Äthiopisch-italienische Beziehungen in der populären Musik vom Faschismus bis zur heutigen Migration

Populäre Musik hat sich seit ihren Anfängen stark an Nationalitäten orientiert. Vermarktung und Vertragsmanagement von Künstlern und Bands, sowie deren musikalischen Produkten wurden in der populären Musik ebenfalls auf nationaler Ebene organisiert. Das Aufkommen einer transnationalen Musikszene (oft mit dem Etikett "Weltmusik" gekennzeichnet) sowie die jüngsten Bestrebungen populärwissenschaftlicher Forscher, die sich unter anderem mit postkolonialen Theorien auseinandersetzen, stellten eine solche Klassifizierung in Frage. Das Projekt "Äthiopisch-italienische Beziehungen in der populären Musik" wird als eine Fallstudie gesehen, welche die relevante Rolle transkultureller und transnationaler Verbindungen in der Popmusik aufzeigen soll. Ziel ist es, deutliche zu machen, wie solch ein wechselseitiges Verhältnis die Bildung einer nationalen Identität einerseits unterstützt allerdings diese gleichzeitig auch anfechtet. 

Unter mehreren Aspekten scheint das Beispiel der Beziehung zwischen Italien und Äthiopien geeignet. Beide Länder besitzen eine ausgeprägte populäre Musikszene, die mit der nationalen Identität stark in Verbindung steht. Der italienische Stil und Ansatz wird seit dem Aufkommen der populären Musik als wieder erkennbar angesehen, als ein Beispiel ist das Lied "O Sole mio" (1898) zu verstehen; Äthiopische Töne und Melodien wurden zu einem der ersten Beispiele populärer Musik aus Afrika, welche internationalen Ruhm erlangten, dank Musikern und Sängern wie Mulatu Astatke und Mahmoud Ahmed. Des Weiteren kann an Hand der äthiopisch-italienischen Beziehung aufgezeigt werden, wie eine koloniale Vergangenheit oder der Versuch der Kolonialisierung bis heute Perspektiven, Darstellungsweisen und Ausdrucksformen beeinflussen, die Quellen kultureller Produktion sind.

Um die jahrhundertlange Spanne zu überbrücken, wird das Projekt in vier Segmente gegliedert, die wiederum vier verschiedenen musikalischen Genres sowie vier verschiedenen historischen Perioden entsprechen:

Serenata a Selassiè

untersucht die Darstellung äthiopischer Kulturen und Menschen in der italienischen Popmusik, vor und während der Invasion Äthiopiens (1935-1941);

Wax and Gold

wird die ersten drei Jahrzehnte nach dem Zweiten Weltkrieg betrachten und dabei besonders auf die Entstehung der beiden Jazzszenen und ihrer Schnittpunkte achten;

Back to Zion

wird sich auf die Darstellung Äthiopiens innerhalb der Reggae-Musik in Italien konzentrieren, mit besonderem Augenmerk auf das symbolische und literarische Erbe der äthiopischen Kultur in Reggae-Musik-Produktionen;

Afro-HipHop-Politanism

der letzte und abschließende Teil befasst sich mit dem heutigen Szenario, in dem Fragen über die sogenannte „schwarze Stimme“, der Migration und des kulturellen Ausdrucks in den künstlerischen Praktiken von Musikern mit Migrationshintergrund, Musikern aus der zweiten Generation oder Musikern mit diasporischem Hintergrund aufgeworfen werden.

Das Projekt möchte zudem der Tatsache Nachdruck verleihen, dass die Musikszene dieser beiden Länder im Bereich der populären Musik sich nicht getrennt voneinander entwickelt hat. Effektiv haben sie sich auf verschiedene Weise gegenseitig beeinflusst. Dies soll durch die Analyse verschiedener Elemente der populären Musik (audio- und audiovisuelle Materialien, Songtexte, literarische Werke etc.) sowie durch Interviews und Kooperationen mit Akteuren beider Musikszenen (Musiker, Komponisten, Journalisten, Produzenten, Organisatoren öffentlicher Veranstaltungen etc.) gezeigt und dokumentiert (Schriftstücke, Interviews, Metadata etc.) werden.

Das Hauptziel des Projekts ist die Schaffung einer Archivsammlung dieser musikalisch- kulturell-transnationalen Beziehungen, die eine einzigartige Art von Klang- und Ton- Aufnahmen (Sound-Archive) darstellt und auch für zukünftige Forschungen zur Verfügung stehen soll. Darüber hinaus werden die Forschung und die Sammlung zu einer abschließenden Ausstellung und einer Website führen, die sich auf die Art und Weise konzentriert, wie populäre Musik die Bildung nationaler Identitäten fokussiert und sie gleichzeitig in Frage stellt.

Für weitere Informationen: https://www.afrovocality.com/

 


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