joseph- und Sophienspital. Eine ähnliche Position erlangte in Wien Georg Lotheisen. Er hat 1899 in Innsbruck die Lehrbefugnis für Chirurgie erlangt. Der 1905 habilitierte Dermatologe Paul Rusch wurde Abteilungsleiter am Wiedener Krankenhaus in Wien.

Franz Torggler (venia legendi 1890) wurde Direktor der Gebäranstalt und der Hebammenschule in Klagenfurt. Der 1909 für Gynäkologie habilitierte Oskar Nebesky erlangte die analoge Stellung in Salzburg.

                                                            

Habilitationen 1869-1918

  • 1870 Victor Ebner für Histologie und Entwicklungsgeschichte
  • 1870 Josef Oellacher für Histologie und Entwicklungsgeschichte
  • 1871 Eduard Lang für Chirurgie und Syphilis (1872 erweitert auf Dermatologie)
  • 1874 Michael Dietl für Histologie und mikroskopische Technik (1876 erweitert auf experimentelle Pathologie)
  • 1875 Leo Liebermann für angewandte medizinische Chemie
  • 1875 Franz Schnopfhagen für pathologische Anatomie (1878 erweitert auf Psychiatrie und Gehirn-Anatomie)
  • 1875 Ferdinand Plenk für Augenheilkunde
  • 1876 Ludwig Lantschner für praktische Chirurgie
  • 1878 Fridolin Schlangenhausen für Psychiatrie und gerichtliche Psychopathologie
  • 1881 Hermann Klotz für Pathologie der weiblichen Sexualorgane (1890 erweitert auf Geburtshilfe)
  • 1887 Theodor Sachs für Augenheilkunde
  • 1890 Franz Torggler für Geburtshilfe
  • 1892 Hans Malfatti für angewandte medizinische Chemie
  • 1898 Adolf Posselt für Diagnostik und Therapie der internen Krankheiten
  • 1899 Georg Lotheisen für Chirurgie
  • 1899 Emanuel von Hibler für pathologische Anatomie
  • 1905 Paul Rusch für Dermatologie und Syphilis
  • 1905 Alfred Greil für Anatomie
  • 1906 Oskar Wunschheim-Lilienthal für Hygiene
  • 1907 Franz Ballner für Hygiene
  • 1909 Alfred Decastello-Rechtwehr für innere Medizin
  • 1909 Oskar Nebesky für Geburtshilfe und Gynäkologie
  • 1910 Gustav Bayer für allgemeine und experimentelle Pathologie
  • 1912 Günter v. Saar, Umhabilitation für Chirurgie von Graz
  • 1913 Friedrich Herrenschwand für Augenheilkunde
  • 1913 Felix von Werdt für pathologische Anatomie
  • 1913 Ludwig Haberlandt für Physiologie
  • 1914 Felix Gaisböck für interne Medizin
  • 1917 Otto Chiari für Chirurgie

 


[1] Alle medizinischen Berufungs- und Habilitationsverfahren zwischen 1869 und 1969 sind – unter Anführung der Dreiervorschläge – systematisch erhoben in Franz Huter (Hrg.): Hundert Jahre Medizinische Fakultät Innsbruck 1869 bis 1969, 2 Bände, Innsbruck 1969. Vgl. zum Berufungsumfeld auch Erna Lesky: Die Wiener Medizinische Schule im 19. Jahrhundert, Graz-Köln 1978 und: Strukturen und Netzwerke. Medizin und Wissenschaft in Wien 1848-1955, hrg. von Daniela Angetter u.a., Göttingen 2018, sowie Peter Goller: Berufungspolitik im Vergleich der Fakultäten 1848 bis 1918, in derselbe: Beiträge zur Geschichte der Rechtswissenschaften an der Universität Innsbruck 1792-1965, Innsbruck 2019, 39-89.

[2] Vgl. Peter Goller: Die Matrikel der Universität Innsbruck. Abteilung: Medizinische Fakultät. 1. Band: 1869-1900, Innsbruck 1995.

[3] Die Angabe „Vgl. Dokument x“ bezieht sich auf die Digitalisierung der Medizinischen Berufungsakten ab 1869 unter: www.uibk.ac.at/universitaetsarchiv/medizinische-berufungsakten-seit-1869-/.

[4] Tschurtschenthaler „absolvirte die medicinischen u. chirurgischen Studien, das 1. Jahr in Padua, die übrigen in Wien, wo er am 26ten October 841 zum Medic. Dr., am 26ten Juni 842 zum Dr. Chirurgiae, 23ten Jaenner 842 zum Magister der Geburtshülfe promovirt wurde.“ Er „diente durch beinahe zwei Jahre als Conceptspracticant im Sanitaetsdepartement des hiesigen k.k. Guberniums, und später vom 1. Jaenner 845 bis Mai 850, d.i. durch fünf Jahre und fünf Monate als Assistent an der hiesigen medicinischen Klinik, supplirte die Lehrkanzel der theoretischen Medicin vom 1. October 846 bis März 848.“ (UAI, M 29 aus 1850/51)

[5] Vgl. Wilhelm Trendelenburg: Nachruf auf Max Ritter von Vintschgau, in: Bericht über das Studienjahr 1912/13 an der Universität Innsbruck, Innsbruck 1913, 31-33, u.a. Arbeiten zur Sinnesphysiologie: „Eine Reihe weiterer Untersuchungen befasst sich mit den zeitlichen Beziehungen der in unserem Nerv-Muskelsystem und Zentralorgan ablaufenden Erregungsvorgänge, vor allem der Bestimmung der sogenannten Reaktionszeit.“ Für seine Forschung zu den Farbempfindungen schaffte Vintschgau einen Helmholtzschen Spektralapparat an, vor allem für die Studien zur partiellen Farbenblindheit. Vgl. auch Karl Sablik: Hering, Vintschgau und das Problem der Nachfolge Purkinjes in: Sudhoffs Archiv für Geschichte der Medizin und der Naturwissenschaften 73 (1989), 78-87.

[6] Vgl. über Richard Maly und über die zu Innsbruck fast parallele Neugründung der Grazer Fakultät Herbert H. Egglmaier: Die Gründung der Grazer Medizinischen Fakultät im Jahre 1863, Graz 1986, hier 134.

[7] Zu den nach und nach seit den 1880er Jahren erfolgten klinischen Neubauten und zu den Dotations- und Personalverhältnissen der Kliniken und der Fakultät vgl. [Vinzenz John:] Die Leopold-Franzens-Universität zu Innsbruck in den Jahren 1848-1898, Innsbruck 1899, 25-34 und 59-63.

[8] Vgl. Anton Holasek - Alois Kernbauer (Hrg.): Fritz Pregl an Karl Berthold Hofmann. Briefe aus den Jahren 1904-1913, Graz 1989.

[9] Vgl. Brigitte Lohff: Gedanken zum Begriff „Wiener Medizinische Schule“, in: Strukturen und Netzwerke. Medizin und Wissenschaft in Wien 1848-1955, hrg. von Daniela Angetter u.a., Wien 2018, 41-72.

[10] Über die zahlreiche „Carl Mayer-Schule“ (E. Gamper, G. Stiefler, H. Scharfetter, R. Untersteiner, O. Reisch, u.a.) vgl. Eduard Gamper: Nachruf auf Carl Mayer, in: Deutsche Zeitschrift für Nervenheilkunde 141 (1936), I-VIII.

[11] Der „Rassenanthropologe“ Eugen Fischer wird 1916 in einem Innsbrucker Vorschlag für Anatomie an zweiter Stelle genannt. (Vgl. Dokument Nr. 65) - Ernannt wurde Felix Sieglbauer, über ihn neben den Ausführungen in der in Anm. 1 erwähnten systematischen Gesamtdarstellung in Huter 1969 auch Erich Brenner und Herwig Czech: Nazi victims on the dissection table. The Anatomical Institute in Innsbruck, in: Annals of Anatomy – Anatomischer Anzeiger 226 (2019), 84-95.

[12] Vgl. Gustav Bayer: Nachruf auf Moritz Löwit, in: Bericht über das Studienjahr 1918/19 der Universität Innsbruck, Innsbruck 1919, 27-30. Hier sei auch das physiologische Extraordinariat von Ludwig Haberlandt und seine bemerkenswerten zur „Pille“ führenden Hormonforschungen erwähnt Vgl. Corinna Zangerl: Wenn Wissenschaft Lebensgrenzen setzt. Die Aufzeichnungen des Innsbrucker Physiologen Ludwig Haberlandt (1885-1932), Innsbruck 2014. (Vgl. Dokument 1918, 2)

[13] Vgl. Martin Achrainer: Jüdisches Leben in Tirol und Vorarlberg von 1867 bis 1918, in: Thomas Albrich (Hrg.): Jüdisches Leben im historischen Tirol. Band 2: Von der bayerischen Zeit bis zum Ende der Monarchie 1918, Innsbruck 2013, 193-397.

[14] Vgl. zum Diskurs „Religion/Wissenschaft“ auch Wilfried Hofinger (Hrg.): Briefe und Correspondenz-Karten von Joseph Maria Pernter an seinen Freund Hans Malfatti aus den Jahren 1898 bis 1908, Manuskript 2007: Hans Malfatti, seit 1900 Extraordinarius der Medizinischen Chemie, fungierte jahrelang als christlichsozialer Tiroler Landtagsabgeordneter. Mit seinem Freund Josef Maria Pernter, erst Innsbrucker, dann Wiener Meteorologieprofessor diskutierte er, wie sich die katholische Wissenschaft vor dem Hintergrund des „Modernismusstreits“ in einer säkularen Umgebung geeignet positionieren könnte.

[15] UAI, Reihe „Disziplinarakten 1848ff.“, Akt „Demonstrationen wegen Farbenverbots in der Aula und Resolutionen anlässlich der Ernennung des Herrn Prof. Dr. Bernheimer – 1900.“

[16] Vgl. Peter Goller – Martin Urmann: Antisemitismus an der Universität Innsbruck. Vom Waidhofener Prinzip zum Ständestaat (1896 bis 1938), in: Antisemitismus in Österreich 1933-1938, hrg. von Gertrude Enderle-Burcel und Ilse Reiter-Zatloukal, Wien-Köln 2018, 801-815.

[17] Vgl. Gerhard Oberkofler: Bericht über die Opfer des Nationalsozialismus an der Universität Innsbruck, in: Zeitgeschichte 8 (1981), 142-149. Vgl. Peter Goller – Gerhard Oberkofler: Die Medizinische Fakultät Innsbruck. Faschistische Realität (1938) und Kontinuität unter postfaschistischen Bedingungen (1945). Eine Dokumentation, Innsbruck 1999. Über B. Breitner, S. Tapfer u.a. in NS-Jahren vgl. Ina Friedmann: „Man könnte direkt zweifeln, ob der Frager oder die Befragte schwachsinnig ist!“ Zwangssterilisierungen und Zwangskastrationen im Gau Tirol-Vorarlberg unter besonderer Berücksichtigung der Beteiligung der Universität Innsbruck. Projektbericht, Innsbruck 2020 (online auf www.uibk.ac.at/zeitgeschichte abrufbar!) - Im Vergleich Michael Hubenstorf: Medizinische Fakultät 1938-1945, in: Willfährige Wissenschaft. Die Universität Wien 1938-1945, hrg. von Gernot Heiß u.a., Wien 1989, 233-282; Petra Scheiblechner: „… Politisch ist er einwandfrei …“ Kurzbiographien der an der Medizinischen Fakultät der Universität Graz in der Zeit von 1938 bis 1945 tätigen WissenschaftlerInnen, Graz 2002 und Alois Kernbauer: Der Nationalsozialismus im Mikrokosmos. Die Universität Graz 1938, Graz 2019, 223-341.

[18] Auswärts-Berufungen von nach 1918 in Innsbruck Habilitierten: a) Eduard Gamper, 1920 für Psychiatrie und Neurologie habilitiert, 1930 nach Prag; b) Wilhelm Berger, 1923 für Innere Medizin habilitiert, lehrte von 1931 bis zu seiner Emigration in die USA 1939 in Graz; c) Robert Fischer, 1930 für Pharmakologie und Pharmakognosie habilitiert, nahm 1939 einen Ruf nach Graz an; d) im Weg einer „Ständestaatsberufung“ gelangte der 1935 für Anatomie habilitierte Gustav Sauser 1936 in die Wiener Tandler-Nachfolge. 1938 entlassen wurde Sauser 1945 Anatomie-Professor in Innsbruck; e) Hugo Gasteiger, 1929 in Innsbruck für Augenheilkunde habilitiert, wurde 1936 Professor in Frankfurt am Main, später an der Universität Berlin; f) Friedrich Plattner, 1926 in Innsbruck für Physiologie habilitiert, 1934 kurz interimistischer „Gauleiter“ für Tirol, nach seiner Flucht Professor in Königsberg, kehrte 1938 als maßgeblicher Funktionär der nazistischen „Säuberungen“ nach Wien zurück. Die Innsbrucker Fakultät bot Plattner die nach dem „aus rassischen Gründen“ entlassenen E.Th. Brücke vakante Physiologie-Professur an. Plattner positionierte sich aber unter Ausnützung seiner Machtposition an der Wiener Fakultät; g) Ähnlich gelangte auch Otto Reisch, u.a. als „T4-Gutachter“ tätig, 1940 in eine Grazer Professur. Reisch, auch er illegaler NS-Funktionär, war 1936 knapp nach seiner Habilitation für Psychiatrie und Neurologie in das nazistische Deutschland geflohen. Vgl. Peter Goller – Georg Tidl: Jubel ohne Ende. Die Universität Innsbruck im März 1938, Wien 2012, 150-153.

[19] Hausberufungen von nach 1918 Habilitierten: a) Franz Josef Lang 1922 habilitiert, erlangte 1929 eine Professur für pathologische Anatomie; b) Wilhelm Bauer, 1925 für Zahnheilkunde ernannt, wird 1934 Professor. 1938 entlassen emigriert er in die USA; c) Wilfried Krainz, 1927 habilitiert, erlangt 1930 eine Professur für HNO-Erkrankungen: d) Helmut Scharfetter, 1928 für Psychiatrie habilitiert, hat die Lehrkanzel während der NS-Jahre 1938-1945 inne.

[20] Julius Budisavljevic war mit der Innsbrucker Krankenschwester Diana Obexer-Budisavljevic verheiratet. Sie rettete zwischen 1941 und 1945 unzählige (serbische) Kinder aus Todeslagern der faschistischen Ustascha.

[21] Vgl. zur Lage der Privatdozenten Jan Surman: „Peregrinatio Medica“. Mobilität von Medizinern in den Jahren 1848-1914 und die Konstruktion einer Hauptstadtuniversität, in: Strukturen und Netzwerke. Medizin und Wissenschaft in Wien 1848-1955, hrg. von Daniela Angetter u.a., Wien 2018, 411-423.

 

 

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