Kaufhaus Tyrol neu:
ProfessorInnen der Fakultät für Architektur nehmen Stellung

Der Dekan der Fakultät für Architektur Tilmann Märk und die ProfessorInnen Volker Giencke, Arnold Klotz, Bart Lootsma, Gabriele Seifert, Eda Schaur, Marlies Schneider, Patrik Schuhmacher, Kjetil Thorsen stellen den angepassten Entwurf für das neue Kaufhaus Tyrol in Frage.

Eine Stadt ist das Ergebnis eines in Etappen, über Jahrhunderte laufenden Entwicklungsprozesses. Das bestimmende Kriterium der Stadt ist, sich in ihrer Struktur und Gestalt den jeweiligen Anforderungen der Bevölkerung und der Wirtschaft anzupassen. Städte werden saniert, um-, neugebaut und erweitert. Damit ist die Stadt das zu Stein gewordene Abbild der jeweiligen politischen, gesellschaftlichen und wirtschaftlichen Rahmenbedingungen.

Auch in der Stadt Innsbruck sind diese Entwicklungsetappen deutlich ablesbar. So wird die heutige Altstadt, im Jahre 1180 gegründet, um das 15. Jahrhundert das erste Mal durch die stadträumliche Entwicklung der Maria-Theresien-Straße erweitert, deren Baulichkeiten einer laufenden Veränderung unterworfen waren, wie es z.B. beim „neuen“ Rathaus 1897 und dem Durchbruch der Anichstraße in die Maria-Theresien-Straße nachweisbar ist.

Gerade im letzten Jahrzehnt hat die Stadtpolitik in Innsbruck, nicht zuletzt aus Gründen der Beengtheit des Siedlungsraumes der Innenentwicklung den Vorzug eingeräumt, was zu einer „Renaissance“ der Innenstadt beigetragen hat. Die auch international anerkannten Neubauten des Rathauses führten zu einer Wiederentdeckung dieses Raumes durch die Innsbrucker Bürger. Mit dem Bau der Sozialwissenschaftlichen Fakultät wurde eine neue Identität in einem historisch geprägten Ensemble gestiftet. Wer erinnert sich heute noch, dass der Abbruch der Fenner-Kaserne, eines der sperrigsten Gebäude der Stadt, zu einer emotional aufgeladen Diskussion in Innsbruck geführt hatte. Und heute?

Zweifellos sind bauliche Interventionen in historischen Ensembles immer der Anlass für heftige Auseinandersetzungen, dies nicht nur in Innsbruck. So hat der Entwurf zum Neubau des Haas-Hauses von H. Hollein, schräg gegenüber des Stephansdoms, die Bevölkerung und die Experten in Wien gespalten. Eine ähnliche Diskussion begleitete den Entwurf der gläsernen Pyramide von Architekten I.M.Pei, im historischen Ensemble des Louvre in Paris der die gesamte französische Nation in Aufruhr versetzte. Und heute?

Das Kaufhaus Tyrol wird der Innenstadt von Innsbruck und der zukünftig neu gestalteten Fußgängerzone Maria-Theresien-Straße eine zusätzliche Aufwertung bringen. Darüber besteht ein Grundkonsens. Die Auseinandersetzung zwischen Erhaltung der baulichen Struktur bzw. einem Teilabbruch und Neubau war zu erwarten und ist berechtigt.

Der nunmehr vorliegende, vermeintlich angepasste Entwurf, über dessen Entstehung hier nicht weiter spekuliert werden soll, ist der Maria-Theresien-Straße nicht angemessen und provinziell. So versucht dieser Entwurf an Stelle von zwei Häusern zukünftig drei Häuser vorzutäuschen, unter anderem durch einen ortsfremden und maßstabslosen Turm. Der Versuch, Mauer- und Fensteröffnungen in ein Verhältnis zu den Fassaden der Maria-Theresien-Straße zu setzen, ist von Banalität geprägt, wie auch der Ansatz, Erkerelemente zeitgemäß zu interpretieren. Die Dachlandschaft ist nicht Teil eines Gestaltungsansatzes, sondern Ausdruck wirtschaftlichen Volumens.

Auch wenn eine gewisse öffentliche Akzeptanz bei Bauvorhaben dieser Bedeutung erstrebenswert ist, muss doch angemerkt werden, dass sich die architektonische Gestaltung eines Projektes nicht nur an der Zustimmung der öffentlichen Meinung orientieren kann, und somit abstimmungsfähig wäre. Denn was hat die Öffentlichkeit in den letzten 100 Jahren landauf und landab heftigst kritisiert, was heute allgemein anerkannt, zur kulturellen Identität einer Stadt beiträgt?

Die Stadt Innsbruck hat in den letzten ca. zehn Jahren international durch den Anspruch hoher architektonischer Qualität sowie realisierter Projekte aufhorchen lassen. Es kann doch nicht wirklich sein, dass mit diesem banalen Entwurf der in jeder Stadt stehen könnte, die hohe Reputation der Stadt verloren geht. Zumindest bis heute scheint die Stadt Innsbruck, ihrer Größe entsprechend, überproportional oft in allen nationalen und internationalen Fachzeitschriften auf.

Nachdem maßgebliche Gremien den Entwurf des Siegerprojektes aus dem Wettbewerb sich einstimmig ausgesprochen hatten, in einem Verfahren, das von einem Gestaltungsbeirat und einer internationalen Jury begleitet wurde, sind alle Anstrengungen, seitens der Politik, des Investors, der Beiräte und des (der) planenden ArchitektInnen zu unternehmen, um Schaden von der Stadt Innsbruck abzuwenden.

Drei Monate für eine Neubearbeitung eines Bauwerkes, das über Jahrhunderte das Bild der Maria-Theresien-Straßeprägen wird, müssten angemessen sein. Ein großer österreichischer Politiker hat einmal geäußert, „was hindert es mich über Nacht gescheiter zu werden?“. Es ist spät, aber nicht zu spät, alle Kräfte zu fokussieren, um in angemessener Zeit einen akzeptablen Entwurf für das Kaufhaus Tyrol zu erarbeiten.

Wie sollte sich sonst die Stadt Innsbruck beim Kongress des Kulturausschusses des Europarates mit dem Thema „Erbe und Moderne“ zukunftsorientiert präsentieren?

 

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