Sowi-Fakultät stellt sich mehrheitlich hinter Prof. Pelinka

In seiner Sitzung vom 28.6.2000 hat sich das Fakultätskollegium der Sozial- und Wirtschaftswissenschaftlichen Fakultät der Universität Innsbruck mehrheitlich hinter den Politikwissenschaftler Prof. Dr. Anton Pelinka gestellt.

Prof. Pelinka war im Mai 2000 wegen übler Nachrede verurteilt worden, nachdem er in einem Interview für einen italienischen Fernsehsender als Experte die politischen Positionen Jörg Haiders klassifiziert hatte und von diesem geklagt wurde. Ebenso wie viele andere Wissenschaftler sieht die Mehrheit der Mitglieder des Sowi-Fakultätskollegiums hier eine Gefahr für die Freiheit der Wissenschaft.

Ausdrücklich gegen diese Resolution hat der frühere Rektor Prof. Dr. Christian Smekal gestimmt, wobei es ihm in erster Linie darum ging, dass die Existenz und Respektierung unabhängiger Gerichte für eine auf Gewaltenteilung beruhende Demokratie unabdingbar" sei und nicht durch einen Mehrheitsbeschluss außer Kraft gesetzt werden kann".

Um dies verständlicher zu machen, haben wir sowohl den Text der Resolution als auch das "Votum seperatum" beigeschlossen.


Beschluss des Fakultätskollegiums vom 28.6.2000
Resolution der SoWi-Fakultät an der Universität Innsbruck

Am 11.05.00 wurde unser Kollege Univ. Prof. Dr. Anton Pelinka von einem Wiener Strafgericht wegen übler Nachrede verurteilt. In einem RAI-Interview am 1. Mai 1999 hatte Anton Pelinka gesagt:

"Haider hat in seiner Karriere immer wieder Aussagen gemacht, die als Verharmlosung des Nationalsozialismus zu werten sind. Er hat einmal die Vernichtungslager ‚Straflager' genannt. Insgesamt ist Haider verantwortlich für eine neue Salonfähigkeit bestimmter nationalsozialistischer Positionen und bestimmter nationalsozialistischer Äußerungen."

Geklagt hatte Dr. Jörg Haider, Mitglied des Koalitionsausschusses, Kärntner Landeshauptmann und ehemaliger Bundesparteiobmann der FPÖ. Die Klage war eingebracht worden von Dr. Dieter Böhmdorfer, dem derzeitigen Justizminister.

Aus der Sicht der Wissenschaft wie der demokratischen Öffentlichkeit und vor dem Hintergrund der Tatsache, daß Österreichs Umgang mit seiner nationalsozialistischen Vergangenheit international aufmerksam beobachtet wird, ist das Urteil äußerst besorgniserregend:


Die SoWi-Fakultät der Universität Innsbruck kann diese Verurteilung daher nur unter Protest zur Kenntnis nehmen und gibt ihrer Hoffnung Ausdruck, dass es im Instanzenzug eine entsprechende Korrektur erfährt. Darüber hinaus fordert sie alle politisch Verantwortlichen auf, den verfassungsmäßigen Grundsatz der Freiheit der Wissenschaft und der Lehre zu schützen und zur Geltung zu bringen.


LEOPOLD-FRANZENS-UNIVERSITÄT INNSBRUCK
"Votum separatum"

zum Beschluß des Fakultätskollegiums der Sozial- und Wirtschaftswissenschaftlichen Fakultät der Universität Innsbruck vom 28. Juni 2000 zum Tagesordnungspunkt 6. "Stellungnahme des Fakultätskollegiums zu einer gerichtlichen Verurteilung von Universitätsprofessor Dr. Pelinka (Preglau/Laske/Seeber/Pederiva)".

Zu nachstehendem Beschluß des Fakultätskollegiums, der mit 13 von 22 Stimmen mehrheitlich angenommen wurde, bringe ich nach § 15 der Geschäftsordnung für Kollegialorgane an der Universität Innsbruck die Begründung meiner ablehnenden Stellungnahme in schriftlicher Form ein:

  1. Zunächst stelle ich fest, daß sich mein Sondervotum nicht gegen den Wissenschaftler und Kollegen Prof. Anton Pelinka richtet, sondern auf sachlichen Argumenten beruht.

  2. Mit der mehrheitlich beschlossenen Resolution protestiert das Fakultätskollegium gegen das Urteil eines unabhängigen österreichischen Gerichts, dem vorgeworfen wird, ein Fehlurteil getroffen zu haben. Einem derartigen schwerwiegenden Vorwurf gegenüber einem unabhängigen Gericht hätte eine gründliche Auseinandersetzung mit den dem Gerichtsurteil zugrundeliegenden Argumenten vorausgehen müssen. Eine schriftliche Fassung des Gerichtsurteils lag dem Fakultätskollegium nicht vor. Die Beschlußfassung des Fakultätskollegiums erfolgte einerseits aufgrund von Veröffentlichungen in Printmedien (Standard vom 16. Juni 2000, Seite 11, Einschaltung im Standard vom 15. Juni 2000, Seite 19) und andererseits von nicht überprüfbaren Interpretationen der Antragsteller.
    Da ich die Existenz und Respektierung unabhängiger Gerichte für eine auf Gewaltenteilung beruhende Demokratie als unabdingbar ansehe und von einem mehrheitlich aus Wissenschaftlern bestehenden Gremium eine fundierte Entscheidungsfindung erwarte, konnte ich mich der Resolution der Antragsteller nicht anschließen.

  3. Der österreichische Gesetzgeber hat die Tatbestände der nationalsozialistischen Betätigung sowie der Verharmlosung und/oder Verherrlichung des Nationalsozialismus zu einem strafrechtlichen Vergehen erklärt. Wird daher ein diesbezüglicher Vorwurf gegen eine Person erhoben, muß diese die Möglichkeit und das Recht haben, vor einem ordentlichen Gericht den Beweis dafür zu verlangen. Im gegenständlichen Fall konnte dieser Beweis - zumindest erstinstanzlich - offensichtlich nicht erbracht werden.
    Der Vorwurf, daß das Gericht den verfassungsrechtlich garantierten Grundsatz der Freiheit von Wissenschaft und Forschung mißachtet habe, hätte der Abwägung der Rechtsgüter Persönlichkeitsschutz einerseits und Schutz der Freiheit der Wissenschaft andererseits bedurft. Da dem Fakultätskollegium das Urteil des Gerichtes nicht vorlag, konnten seine Mitglieder die Argumente dieser Rechtsabwägung nicht nachvollziehen. Eine Rechtsabwägung durch Mehrheitsbeschluß eines in der Sache weder kundigen noch zuständigen Fakultätskollegiums kann auf keinen Fall gerechtfertigt werden.

  4. Die gegenständliche Resolution des Fakultätskollegiums erfüllt mich darüberhinaus mit der Besorgnis, daß damit eine zunehmende Politisierung eines universitären, mit konkreten Sachaufgaben beauftragten Gremiums verbunden ist. Entscheidungen und Auseinandersetzungen könnten damit in Hinkunft von politischen Gesichtspunkten überlagert werden. Daher sehe ich es als äußerst bedenklich an, ein universitäres Kollegialorgan durch Mehrheitsbeschluß für politische Stellungnahmen und Resolutionen zu vereinnahmen. Die mögliche Gefährdung der Freiheit der Wissenschaft, die von dieser Art der Vereinnahmung ausgeht, muß ich als vergleichsweise hoch einschätzen.

Aus den oben genannten Gründen bedauere ich den mit Stimmenmehrheit gefaßten Beschluß des Fakultätskollegiums vom 28. 6. 2000 und tue meinen ausdrücklichen Widerspruch kund.

o. Univ.-Prof. Dr. Christian Smekal
Innsbruck, 3. 7. 2000