Innsbrucker Forscher machen wichtige Entdeckung:
Auch energiearme Elektronen können biologische Materialien zerstören

Dies konnte die Forschergruppe um Univ.-Prof. Dr. Tilmann Märk vom Institut für Ionenphysik der Universität Innsbruck nun erstmals nachweisen. In einem heute erscheinenden Beitrag in der renommierten amerikanischen Fachzeitschrift Physical Review Letters berichten die Innsbrucker Wissenschaftler, dass auch Elektronen mit sehr geringer kinetischer Energie bereits zur Zerstörung von Zellmaterial führen können. Diese Entdeckung liefert wichtige Erkenntnisse für die Beurteilung von Strahlenschäden.

 

Seit Jahren versuchen Forscher, die genaue Wirkung energiereicher Strahlung (wie z.B. ?-, ?-, und ?-Strahlen oder Schwerionenstrahlen) auf biologisches Gewebe zu untersuchen. Es zeigte sich, dass nicht nur die direkte Wechselwirkung (Stoss) der primären Strahlen mit Bausteinen des biologischen Materials zu Schädigung führen kann, sondern dass in zwei Drittel der Fälle sekundäre Prozesse für die Zerstörung von Zellmaterialien verantwortlich sind. Die zahlenmäßig häufigste Sekundärkomponente sind Elektronen mit Energien von rund 20 eV (Elektronenvolt). Durch die primäre Wechselwirkung entstehen dabei rund 10.000 Elektronen pro 1 Mio. eV primärer Energie. Die meisten dieser Sekundärelektronen verlieren durch weitere Stöße sehr rasch an Energie, bis sie dann (und das war die bisherige Meinung) als unschädliche thermische (energielose) Elektronen zwischen den Wassermolekülen der Zelle gelöst werden. Vor kurzem haben Sanche et al. in einem Beitrag in der Zeitschrift Science gezeigt, dass diese Elektronen zwischen 3 und 20 eV noch erhebliche genotoxische Schäden hervorrufen können, u.a. auch Doppelstrangbrüche von DNA.

 

Die Innsbrucker Forscherguppe um Univ.-Prof. Tilmann Märk am Institut für Ionenphysik ist nun der Frage nachgegangen, ob auch Elektronen mit Energien unter 3 eV eventuell Schäden in Zellmaterial anrichten können. Dazu wurden unter Verwendung eines neuentwickelten hochauflösenden Elektronenspektrometers isolierte Uracyl-Moleküle (Uracyl ist eines der Basismoleküle in der RNA) mit langsamen Elektronen genau definierter Energie beschossen und die entstehenden Reaktionsprodukte in einem Massenspektrometer analysiert. Wie Märk und seine Mitarbeiter in dem eben erschienenen Phys.Rev.Letters-Artikel berichten, stellte sich dabei zur großen Überraschung heraus, dass auch Elektronen mit nahezu keiner kinetischen Energie (also im Energiebereich zwischen 0 und 3 eV) bereits zur Zerstörung dieser Uracylmoleküle führen können. Die Elektronen lagern sich dabei an das Uracylmolekül an, bilden ein instabiles negativ geladenes Ion, das in der Folge in zwei Bruchstücke zerfällt. Eines der Bruchstücke ist ein sehr mobiles Wasserstoffradikalatom. Da Radikale ebenfalls zellschädigend wirken, kommt es somit durch die hier entdeckte Reaktionskette zu einer sehr effektiven Schädigung des bestrahlten Materials. Weiterführende Versuche der Innsbrucker Forschergruppe, z.B. an Thymin (einem Baustein der DNA) haben gezeigt, dass es sich bei diesem Zerstörungsmechanismus um ein weiter verbreitetes Phänomen handeln muss und daher bei der Betrachtung von Strahlenschäden auf molekularer Ebene, wie sie einerseits bei Radiotherapie und Radiodiagnostik und andererseits durch radioaktive Strahlung auftreten können, berücksichtigt werden müssen.

 

Ein Bild von Prof. Märk sowie eine Grafik von dem Experiment stehen Ihnen unter folgender Webadresse zur freien Verfügung: https://www.uibk.ac.at/public-relations/download

 

Nähere Informationen:
Univ.-Prof. Dr. Tilman D. Märk
Institut für Ionenphysik
Technikerstr.25
6020 Innsbruck
Tel. 43 512 507 6240/6241
Fax. 43 512 507 2932
E-mail: Tilmann.Maerk@uibk.ac.at
Web: https://www.uibk.ac.at/c/c7/c722/