Bearbeitung: Konrad Breitsching

Charismen

(DiözBl. der Diözese Innsbruck, 82. Jg., Mai/Juni 2007, Nr. 4, 38.)

Regelung für einen geordneten Gebrauch im Hinblick auf Heilungsgottesdienste, Befreiungsgottesdienste und andere außergewöhnliche spirituelle Angebote

Das Zweite Vatikanische Konzil sagt im Dekret ,,Lumen gentium“, dass besondere ,,Gnadengaben, ob sie nun von besonderer Leuchtkraft oder aber schlichter und allgemeiner verbreitet sind, mit Dank und Trost angenommen werden (müssen), da sie den Nöten der Kirche besonders angepasst und nützlich sind. … Das Urteil über ihre Echtheit und ihren geordneten Gebrauch steht bei jenen, die in der Kirche die Leitung haben und denen es in besonderer Weise zukommt, den Geist nicht auszulöschen, sondern alles zu prüfen und das Gute zu bewähren“ (Nr. 12)[1].

Angesichts mancher Fragen und Beunruhigungen unter den Gläubigen wollen die folgenden Richtlinien eine Hilfe sein, um zu einem fundierten Urteil über die Echtheit und zu einem geordneten Gebrauch einiger Charismen zu kommen, dabei den Geist nicht auszulöschen, sondern das Gute zu bewähren.

1. Die folgenden Regelungen[2] gelten für Personen, die Heilungsgottesdienste u.ä., Befreiungsgottesdienste u.ä, Exerzitien und Einkehrtage charismatischer Art sowie andere außergewöhnliche spirituelle Angebote anbieten.

2. Wenden sich Gläubige mit schwerwiegenden Fragen und Bedenken in Zusammenhang mit Veranstaltungen, wie sie in Punkt 1 genannt sind, (direkt oder indirekt) an den Diözesanbischof[3], wird die im Folgenden beschriebene Vorgangsweise in Gang gesetzt.

Vorgangsweise

I.

3. Von Seiten der Diözese ernennt der Diözesanbischof drei Beauftragte. Diese können auch aus anderen Diözesen stammen.

4. Danach ist die von diesem Vorgang betroffene Person zu informieren. Gleichzeitig sind ihr die Namen der drei Beauftragten mitzuteilen. Diese holen Informationen ein[4] und laden die betroffene Person zu einem oder mehreren Gesprächen ein. Bis zum Abschluss des Vorgangs ist jegliche Veranstaltung unter Beteiligung der betroffenen Person in der Diözese zu unterlassen.

5. Die vom Diözesanbischof Beauftragten führen mindestens ein Gespräch unter Berücksichtigung der im Anhang aufgelisteten Fragen. Dazu kann eine Vertrauensperson der betroffenen Person sowie ein Dolmetsch hinzugezogen werden.[5]

Sollten Terminvereinbarungen mit der betroffenen Person in einem angemessenen Zeitraum (höchstens drei Monate) nicht zustande kommen, wird der Vorgang auf der Basis der vorliegenden Unterlagen fortgesetzt.

6. Die vom Diözesanbischof Beauftragten führen nach dem/den Gespräch/en eine gemeinsame Beratung durch und erstellen einen Bericht. In diesem sind ggf. auch von der Mehrheit abweichende Meinungen festzuhalten.

In ihrem Bericht geben sie Antwort zumindest auf folgende Fragen: Welche positiven Früchte[6] und Zeugnisse liegen vor? Wie wird von der betroffenen Person die eigene Gabe / das eigene Charisma verstanden? Wie verhält sich die betroffene Person zur kirchlichen Hierarchie?

Ist/sind die Veranstaltungen den Zuhörern und den Erfordernissen der Zeit in der konkreten Situation der Diözese angemessen[7]? In welcher Weise kommt es zu einer „Erregung von Ärgernis“?

Abschließend sprechen sie eine der folgenden Empfehlungen aus:

a) zugelassen

b) unter Auflagen zugelassen (diese sind zu benennen)

c) nicht in kirchlichen Räumen zugelassen (dies schließt ein Werbe- und Ankündigungsverbot in kirchlichen Medien und Einrichtungen ein)

d) Tätigkeit in der Diözese untersagt (dies schließt ein Werbe- und Ankündigungsverbot in kirchlichen Medien und Einrichtungen ein)

7. Dieser Bericht samt Empfehlung wird dem Diözesanbischof übermittelt, der daraufhin seine Entscheidung mittels Dekret[8] fällt. Diese tritt mit dem anzugebenden Datum in Kraft.

8. Folgen

– bei ,,Zulassung unter Auflagen“ ist deren Einhaltung von verantwortlichen Personen der Diözese zu beobachten.

Bei Nicht-Einhaltung dieser Auflagen ist der Diözesanbischof zu informieren, der daraufhin gleichsam ,,von Amts wegen“ die zuvor ergangene Entscheidung revidiert entweder in ,,Nicht-Zulassung in kirchlichen Räumen“ oder ,,Untersagung der Tätigkeit in der Diözese“.

– bei ,,Nicht-Zulassung in kirchlichen Räumen“: Sollte bekannt werden, dass dennoch Veranstaltungen in kirchlichen Räumen stattfmden, so kann der Diözesanbischof die zuvor ergangene Entscheidung aufheben und in ,,Untersagung der Tätigkeit in der Diözese“ umwandeln. Gleichzeitig werden jene gemäß Diözesanrecht zur Verantwortung gezogen, die z.B. Räume zur Verfügung gestellt oder eine Veranstaltung beworben haben.

9. Die betroffene Person ist über diese Entscheidung umgehend zu informieren, ebenso alle relevanten Personen und Einrichtungen in der Diözese.

Weiters sind bei einer Entscheidung im Sinn von 6c oder 6d zu informieren:

– bei Klerikern: der Diözesanbischof, in dessen Diözese der betroffene Kleriker inkardiniert ist bzw. der zuständige Ordensobere;

– bei Ordensangehörigen: die zuständigen Ordensoberen;

– bei Laien im kirchlichen Dienst: die dienstrechtlich zuständigen Stellen.

10. Ebenso ist die getroffene Entscheidung den anderen Mitgliedern der Österreichischen Bischofskonferenz mitzuteilen. Auf dieser Grundlage kann jeder Diözesanbischof das Ergebnis dieses Vorgangs flur seine Diözese übernehmen. In einem solchen Fall ist dies der betroffenen Person sowie allen relevanten Personen und Einrichtungen mitzuteilen9[9].

II.

11. Innerhalb eines Monats nach Zustellung hat die betroffene Person die Möglichkeit, Beschwerde einzulegen. Die Entscheidung bleibt in dieser Zeit gültig.

12. Legt die betroffene Person Beschwerde ein, so führt ein/e weiterer/e vom Bischof Beauftragter/e mindestens ein zusätzliches Gespräch (im Sinn von 5ff) mit der betroffenen Person.

13. Der/die vom Bischof Beauftragte verfasst einen weiteren Bericht mit dem Aussprechen einer Empfehlung (vgl. Pkt. 6). Die betroffene Person hat ihrerseits das Recht, dem Diözesanbischof eine Darstellung zu übermitteln, die von ihr selbst oder von einer Vertrauensperson verfasst ist.

14. Daraufhin trifft der Diözesanbischof eine Entscheidung (vgl. Pkt. 7).

Sollte der Diözesanbischof bei seiner früheren Entscheidung (im Sinn von 6c und/oder 6d) bleiben, kann die betroffene Person eine Beschwerde bei den zuständigen Behörden der römischen Kurie einreichen.

III.

15. Wiederaufnahme

Nach einer bischöflichen Entscheidung, die auf ,,Nicht-Zulassung in kirchlichen Räumen“ oder ,,Untersagung der Tätigkeit in der Diözese“ lautete, kann frühestens nach drei Jahren oder nach Eintreten besonderer zu berücksichtigender Umstände die betroffene Person eine Wiederaufnahme des Verfahrens verlangen, das gemäß der beschriebenen Vorgangsweise (ab Punkt 3) durchgeführt wird. Dabei ist glaubwürdig nachzuweisen, dass jene Gründe, die zu einer ,,Nichtzulassung in kirchlichen Räumen“ oder ,,Untersagung der Tätigkeit in der Diözese“ geführt haben, nunmehr wegfallen.

Diese Regelung wurde von der Pastoralkommission Österreichs im Auftrag der Bischofskonferenz im Jänner 2006 erarbeitet.

ANHANG

Leitfaden für die Gespräche und den abschließenden Bericht

1. Welche positiven Früchte (vgl. Christifideles laici, Nr. 30) und Zeugnisse liegen vor?

  1. Stärkung des Glaubens?
  2. Intensiviertes Gebetsleben?
  3. Weckung von Berufungen?
  4. Förderung der Kirchlichkeit?
  5. Rückkehr in die Kirche?
  6. Vermehrte Sakramentenpraxis?
  7. Ärztlich bestätigte Heilungen?

2. Wer trägt und organisiert die Veranstaltungen?

3. Wie und in welcher Weise ist eine Nachbetreuung sichergestellt?

4. Wie wird von der betroffenen Person die eigene Rolle 1 Aufgabe gesehen?

5. Wie wird von der betroffenen Person die eigene Gabe 1 das eigene Charisma verstanden?

6. Gibt es eine übermäßige Bindung an die betroffene Person? (Vgl. 1 Kor 1,10-17; 1 Kor 3,1-9; Joh 3,30)

7. Wie verhält sich die betroffene Person zur kirchlichen Hierarchie?

8. Ist/sind die Veranstaltung/en den Zuhörern und den Erfordernissen der Zeit in der konkreten Situation der Diözese angemessen (vgl. c. 769 if)?

9. In welcher Weise kommt es zu einer ,,Erregung von Ärgernis“?

10. Kommt es zu Spannungen oder Spaltungen in Gemeinden?

11. Ist eine Abweichung von der kirchlichen Lehre (c. 768) festzustellen? Wenn ja, welche?

a. Wie wird über Gott geredet, welches Gottesbild wird vermittelt?

b. Wie wird über Christus gesprochen?

c. Wie wird über den Heiligen Geist gesprochen?

d. Wie über die Kirche?

e. Wie über die Bedeutung der Sakramente (besonders Buße und Krankensalbung)?

f. Welche Lehre über das Böse, Sünde und Schuld, den Teufel wird vorgetragen?

g. Was sind Wege und Weisen von Heilung, was ist Grund von Krankheit, wie ist der empfohlene Umgang mit Leid?

h. Welche (religiösen) Praktiken werden empfohlen? Was wird kritisiert oder als mit dem Glauben unvereinbar verworfen (z.B. Akupunktur, Zen u.a.m.)?

12. Entsprechen die Gottesdienste bzw. die praktizierte Frömmigkeit den gesamtkirchlichen und diözesanen Normen? Dienen sie einer wahren Stärkung des Glaubens (vgl. c.836)?

13. Bei Heilungsgottesdiensten: Sind die Bestimmungen der ,,Instruktion über die Gebete um Heilung durch Gott“ bekannt? Werden sie eingehalten?

14. Finanzen: Wer trägt die Kosten für die Veranstaltungen? Wie werden Spenden aufgebracht? Wofür werden sie verwendet? Wie wird über sie Rechenschaft abgelegt? Wie sieht der finanzielle Lebenswandel der betroffenen Person aus?

15. Wie steht die betroffene Person zu diesem Vorgang? 



[1] Vgl. auch Lumen gentium Nr. 7: ,,Der eine Geist ist es, der seine vielfältigen Gaben gemäß seinem Reichtum und den Erfordernissen der Dienste zum Nutzen der Kirche austeilt (vgl. 1 Kor 12,1-11). Unter diesen Gaben ragt die Gnade der Apostel heraus, deren Autorität der Geist selbst auch die Charismatiker unterstellt (vgl. 1 Kor 14).“; Johannes Paul II.: Christifideles laici Nr. 24: ,Die Charismen müssen von jenen, die sie empfangen, aber auch von der gesamten Kirche in Dankbarkeit angenommen werden. Sie beinhalten einen besonderen Reichtum an Gnade für die apostolische Dynamik und fürr die Heiligkeit des ganzen Leibes Christi, vorausgesetzt, dass es sich um Gaben handelt, die in der Tat vom Geist kommen und in vollkommenem Einklang mit echten Antrieben des Geistes ausgeübt werden. Darum ist eine Unterscheidung der Charismen immer notwendig. Wie die Synodenväter ausgesagt haben, »kann das Wirken des Geistes, der weht, wo er will, nicht immer mit Leichtigkeit erkannt und angenommen werden. Wir wissen, dass Gott in allen Gläubigen wirkt, und wir sind uns der Wohltaten bewusst, die uns von den Charismen kommen, sei es im Hinblick auf die einzelnen wie auf die ganze christliche Gemeinde, aber wir wissen auch um die Macht des Bösen und um sein Bemühen, das Leben der Gläubigen und der Gemeinde zu stören und durcheinanderzubringen«. Darum dispensiert kein Charisma von der Rückbindung an die Hirten der Kirche und von der Unterordnung unter sie“. KKK 799-801.

[2] Regelungen aktualisieren die Vorschriften des CIC auf die vorliegende Thematik.

[3] Vgl. c. 1717;

vgl. c. 386 § 2: Die Unversehrtheit und Einheit der Glaubenslehre hat er mit Mitteln, die Ihm geeignet scheinen, in fester Haltung zu schützen, in Anerkennung jedoch einer gerechten Freiheit für die weitere Erforschung der Wahrheiten.

c. 391 § 1: Es ist Sache des Diözesanbischofs, die Ihm anvertraute Teilkirche nach Maßgabe des Rechts mit gesetzgebender, ausführender und richterlicher Gewalt zu leiten.

c. 392 § 1: Da er die Einheit der Gesamtkirche wahren muss, ist der Bischof gehalten, die gemeinsame Ordnung der ganzen Kirche zu fordern und deshalb auf die Einhaltung aller kirchlichen Gesetze zu drängen.

c. 392 § 2: Er hat darauf zu achten, dass sich kein Missbrauch in die kirchliche Ordnung einschleicht, vor allem in Bezug auf den Dienst am Wort, die Feier der Sakramente und Sakramentalien, die Verehrung Gottes und der Heiligen sowie in Bezug auf die Vermögensverwaltung.

[4] Z. B. Kassetten, Mitschriften, Zeugenaussagen u.a.m.

[5] Alle beteiligten Personen sind an das Amtsgeheimnis gebunden.

[6] Vgl. Christifideles laici, Nr. 30.

[7] Vgl. c. 769 ff.

[8] Vgl. c. 1718 § 3.

[9] Empfohlen wird die Veröffentlichung der Entscheidung in den Amtsblättern und ev. in weiteren relevanten kirchlichen Medien.

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