Unterdrückte Immunabwehr schützt vor Arteriosklerose


Ein internationales Team unter Führung von Innsbrucker Forschern aus den Univ. Kliniken für Neurologie und Innere Medizin hat einen genetisch veränderten Rezeptor des Immunsystems untersucht, der die Abwehrreaktion des Körpers dämpft und gleichzeitig Schutz gegen Verkalkung und Verstopfung der Arterien bietet. Die Wissenschaftler erwarten von diesen Erkenntnissen Impulse für die Entwicklung von neuen Behandlungsmethoden.

Die genetische Variante (Polymorphismus) betrifft einen von zehn Rezeptoren, die als "Toll-like receptors" (TLRs) bekannt sind. Diese menschlichen Rezeptoren ähneln den TLRs, die zuerst bei Insekten entdeckt wurden. Auf der Oberfläche von Immunzellen, Herzmuskelzellen und den Zellen von Blutgefässen ist der TLR vom Typ 4 (TLR4) entscheidend für die Immunantwort auf bakterielle Infektionen. Er erkennt ein spezifisches Lipid auf der Oberfläche des Bakteriums und warnt das Immunsystem vor dem Eindringling.

"Die genetische Variante des TLR4 scheint die Signalfähigkeit des Rezeptors und damit die entzündliche Antwort des Immunsystems zu vermindern. Unsere Resultate zeigen, dass die reduzierte entzündliche Reaktion langfristig die Gefahr einer Arteriosklerose verringert," sagt Prof. Dr. Stefan Kiechl von der Univ. Klinik für Neurologie in Innsbruck, korrespondierender Autor der Studie, die unlängst im New England Journal of Medicine veröffentlicht wurde.

"Die Ergebnisse zeigen einen völlig neuen Mechanismus in der Entstehung der Verkalkung an Herz- und Hirngefäßen," so Prof. Dr. Christian Wiedermann von der Medizinischen Klinik, ein weiterer Autor der Studie. "Neben der Möglichkeit, das Gefäßrisiko durch körperliche Aktivität, Reduktion des Rauchens und Senkung des Cholesterinsspiegels zu verringern, könnte zukünftig die Gefahr von Herzinfarkt und Schlaganfall durch die Eindämmung von Entzündungsreaktionen reduziert werden. Reaktionen, die über diesen Rezeptor vermittelt werden, könnten dabei nutzbar gemacht werden." Theoretisch könnte ein Medikament zur Unterdrückung der Aktivität dieses Rezeptors verabreicht werden.

Die Toll Rezeptoren, die vor wenigen Jahren entdeckt wurden, scheinen eine tragende Rolle in der angeborenen Immunität zu spielen. Wenn sie durch einen Krankheitserreger aktiviert werden, reagieren die Zellen mit der Freisetzung von Stoffen gegen die Erreger und mit einer erhöhten Abwehrbereitschaft. Während diese Antwort bei Infektionen wirkungsvoll und biologisch sinnvoll ist und so Erkrankungen verhindern kann, zeigen die Studienergebnisse, dass andererseits über diesen Reaktionsweg chronische Entzündungsvorgänge in den Wänden der Blutgefässe aufrechterhalten werden.

Die Innsbrucker Forscher wollten wissen, ob es eine Beziehung zwischen der angeborenen Immunantwort und der Arteriosklerose gibt. Zur Überprüfung dieser Frage wurden die Daten aus der Bruneck-Studie herangezogen und zum TLR4 Polymorphismus in Beziehung gesetzt. Bei der Bruneck-Studie handelt es sich um eine seit 10 Jahren durchgeführte Langzeitbeobachtung von 1000 gesunden Einwohnern der Stadt Bruneck in Südtirol, die auf die Erforschung der Ursachen von Herzinfarkt und Schlaganfall abzielt. Mit hochauflösendem Ultraschall werden hierbei Gefäßverkalkungsvorgänge an der Halsschlagader und anderen Arterien erfasst und beobachtet.

„Der Polymorphismus wurde bei 6% der untersuchten Männer und Frauen gefunden. Verglichen mit den anderen Personen hatten diese eine niedrigere entzündliche Aktivität in ihrem Blut nachweisbar," erklärt Prof. Dr. Johann Willeit von der Univ. Klinik für Neurologie, Initiator und Projektleiter der Bruneck-Studie. „Im Ultraschalltest zeigte sich, dass die durch den Polymophismus erniedrigte entzündliche Aktivität vor Herz- und Hirngefäßerkrankungen durch Arteriosklerose schützen kann“. TLR4 wird aktiviert, wenn der Rezeptor in Kontakt mit Oberflächenbestandteilen von Bakterien kommt. Solche Bestandteile sind in unterschiedlichen Mengen auch im Blut von gesunden Menschen nachweisbar. Der TLR4 Polymorphismus bietet einen angeborenen Schutz gegen die schädliche Wirkung solcher bakterieller Toxine.

Die Studie wurde von Wissenschaftern der Medizinischen Fakultät Innsbruck gemeinsam mit Forschern des Duke University Medical Centers, der Wake Forest University Medical School, des Krankenhauses Bruneck sowie der Universität Verona durchgeführt. Von den Ergebnissen wurden am 18. Juli 2002 im angesehenen „New England Journal of Medicine“ berichtet.

 

Weitere Informationen:

 

Prof. Dr. Christian Wiedermann
Univ. Klinik für Innere Medizin
Anichstraße 35
6020 Innsbruck
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FAX +43 512 504 674180
E-Mail: Christian.Wiedermann@uibk.ac.at

 

Prof. Dr. Stefan Kiechl
Univ. Klinik für Neurologie
Anichstraße 35
6020 Innsbruck
Phone +43 512 504 3850
E-Mail: Stefan.Kiechl@uibk.ac.at

 

Prof. Dr. Johann Willeit
Univ. Klinik für Neurologie
Anichstraße 35
6020 Innsbruck
Phone +43 512 504 4266
E-Mail: Johann.Willeit@uibk.ac.at