Montag, 14.05.2018
Gastvortrag
Idiomatisch geprägte Sprache und die Kunst des Übersetzens
13:45-15:15 Uhr, Seminarraum 3
Herzog-Siegmund-Ufer 15
A-6020 Innsbruck
Vortragende
Prof.agg. Dr. Renata Zanin
Freie Universität Bozen - Libera Università di Bolzano)
Kontakt
Dr. Erica Autelli
Institut für Translationswissenschaft / Institut für Romanistik
Erica Autelli
Abstract - Gastvortrag von Prof.agg. Dr. Renata Zanin - 14.05.2018
Wie funktioniert Sprache? Renata Zanin am INTRAWI
P
Der sehr vielseitige Gastvortrag von Prof. agg. Dr. Renata Zanin thematisierte häufig vorkommende Probleme beim Übersetzen von appellativen Texten, insbesondere Werbetexten, behandelte die Prägung der Sprache durch idiomatische Begriffe und warf auch sprachphilosophische Fragen auf: Wie funktioniert Sprache? Und warum wird sie nur so selten hinterfragt?
Weiters behandelte die Vortragende das Problem der Spracherosion bei idiomatischen Ausdrücken in Südtirol, indem sie zur Illustration Übersetzungen aus dem Raum Bozen heranzog. Was zum Beispiel ist der Unterschied zwischen „reinem“ und „klarem“ Wasser? Was für Konnotationen lassen sich jeweils feststellen? Welche Bilder entstehen in den Köpfen der Menschen, wenn sie die eine oder die andere Übersetzungslösung lesen oder hören? Sich die Frage zu stellen, ob die ein oder andere Übersetzung schlichtweg falsch ist, sei schwierig, stellte Prof. Dr. Zanin in den Raum, denn Sätze, wenngleich auch nicht „perfekt“ oder detailliert übersetzt, werden vom Gehirn trotzdem problemlos verarbeitet und von den RezipientInnen verstanden. Ob jedoch vom so übersetzten Text die gleichen Werte und Prinzipien wie vom Originaltext vermittelt würden, sei nicht implizit. Abschließend griff die Bozner Professorin das Problem der Online-Übersetzungsprogramme auf, sprach von deren Gebrauch bzw. Schwachstellen und beendete ihre Präsentation, indem sie die Wichtigkeit der menschlichen ÜbersetzerInnen betonte, die auch in Zukunft, trotz aller Entwicklungen im Bereich der automatisierten Übersetzung, weiterhin unentbehrlich sein werden.
Das begeisterte Publikum, das aus Studierenden und Lehrenden bestand, erhielt durch die Beispiele aus der Praxis einen sehr guten Einblick in die Schwierigkeiten beim Übersetzen von appellativen Texten. Das INTRAWI dankt der Vortragenden für ihren abwechslungsreichen und hochinteressanten Gastvortrag.
Bericht: Alessio Ragazzi
Foto: Erica Autelli
Abstact:
Lernen von Sprache kommt „einem Hineinwachsen in Lebensformen gleich, also in jene Handlungssituationen, die für den Gebrauch von Sprache relevant sind“, (Bronfen 2009: 94), und die Sprache, die man gelernt hat, ermöglicht das Leben in einer Gemeinschaft in der genau diese Spielregeln des Sprechens/Schreibens gelten, die man sich angeeignet hat und die in jedem Moment des Sprechens/Schreibens aktualisiert und konsolidiert werden.
Diese Spielregel besagt, dass Sprechen (Schreiben) nur dann erfolgreich sein kann, wenn der Sprechende (Schreibende) verstanden wird. Dieses Verstandenwerden ist aber kein Zufall und auch kein Geschenk sondern das Ergebnis einer Leistung des Sprechers (Schreibers). Eine Anpassungs-Leistung an die Erwartungen, an die durch Konventionen begründeten Beschränkungen des Sagbaren unter der Ägide des Verstehens. Feilke, spricht in diesem Zusammenhang von einer ‚Verstehenskonstanz’ (Feilke, 1993: Anm. 16) und rekonstruiert auf überzeugende Weise die Funktionalität des Verstehens in ihrer Einbettung in das, was den Teilnehmern einer Sprachgemeinschaft vertraut ist, das womit sie ‚rechnen’, weil es ihren Erwartungen entspricht und ihren Handlungsabsichten in erlebten Situationen der sprachlichen Bewältigung der Welt. Er spricht von der ‚idiomatischen Geprägtheit’ von Sprache, dem „kommunikations-theoretisch notwendigen Genus proximum für den Begriff der Sprache“ (Feilke, 1996: 313). Nicht um fertige idiomatische Ausdrücke handelt es sich dabei, sondern um eine Art Prägungsleistung in fieri im Moment des Sprachgebrauchs, bei dem unterschiedlich vorgeformte Elemente zu einer neuen Synthese zusammengeführt werden.
Im Rahmen des Vortrages wird das Problem der „Übersetzbarkeit“ der idiomatisch geprägten Sprache diskutiert und anhand von konkreten Beispielen erläutert.
Literatur:
Aguado Karin (2002b): Formelhafte Sequenzen und ihre Funktionen für den L2-Erwerb. In: Zeitschrift für Angewandte Linguistik (ZfAL) Heft 37: 27-49.
Bertschi, Stefan/Bubenhofer, Noah: Linguistic Learning: A New Conceptual Focus in Knowledge Visualization. https://www.loginb.com/pdf/kv_linguistic_learning_iv05.pdf (Zugriff 20.04.2018)
Bronfen, Elisabeth (2009): Stanley Cavell zur Einführung. Hamburg: Junius.
Feilke, Helmuth (1993): Sprachlicher Common Sense und Kommunikation. Über den "gesunden Menschenverstand", die Prägung der Kompetenz und die idiomatische Ordnung des Verstehens. In: Der Deutschunterricht 6, S. 6-21.
Feilke, Helmuth (1994): Common sense-Kompetenz. Überlegungen zu einer Theorie "sympathischen" und "natürlichen" Meinens und Verstehens. Frankfurt am Main: Suhrkamp.
Feilke, Helmuth (1996): Sprache als soziale Gestalt. Ausdruck, Prägung und die Ordnung der sprachlichen Typik. Frankfurt am Main: Suhrkamp.