Daten und Fakten zur Geschichte des Instituts

Ferdinand Karlhofer, Fritz Plasser und Franz Eder

Einleitung1

Die Gründung des Innsbrucker Instituts für Politikwissenschaft vor nunmehr 40 Jahren erfolgte unter den damals für die Etablierung der Disziplin an österreichischen Universitäten generell wenig günstigen Rahmenbedingungen. Dazu zählten allem voran von politischen Interessen geleitete Instrumentalisierungs- und auch Verhinderungsversuche, universitätsinterne Konkurrenz-, Ressourcen- und Positionierungskämpfe, minimale personelle Ausstattung und regulative Beschränkungen der Studienpfade. Daneben gab es nicht selten auch Zweifel an der Objektivität des Fachs sowie eine verbreitete Skepsis hinsichtlich Berufs- und Arbeitsmarktchancen der AbsolventInnen. Spezifisch für Innsbruck war zusätzlich die vergleichsweise spät erfolgende Einrichtung eines eigenen Instituts, dessen Studienangebot überdies zunächst nur als Kombinations- und Wahlfach belegt werden konnte. Erst 1984 wurde das Fach Politikwissenschaft auch in Innsbruck als eigenständige Studienrichtung eingerichtet, während es in Wien und Salzburg bereits seit den siebziger Jahren als Vollstudium etabliert war.

Phasen der Institutionalisierung

Institutsgründung im Schatten der Rechtswissenschaft

In zeitlicher Hinsicht bildete Innsbruck das Schlusslicht unter den drei österreichischen Universitäten mit Instituten für Politikwissenschaft. In Wien war sie zunächst außeruniversitär ab 1963 am IHS verankert; an der juridischen Fakultät der Universität reichen fachverwandte Gebiete wie Staatslehre und Völkerrecht historisch weit zurück, eine eigene Lehrkanzel mit politikwissenschaftlicher Widmung wurde aber erst 1968 eingerichtet. An der Universität Salzburg begann der Prozess Mitte der 1960er-Jahre und mündete 1969/70 in der Gründung eines interfakultären, direkt dem Senat unterstellten Instituts.

Die Gründungsgeschichte der Politikwissenschaft in Innsbruck hat mit jener in Wien die Gemeinsamkeit, dass die Rechtswissenschaften nachgerade eifersüchtig ihre Dominanz über die junge Disziplin zu wahren trachteten. Zwar wurde 1972 eine am Innsbrucker Institut für Politik und Öffentliches Recht frei gewordene Professur in "Politikwissenschaft" umgewidmet; der dem Wissenschaftsministerium unterbreitete Dreiervorschlag setzte sich dann aber aus zwei Juristen ohne Fachbezug und einem weiteren Kandidaten, der seine Venia für Politikwissenschaft just an diesem Institut erworben hatte, zusammen. Die Stelle musste neu ausgeschrieben werden, 1975 wurde sie dann mit einem Politologen (Anton Pelinka) besetzt. Die Professur war vorerst keinem Institut zugeordnet, sondern direkt der Rechts- und Sozialwissenschaftlichen Fakultät angegliedert.2

Die dem neuen Kollegen zugedachte Rolle im Lehrbetrieb lässt sich am besten wohl mit Marginalisierung und Kontrolle umreißen. Zwar hielt er von Beginn an 6 der insgesamt 21 Wochenstunden im Prüfungsfach "Wissenschaft von der Politik" – den erstmals im Sommersemester 1974 (unmittelbar vor Berufung des neuen Professors) abgehaltenen Grundkurs "Einführung in die Politikwissenschaft" reklamierte aber so wie anfangs auch weiterhin ein Verfassungsrechtler für sich.

Eine spürbare Lockerung der juristischen Dominanz erfolgte mit der Gründung einer Lehrkanzel für Wissenschaft von der Politik (ohne Anbindung an ein bestimmtes Institut) und der Zuweisung einer eigenen Assistentenstelle anlässlich der Besetzung der Professur 1975. Im Zuge der 1976 vorgenommenen Trennung von Rechtswissenschaften und Ökonomie, bis dahin unter einem gemeinsamen Dach zusammengefasst gewesen, in eigene Fakultäten für Rechtswissenschaften (REWI) und Sozial- und Wirtschaftswissenschaften (SOWI) wurde die Lehrkanzel der SOWI zugeordnet. Ein Jahr später (1977) wurde dort dann ein eigenes Institut für Politikwissenschaft eingerichtet. Nicht zufällig nahm zum selben Zeitpunkt das Institut für Öffentliches Recht eine Namensänderung vor und nannte sich fortan Institut für Öffentliches Recht und Politikwissenschaft (der Zusatz wurde erst 2006 wieder gestrichen).

Aufbau und Stärkung des Eigenprofils

Mit der Zuweisung einer zweiten Assistentenstelle 1977 und davor schon einer Sekretariatskraft war das Institut nun auch nach außen hin als solches erkennbar. Die Lehre beschränkte sich allerdings, nachdem noch keine eigene Studienrichtung bestand, weiterhin auf Politikwissenschaft als Wahlfach für das betriebswirtschaftliche und das rechtswissenschaftliche Studium. Weitere Planstellen waren auf absehbare Zeit nicht vorgesehen, der Kreis der Lehrenden konnte daher einzig um externe Lektoren erweitert werden, beginnend mit drei bis vier, in der Folge kontinuierlich anwachsend auf zwischen zehn und fünfzehn Personen. Wegen der anhaltend knappen finanziellen Ressourcen musste ein nicht geringer Teil der Lehre extern und nicht-remuneriert, d.h. mit minimaler Entschädigung, abgehalten werden. Nicht unwichtiges Motiv bei einigen langjährigen Externen war dabei die Perspektive, sich zu gegebener Zeit am Institut zu habilitieren. Der erste externe Lehrende erhielt 1984 die Venia, aktuell (Stand 2017) sind dem Institut 16 externe Dozentinnen und Dozenten zugeordnet. Mit dieser Offenheit gegenüber Externen als Absage an eine restriktive Habilitationspraxis gegenüber nicht intramural verankerten Fachkollegen hob und hebt sich Innsbruck von den anderen Standorten in Österreich deutlich — und wie wir meinen: erfreulich positiv — ab.3

Auf Planstellen bezogen änderte der Personalstand des Instituts sich bis Ende der 1980er-Jahre wenig. Hervorzuheben ist das Jahr 1986 mit der Einrichtung einer außerordentlichen Professur für Politische Theorie. Im selben Jahr waren neben den beiden Universitätsassistenten vier über Drittmittel finanzierte Vertragsassistenten beschäftigt. Jeweils auf ein Semester befristet, ergänzten im Laufe des Jahrzehnts wechselnde Gastprofessuren das Lehrangebot.

Mit innovativem Engagement und einem guten Gespür für Gelegenheitsfenster erschloss der Institutsleiter im Laufe der Jahre über die Erfüllung der universitären Aufgaben hinausreichende Aktivitätsfelder, hervorzuheben dabei der Bereich Politische Bildung, der gewissermaßen das "Tor zur Praxis" verkörpert: Bereits seit den frühen 1980er-Jahren ist das Institut in der Lehrer*innenfortbildung (für alle Schultypen) und allgemein in der Erwachsenenbildung4 aktiv. Bei letzterer hat die enge Kooperation mit Parteien, Verbänden und NGOs in der thematischen Ausrichtung der Kurse Tradition. Und im Rahmen der aktuell an der Universität Innsbruck erfolgenden curricularen Verankerung der Lehramtsausbildung für das Schulfach Geschichte, Sozialkunde und Politische Bildung ist das Institut federführend dabei.

Personalausbau und Konsolidierung

Zu den organisatorischen Problemen des paradoxen Doppelstatus der Innsbrucker Politikwissenschaft kamen in den ersten Jahren, soweit es die Anzahl hauptamtlicher Mitarbeiter betraf, strukturelle Schwächen der Personalausstattung. Dass die eklatanten Ressourcenprobleme der Anfangsjahre durch eine starke wissenschaftliche und öffentliche Präsenz der Innsbrucker Politikwissenschaft kompensiert und schrittweise entschärft werden konnten, ist das persönliche Verdienst Anton Pelinkas, des Gründers und Promotors des Innsbrucker Instituts. Nur durch dessen publizistische Präsenz, wissenschaftliche Produktivität und diplomatische Verhandlungsstärke gewann das personell minimal ausgestattete Institut jenes allseits respektierte Eigengewicht, das für weitere Ausbauschritte in Verhandlungen mit dem Wissenschaftsministerium sowie dem Rektorat der Universität ins Treffen geführt werden konnte. Die überragenden Verdienste des Institutsgründers beim Aufbau und Wachstum der Innsbrucker Politikwissenschaft sind ein weiteres Spezifikum der Etablierungsphase des Instituts: die hochgradige Personalisierung und Identifikation mit Wirken und Werk einer Schlüsselperson.

In ihrer Pionierphase operierte die Innsbrucker Politikwissenschaft als akademisches "Generalunternehmen". Einige wenige Personen mussten das gesamte Lehr- und Forschungsspektrum der Disziplin abdecken und Einführungs- und Überblicksvorlesungen in jenen Fachgebieten anbieten, die nicht durch externe Lehrende gehalten werden konnten. Im Rückblick betrachtet ergab sich daraus eine erstaunliche thematische Bandbreite, die gleichzeitig aber zu Lasten der Spezialisierung ging. Dessen ungeachtet fand die für die Anfangsjahre charakteristische generalistische Orientierung ihren Niederschlag in einer bemerkenswerten thematischen Breite der Publikationen und Debattenbeiträge.

Eine spürbare Vergrößerung des Personalstands bildeten die 1989 geschaffene zweite ordentliche Professur für "Politisches System Österreichs mit besonderer Berücksichtigung der Frauenforschung" (mit zwei Assistentinnenstellen und einer zusätzlichen Sekretariatskraft) und, ein Jahr später, die Einrichtung einer außerordentlichen Professur für "Politische Kommunikation", verbunden mit der Zuweisung einer Assistentenstelle und einer weiteren Sekretariatskraft.5 Darüber hinaus war die Zeit ab den 1990er-Jahren eine konzentrierte Phase von Habilitationen der Assistent*innen des Instituts (fünf Mitte der neunziger Jahre, zwei am Beginn des folgenden Jahrzehnts und zuletzt zwei weitere im Jahr 2015). Die Kapazitäten für die Betreuung von Diplomarbeiten (später dann Bachelor- und Master-Arbeiten) und Dissertationen wurden dadurch deutlich erweitert. Zwei der Habilitierten wurden 2011 zu Universitätsprofessoren nach § 99 UG ernannt, ein weiterer 2015.

Wichtiger Markstein war die im Jahr 2000 eingerichtete, großteils aus EU-Fördergeldern finanzierte Jean Monnet Professur6 zur Abdeckung des neu im Studienplan verankerten Kernfachs "Politik der Europäischen Integration". Nach Ablauf der fünfjährigen Förderungsdauer wurde die Stelle in eine § 99-Professur und 2010 in eine unbefristete Professur umgewandelt.

Eine kritische Phase durchlief das Institut Mitte der 2000er-Jahre, als im Zuge der Umsetzung des UG 2002 die Neuordnung der Fakultätengliederung der Universität anstand. Mit seiner bisherigen Verankerung an zwei Fakultäten — als Institut und Wahlfach an der SOWI, als Vollstudium (seit 1984) an der GEIWI — war für mehr als ein Jahr völlig unklar, welcher der von bisher sechs (ohne Medizin) schlussendlich auf sechzehn anwachsenden Fakultäten die Politikwissenschaft zugeordnet werden würde. Mehrere Varianten wurden zu unterschiedlichen Zeiten in Erwägung gezogen (ohne dass das Institut substantiell hätte mitentscheiden können): In Diskussion war ein Zusammengehen unter anderem mit den Instituten für Zeitgeschichte, Geschichte und Ethnologie, mit Erziehungswissenschaft sowie mit Volkswirtschaft und Soziologie. Mit dem Organisationsstatut 2004 der Universität wurde am Ende eine Fakultät für Politikwissenschaft und Soziologie (ohne Beteiligung der Volkswirtschaft) beschlossen. Der Weg zu dieser — hinsichtlich des Personalstands seinerzeit kleinsten — Fakultät war alles andere als frei von interessengeleiteten Interventionen und letztlich auch einer gewissen Beliebigkeit, soweit es die Berücksichtigung von Forschungszusammenhängen angeht.

Mit der letzthin erfolgten Angliederung eines bereits seit längerem bestehenden Arbeitsbereichs Universitätslehrgangs Peace Studies (2016) und eines neu geschaffenen Instituts für Medien, Gesellschaft und Kommunikation (2017) ist die Fakultät nun breiter aufgestellt als am Beginn. Im Prozess dieser Erweiterung und Neuausrichtung der Fakultät hat das Institut für Politikwissenschaft eine nicht unmaßgebliche Rolle eingenommen, abzulesen unter anderem daran, dass das Institut für Politikwissenschaft die Gründung des Instituts für Medien erst ermöglichte, indem es eine halbe Professur an das Institut abgetreten hat. Diese Professur nimmt gleichzeitig auch die Leitung dieses Instituts wahr.

 

Tabelle 1: Personalstand der Politikwissenschaft in Innsbruck (1977-2017)

ABCDEFGHIJK
1977 1980 1985 1990 1995 2000 2005 2010 2015* 2017*
Professoren 1 1 1 4 4 4 5 5 7 8+
Dozenten 5 4 6 7 4 3
wiss. Mitarbeiter 1 2 2 4 3 4 7 12 (4,5) 11 (6,6)
Projektmitarbeiter 4 2 2 1 3 8 4 (1,6) 5 (1,4)
Sekretariat 1 1 1 2 3 3 4 3 3 (2,5) 3 (2,5)
Gesamt 3 4 8 12 14 15 22 30 30 (20,5) 30 (21,5)

* Vollzeitäquvialente in Klammern.
+ Inklusive zwei assoziierte Professuren.

 

Ausdifferenzierung und Spezialisierung der Forschungsfelder

Thematisch konzentrierten sich die Forschungsinteressen der Innsbrucker Politikwissenschaft in der ersten Konsolidierungsphase des Instituts vorrangig auf das politische System Österreichs. Die analytische Aufarbeitung und Durchdringung der Strukturen und Prozesse österreichischer Politik, verbunden mit dem Herausarbeiten ihrer Besonderheiten (segmentierte Lagerdemokratie, Konkordanz, Sozialpartnerschaft), nahm die personellen Ressourcen nahezu vollständig in Anspruch. Die — keineswegs nur für den Standort Innsbruck charakteristische — relativ enge Schwerpunktsetzung wurde auf den besonderen Nischencharakter der österreichischen Politikwissenschaft zurückgeführt, zuzuschreiben nicht zuletzt einem ausgeprägten Österreich-Bias in der öffentlichen Forschungsförderung. Dessen ungeachtet zeichnete sich in Konturen bereits in den ersten Jahren der Institutsgeschichte die Hinwendung zu einer vergleichenden Forschungsorientierung mit Konzentration auf Politics und intermediäre Akteure und Institutionen des politischen Wettbewerbs ebenso wie auch Fragen der Qualität politischer und gesellschaftlicher Partizipation ab.

Mit dem personellen Wachstum des Instituts hat sich auch das inhaltliche Forschungsspektrum nachhaltig verbreitert. Mit der Etablierung der Frauenforschung, heute in modifizierter Form als Gender- und Geschlechterforschung ein wesentlicher Schwerpunkt der Forschungsaktivitäten des Instituts, wurde schon frühzeitig die davor primär auf Dynamiken österreichischer Politik fokussierte Forschung um feministische Aspekte und Paradigmen erweitert. Wesentlich beigetragen zur Ausdifferenzierung der Forschungsfelder haben ebenso die neu eingerichteten Professuren für die Bereiche Politische Theorie, Vergleich politischer Systeme und Politik der Europäischen Integration.

Diese markante Verbreiterung bedeutet aber keineswegs eine Abkehr von der oben erwähnten originären Politics-orientierten Akzentsetzung. So stehen Themen der Demokratiereform und der Qualität des demokratischen Wettbewerbs, das Regierungssystem mit seinen zentralen Akteuren und Institutionen, European Governance und Politikgestaltung in Mehrebenensystemen, Föderalismus und Intergouvernementalismus, Political Leadership sowie aktuelle Fragen der politischen und gesellschaftlichen Teilhabe und Partizipation am politischen Prozess auf der Forschungsagenda des Instituts.

Im Bereich der Internationalen Beziehungen hat sich eine Gruppe mit Forschung unter anderem zu den Themenfeldern Nichtverbreitung von Nuklearwaffen, Diplomatie, Ordnungssystemen, Sicherheit im postsowjetischen Raum, (Counter-)Terrorismus und Außenpolitikanalyse formiert. Trends und Probleme der politischen Kommunikationspraxis wie die kritische Durchleuchtung problematischer Entwicklungen in einer immer flüchtiger werdenden Mediengesellschaft sind die Kernthemen einer Forschungsgruppe am Institut, die sich mit Fragen dieses an Bedeutung markant zunehmenden Themenbereichs befasst.

Nachstehend eine Auflistung der Forschungsfelder inklusive einzelner in instituts- bzw. fakultätsübergreifende Netzwerke der Universität eingebetteter Arbeitsbereiche [Stand 2017, Anm.]:

  • Europäische Union & Europäische Regionale Zusammenarbeit
  • Internationale Beziehungen
  • Methodologie und Methoden der Politikwissenschaft
  • Politische Bildung
  • Politische Kommunikation & Medien
  • Politische Theorie / Geschlechterforschung
  • Vergleichende Politikwissenschaft
  • Forschungszentrum Föderalismus
  • Forschungszentrum Spheres of Governance
  • Interfakultäre Forschungsplattform Geschlechterforschung

Studium: Programme – Nachfrage – Reichweite

Vom klassischen Diplomstudium zur Einführung von BA und MA Politikwissenschaft

Politikwissenschaft konnte in Innsbruck bis zur Einrichtung einer eigenständigen Studienrichtung 19847 nur als Wahlfach oder im Rahmen eines sogenannten Studium irregulare belegt werden. Die Zahl der Studierenden für das Diplomstudium (Politikwissenschaft als Hauptfach) wuchs rasch an, 1990 waren es bereits mehr als 500, im Jahr 2000 mehr als 1.000. Zum Zeitpunkt der Überleitung zum dreistufigen Studienaufbau nach dem Bologna-Prozess im Jahr 2007 wurden rund 1.400 Hörer*innen verzeichnet.

Dieser Wechsel auf das Bologna-System, der zur schrittweisen Einführung der Studien BA, MA und PhD Politikwissenschaft führte, brachte für das Institut und "seine" Studien nachhaltige Veränderungen mit sich. Zeitgleich mit der Einrichtung des Bachelor-Studiums Politikwissenschaft an der 2004 gegründeten Fakultät für Politikwissenschaft und Soziologie, kam es auch zur erstmaligen Einrichtung eines eigenständigen Soziologie-Studiums. Damit bekam die Politikwissenschaft zum ersten Mal "hausinterne" Konkurrenz im Bereich der sozialwissenschaftlichen Studien. Zudem wurde bei der Konzeption dieser beiden neuen Studien (also BA Politikwissenschaft und BA Soziologie) auf eine enge Verschränkung beider Studien Wert gelegt. Diese beiden Entscheidungen — die Einrichtung eines eigenständigen Soziologie-Studiums und die stärkere "Soziologisierung" des Politikwissenschafts-Studiums auf BA-Ebene durch die enge Verschränkung mit dem BA Soziologie — wirkten sich spürbar auf die Zahl der Studierenden aus (siehe Abbildung 1). Die Zahl der Erstsemestrigen (im Wintersemester) sank von ursprünglich mit dem Diplomstudium vergleichbaren Werten von über 200 auf 143 im Studienjahr 2012/13. Damit reduzierte sich zwangsläufig auch die Zahl der Gesamtstudierenden (ebenfalls mit Stand Wintersemester) von fast 1.000 im Studienjahr 2010/11 auf nur mehr 766 im Studienjahr 2015/16.

Diese negative Entwicklung führte sowohl institutsintern als auch unter den Studierenden zum Ruf nach einer grundlegenden Reform des Studienplans. Das 2014 reformierte Curriculum BA Politikwissenschaft wurde daher konsequenterweise weitgehend von soziologischen Inhalten entkoppelt und der Fokus auf eine solide politikwissenschaftliche Grundausbildung gelegt. Weitere kleinere Reformen in den Jahren 2016 und 2017 führten zudem zur stärkeren Verankerung der Forschungsbereiche "Wahlforschung und politische Kommunikation", "Politische Bildung" und "Politische Theorie" im Studienplan. Damit kam es letztendlich auch zu einer besseren Abbildung aller relevanten Forschungsbereiche am Institut im Curriculum und zur bewussten Schwerpunktbildung (vor allem im Bereich "Wahlforschung und politische Kommunikation") im Hinblick auf den innerösterreichischen Wettbewerb um Studierende.

Diese Reformen spiegelten sich somit auch in den wieder steigenden Zahlen der Erstsemestrigen und der Gesamtstudierenden bis zum heutigen Tag wider, und sorgten für eine höhere Zufriedenheit der Studierenden mit dem Studium. Dieser positive Trend lässt sich auch in der Zahl der Absolventinnen und Absolventen ablesen. Während am Höhepunkt des Diplomstudiums pro Jahr lediglich zwischen 60 und 80 Studierende ihr Studium abschlossen (und das bei insgesamt 1.400 Gesamtstudierenden), so liegt dieser Wert in den letzten Studienjahren im BA Politikwissenschaft konstant um die 70 Absolventinnen und Absolventen (jedoch bei "nur" etwas über 800 Gesamstudierenden). Die Studierenden des BA Politikwissenschaft scheinen ihr Studium also bewusster zu verfolgen und eher abzuschließen als das bei ihren Vorgängern im Diplomstudium der Fall war.

Ein weiterer positiver Trend ist auch beim klassischen Profil eines/einer Studierenden des BA Politikwissenschaft festzustellen. Waren im Diplomstudium noch über 60 Prozent der Studierenden männlich, so hat sich dieser Anteil im BA-Studium (Studienjahr 2017/18) zugunsten der Frauen verändert. 50,6 Prozent der Erstsemestrigen sind nun weiblich, womit das Bachelor-Studium Politikwissenschaft eine nahezu perfekte "Gender-Quote" vorweisen kann und Frauen und Männer gleichermaßen anspricht. Neben der Geschlechterbalance gab es auch Veränderungen, was die geographische Herkunft der Studierenden betrifft. Während immer noch der Großteil aus Westösterreich (und hier vor allem aus Tirol) kommt, hat sich der Anteil der österreichischen und italienischen/Südtiroler Studierenden von 66,0 Prozent bzw. 24,0 Prozent 2011 auf aktuell 52,0 Prozent bzw. 18,3 Prozent reduziert, während im gleichen Zeitraum der Anteil der Studierenden aus Deutschland (von 8,0 % auf 20,3 %) und allen anderen Staaten (von 3,0 % auf 9,4 %) zugenommen hat.

 

 

BA Studium

Abbildung 1: Zahl der Gesamtstudierenden (gestrichelte Linie) und Erstsemestrigen im BA Politikwissenschaft im jeweiligen Wintersemester; Quelle: Studienabteilung, Universität Innsbruck.

 

Eine ähnliche Entwicklung wie das Bachelorstudium nahm das 2008 eingerichtete Masterstudium. Ursprünglich als ein eng mit dem soziologischen Master verwobenes Studium mit Fokus auf Europa (MA "Europäische Politik und Gesellschaft") konzipiert, stieß dieser Studiengang zunächst auf nur begrenztes Interesse. Es konnten weder Studierende von anderen Universitäten nach Innsbruck angezogen werden, noch blieben die Innsbrucker BA-Absolvent*innen durch die Inskription des neuen Masterstudiums dem Standort treu. Als Ursachen für die geringe Nachfrage stellten sich zwei Faktoren heraus. Erstens, und ähnlich wie im BA, wurde von den Studierenden die enge Verknüpfung des Studiums mit jenem der Soziologie kritisiert. Die Studierenden, so der allgemeine Tenor, hätten sich bewusst für einen politikwissenschaftlichen Master entschieden und wollten daher keine zusätzlichen soziologischen Inhalte in ihrem Studium. Neben diesem Umstand wurde aber auch der enge Fokus auf Europa zum Kritikpunkt. Die Studierenden wünschten sich einen allgemein gehaltenen Master, der den breiten Interessen der Studierenden mehr Rechnung trägt.

2014 kam es daher auch zur Reform des Masterstudiums, in welcher die beiden Kritikpunkte direkt aufgenommen wurden. Die soziologischen Inhalte wurden vollkommen aus dem Programm genommen, während die thematische Begrenzung auf Europa zu Gunsten eines breiter gefassten Themenspektrums (von Europa über Internationale Beziehungen, Wahl- und Parteienforschung, Medien und politische Kommunikation, Leadership-Forschung und Föderalismus) aufgegeben wurde. Die Konsequenzen dieser Reform waren unmittelbar und nachhaltig spürbar. Es kam zu einem merkbaren Anstieg der Zahl an Erstsemstrigen und damit verbunden auch der Gesamtstudierenden auf heute 37 bzw. 105 (Studienjahr 2017/2018 — siehe Abbildung 2). Das Masterstudium hat sich damit von einem Sorgenkind des Instituts zu einem Vorzeigestudium entwickelt.

Ähnlich wie im BA Politikwissenschaft, sieht das Profil der Studierenden auch im MA aus. Gut die Hälfte (52,0 %) kommt aus Österreich, der Rest verteilt sich auf Studierende aus Südtirol/Italien und Deutschland (je 18,0 %) sowie andere Staaten (12,0 %). Was jedoch das Gechlechterverhältnis betrifft, beginnt mit dem Masterstudium ein Trend, der seinen bedenklichen Höhepunkt im PhD findet (mehr dazu später). Während im BA-Studium das Verhältnis von Männern und Frauen im ersten Semester nahezu ausgeglichen ist (mit einem leichten Vorteil für Frauen), nimmt im Masterstudium der Anteil Frauen (44,0 %) zugunsten von Männern (56,0%) ab. Ein Umstand, der nicht nur die politikwissenschaftlichen Studien betrifft, sondern leider österreichweit in vielen Studien zu beobachten ist.

Neben diesem Masterstudium war das Institut für Politikwissenschaft auch noch federführend an dem 2009 interfakultär eingerichteten MA „Gender, Culture and Social Change“ beteiligt, in dem es bis heute bis zu einem Drittel der Lehrveranstaltungen abdeckt. Damit findet sich auch die politikwissenschaftliche Innsbrucker Geschlechterforschung (die sich seit jeher als interfakultär und interdisziplinär verstand) in einem eigenen Masterstudium abgebildet.

 

MA Studien

Abbildung 2: Zahl der Gesamtstudierenden (gestrichelte Linie) und Erstsemestrigen im MA Politikwissenschaft im jeweiligen Wintersemester; Quelle: Studienabteilung, Universität Innsbruck.

Vom klassischen Doktorat zum PhD Politikwissenschaft

Der größte Lernprozess, sowohl auf Seiten der Forscherinnen und Forscher als auch auf Seiten der Studierenden, konnte bei der Umstellung vom klassischen Doktorat auf das neue PhD-Programm Politikwissenschaft beobachtet werden. Für viele Studierende galt das klassische Doktoratsstudium nicht unbedingt als Beginn einer akademischen Laufbahn, sondern wurde eher als Prestige bringender und für das berufliche Weiterkommen vorteilhafter Titel betrachtet. Der überwiegende Teil der Doktoratsstudierenden absolvierte dieses Studium daher über mehrere Jahre hinweg neben dem Beruf, meist am Abend, an den Wochenenden oder im Urlaub. Der Umstand, dass das neue PhD Programm sich vor allem an den akademischen Nachwuchs richtet und wissenschaftlich weit mehr abverlangt, ist für viele dieser Studierenden zunächst eine Herausforderung, für manche auch eine Enttäuschung gewesen.

Neben den Studierenden mussten aber auch die Forscherinnen und Forscher des Instituts einen Lernprozess durchmachen. Auch wenn von Seiten des Instituts von Anfang an klar kommuniziert wurde, dass das neue PhD Programm akademischer sei und daher einen größeren Aufwand bedeutet, der nicht so einfach nebenbei zu bewältigen sei, wurde in den Anfangsjahren wenig unternommen, um die Studierenden bei dem notwendigen Umdenkprozess zu unterstützen — im Gegenteil. Das 2009 verabschiedete Curriculum orientierte sich stark am alten Dokotoratsstudium, verlangte von den Studierenden eine hohe Anzahl an ECTS- Anrechnungspunkten und damit verbunden auch Lehrveranstaltungen vor Ort ab, bot ihnen letztlich aber wenig Wahlfreiheit. Vielmehr zwang es sie noch einmal, Lehrveranstaltungen aus den unterschiedlichen Kernbereichen des Faches ("Internationale Beziehungen", "Politische Theorie", "Vergleich politischer Systeme") zu besuchen. Darüber hinaus wurden die PhD Studierenden immer noch zu sehr als "Studierende" und zu wenig als "Kolleginnen und Kollegen" oder "Nachwuchsforscherinnern und - forscher" gesehen, die es stärker in den Forschungsbetrieb des Instituts einzubinden galt.

Es waren daher auch im Falle des PhD Politikwissenschaft Reformen unvermeidlich, die sich längerfristig ebenfalls in einem Umdenken (sowohl bei Lehrenden, als auch bei Studierenden) zeigen sollten. 2014 wurde daher das Curriculum reformiert. Den Studierenden wird nun mehr Wahlfreiheit eingeräumt (sie müssen nicht mehr Lehrveranstaltungen zu den Kernfächern besuchen, sondern können sich auf Fragen des Forschungsdesigns und/oder des wissenschaftlichen Schreibens konzentrieren), der Fokus der Module wird mehr auf die Dissertation gelegt (indem von den Studierenden erwartet wird, auf Konferenzen zu präsentieren und in Journals zu publizieren) und generell die Zahl der Lehrveranstaltungen reduziert. Trotz dieser wichtigen Reformen ist die Zahl der neben der eigentlichen Dissertation zusätzlich noch zu absolvierenden ECTS-AP im Vergleich zu anderen PhD Studien der Universität nach wie vor noch unverhältnismäßig hoch und sollte in einem Reformschritt weiter reduziert und angeglichen werden.

Auf Seiten der Lehrenden hat diese Reform des Curriculums auch ein Umdenken bewirkt, wie man die PhD Studierenden wahrnehmen bzw. wie man sie in den Forschungsalltag des Instituts besser einbauen könnte. Es ist eigens für die PhD Studierenden ein PhD Tag pro Semester eingerichtet worden, an dem sie ihre Forschung präsentieren und mit der Faculty des Instituts diskutieren können. Darüber hinaus haben sich Teile des Instituts in Form des Forschungszentrums "Spheres of Governance: Institutions and Agency" um ein Doktoratsprogramm bemüht, das von Seiten der Universität im vergangenen Jahr [2017, Anmerkung der Redaktion] genehmigt wurde. Damit verfügt das Institut über den Umweg dieses Forschungszentrums über eine Infrastruktur, mit der die PhD Studierenden noch enger an das Institut gebunden und der Austausch mit den Forscherinnen und Forschern noch intensiver gelebt werden kann.

Diese Reformen und das Umdenken bei den Lehrenden zieht letztendlich auch einen Sinneswandel bei den Studierenden nach sich. Sie begreifen sich zunehmend als Nachwuchsforscher*innen und beginnen vermehrt über die Vorteile von kumulativen Dissertationen und das Publizieren in internationalen Fachzeitschriften nachzudenken. Wie Abbildung 3 zeigt, schlagen sich diese Entwicklungen mittlerweile auch in der ansteigenden Zahl von Erstsemestrigen und Gesamtstudienerden nieder. Rechnet man die Erstsemestrigen des Sommersemesters 2018 zu den in der Abbildung dargestellten Erstsemestrigen des Wintersemesters dazu, dann haben sich im Studienjahr 2017/18 14 Studierende für ein PhD Politikwissenschaft entschieden — eine Zahl, die in Relation zur Größe des Instituts durchaus beachtlich ist. Der überwiegende Teil dieser Studierenden kommt dabei ähnlich wie bei BA und MA aus Österreich (57,1 %), Südtirol/Italien (14,3 %), Deutschland (7,1 %) und anderen Staaten (21,4 %). Der Anteil der internationalen Studierenden hat sich im Vergleich zum klassischen Doktorat damit erhöht. Der überwiegende Teil dieser PhD Studierenden wird aber aus dem eigenen MA rekrutiert und kommt nur zu einem geringen Teil von außen.
Nachdenklich stimmen muss jedoch, wie zuvor bereits angedeutet, das wachsende Ungleichgewicht von Männern und Frauen im PhD. Fast zwei Drittel (64,3 %) sowohl der Erstsemestrigen als auch der Gesamtstudierenden sind Männer, nur 35,7 Prozent sind Frauen. Dieses Ungleichgewicht kann nicht zufriedenstellend sein und zeigt auch, dass sich Frauen — aus Gründen, denen es noch nachzugehen gilt, — weiterhin schwer tun, auf allen drei Ebenen des Bologna-Systems gleichermaßen als Studierende vertreten zu sein. Die bisherigen Zahlen an Absolventinnen und Absolventen des PhD Politikwissenschaft geben aber Mut zur Hoffnung. Immerhin sind vier der fünf Absolvent*innen Frauen. Frauen bilden im Studium selber nur eine Minderheit, bei der Abschlussquote sind sie aber führend.

 

PhD Studium

Abbildung 3: Zahl der Gesamtstudierenden (gestrichelte Linie) und Erstsemestrigen im PhD Politikwissenschaft im jeweiligen Wintersemester; Quelle: Studienabteilung, Universität Innsbruck.

 

Entwicklungsperspektiven des Instituts

Nicht anders als andere Standorte des Fachs steht die Innsbrucker Politikwissenschaft in den kommenden Jahren vor neuen Herausforderungen, die zum einen auf universitätsinterne Steuerungsmaßnahmen zurückgehen, zum anderen mit generellen Trends und Entwicklungslinien der Disziplin in Zusammenhang stehen. Ohne Themen und Auswahl der Forschungsfelder explizit anzusprechen, haben neue und modifizierte Vorgaben des Rektorats — durchaus im Einklang mit den allerorts zunehmenden Anpassungszwängen österreich- und europaweit — Handlungsrahmen und Spielräume für die Forschungsarbeit spürbar verändert.

Die Einrichtung von Forschungszentren und Forschungsplattformen lässt individuelle Einzelforschung zwar weiter zu, unverkennbar steigt aber der Druck zur Bildung von Netzwerken, die sich durch kohärente Teamarbeit und Kooperation um am Drittmittelmarkt einzuwerbende Förderungsgelder zu bewähren haben. Mit dem Fokus auf drittmittelfinanzierte Großprojekte mit indikatorenbasiertem Wissenschaftsmanagement wird die tradierte, auf flexibler Selbststeuerung beruhende Forschungskultur zum Nischenprogramm.

Im Umbruch befindet sich neben der Forschungs- auch die Publikationskultur des Fachs. So ist — neben der Anzahl von FWF-Anträgen und der Höhe eingeworbener Drittmittel — der Anteil fremdsprachiger (d.h. englischsprachiger), peer-referierter Journal-Beiträge mittlerweile eines der zentralen Bewertungskriterien bei den Zielvereinbarungsverhandlungen zwischen Institut, Fakultät und Rektorat. Wenig überraschend, riskiert ein Institut im Fall von Zielverfehlungen Kürzungen bei der Zuteilung von Budgetmitteln und Personal.

Eine immer noch große Herausforderung ist die mittlerweile schon zehn Jahre zurückliegende Umstellung der Studienprogramme entlang der Bestimmungen des Bologna-Prozesses. Der Titel Magister, basierend auf einer Regelstudiendauer von acht Semestern, war davor beim Einstieg ins Berufsleben der Nachweis einer abgeschlossenen Ausbildung. Mit sechs Semestern Bachelor-Studium sind die Perspektiven jedoch deutlich reduziert. Überdies verführt bei fachverwandten Studien die Möglichkeit der gegenseitigen Anrechnung von Prüfungen dazu, mehrere Bachelor- Programme parallel zu belegen, was unvermeidlich die Studiendauer verlängert, am Ende aber oft darin mündet, dass man zwar einen BA in Politikwissenschaft und zusätzlich — beispielsweise — einen in Soziologie vorzuweisen hat, damit bei Stellenbewerbungen aber nicht zwingend reüssiert. Andererseits wiederum scheuen Studierende oft die Abfolge Bachelor und Master mit einer Gesamtdauer von immerhin zehn Semestern.

Falsche Erwartungen gibt es vielfach auch beim neu eingerichteten PhD Programm, das mehr oder weniger exklusiv auf die Sicherung qualifizierten, möglichst exzellent ausgebildeten wissenschaftlichen Nachwuchses abzielt und über die Standards für ein Doktorat "alten" Zuschnitts jedenfalls deutlich hinausgeht.

Abgesehen von Fragen der Qualifizierung von Studierenden für berufliche Tätigkeiten, die im Auge zu behalten sein werden, ist besonders die wissenschaftliche Arbeit mit neuen und sich stetig verdichtenden Herausforderungen konfrontiert: Fortschreitende Europäisierung der Disziplin, erhöhte internationale Sichtbarkeit, verstärkte Integration in multinationale Forschungsnetzwerke, aktive Präsenz bei europäischen Konferenzen und Workshops, erhöhte Mobilität der Lehrenden und Studierenden, Förderung eines hochqualifizierten wissenschaftlichen Nachwuchses und exzellente Forschungsprojekte und Publikationsleistungen sind mittlerweile zentrale Parameter, wenn es darum geht, im europäischen Wissenschaftswettbewerb zu bestehen.

Substantiell größte Herausforderung aber ist — in Innsbruck nicht anders als an den anderen Standorten — nicht allein die professionelle Sichtbarkeit der Politikwissenschaft. Es geht im Kern immer auch um die Frage nach der politischen und gesellschaftlichen Relevanz des Fachs, die sich selbst nach mittlerweile vier Jahrzehnten stets aufs Neue stellt. Gefeit vor der Versuchung des Rückzugs in das kontemplative und dabei realitätsferne Ambiente des akademischen Elfenbeinturms ist keine Disziplin, auch nicht die Politikwissenschaft. Die wissenschaftliche Befassung mit Politik ermöglicht Einblicke in komplexe Zusammenhänge und birgt zugleich immer die Gefahr, sich in Sackgassen zu verlieren. Sich diese Ambivalenz bewusst zu machen, war Auftrag in der Vergangenheit und wird es in steigendem Maße auch künftighin sein.

Abschließende Bemerkungen

Fasst man die in diesem Beitrag in aller Kürze wiedergegebenen und auf das Wesentliche beschränkten Daten und Fakten zusammen, so ergibt das eine für ein Universitätsinstitut wohl nicht selbstverständliche Geschichte. Es waren ganz zu Beginn beinah unüberwindliche Hürden zu nehmen, es war in der Folge in kleinen Schritten die Etablierung des Fachs als gleichwertiges neben den anderen zu verfolgen, und es gilt heute qualitativ neue Herausforderungen zu bewältigen.

Nach nunmehr vierzig Jahren seines Bestands befindet die Gründergeneration des Innsbrucker Instituts sich bereits im Ruhestand, die nachfolgende verabschiedet sich in kurzen Abständen und wird schon in wenigen Jahren zu Status und Erscheinungsbild des Instituts nicht mehr beitragen. Verantwortlich für die Weiterentwicklung des Instituts zeichnet federführend jetzt schon eine neue Generation. Diese ist umfassend vernetzt, publizistisch präsent, etabliert in der nationalen wie auch der internationalen scientific community, und nicht zuletzt auch wird sie — in guter Tradition — von der außeruniversitären Öffentlichkeit mit Interesse wahrgenommen. Seinem 50-jährigen Bestand blickt das Institut mit Zuversicht und Optimismus entgegen.

 

 

1 In einer älteren Version publiziert wurde dieser Text in der Österreichischen Zeitschrift für Politikwissenschaft (Heft 1/2012): Ferdinand Karlhofer/Fritz Plasser, "Die Innsbrucker Politikwissenschaft: Konsolidierung und Profilbildung". Kürzung und Aktualisierung dieses Beitrags wurden vorgenommen von Franz Eder und Ferdinand Karlhofer.

2 Diese und einige weitere Präzisierungen zur Gründungsgeschichte des Instituts verdanken wir Anton Pelinka, der zu diesem Thema wohl authentischsten Primärquelle.

3 Das wesentlich größere Institut für Politikwissenschaft der Universität Wien hat im Vergleich dazu mit Stand 2017 15 zugeordnete Universitätsdozenten.

4 Großer Nachfrage (mehr als 30-mal abgehalten) erfreute sich das bis vor kurzem regelmäßig angebotene einwöchige Seminar "Politisches Alltagsverständnis".

5 Hingewiesen sei an dieser Stelle auch auf eine ab 2004 vom BM für Landesverteidigung finanzierte Stiftungsprofessur für Europäische Sicherheitspolitik. Das Dienstverhältnis mit dem Stelleninhaber wurde aber 2007 seitens der Universitätsleitung wegen, so die Begründung, dienstrechtlicher Verfehlungen gegenüber Mitarbeiter*innen vorzeitig beendet. Die Stelle wurde nicht nachbesetzt, der Vertrag aufgelöst.

6 Eine gemäß den Förderungsrichtlinien ad personam — in diesem Fall an Heinrich Neisser — vergebene Professur. 

7 Und selbst da noch gleichsam unter Kuratel, denn der Studienplan sah die Beteiligung von nicht weniger als drei Fakultäten vor: "An der Geisteswissenschaftlichen Fakultät der Uni- versität Innsbruck kann in Verbindung mit der Sozial- und Wirtschaftswissenschaftlichen Fakultät sowie unter Mitwirkung der Rechtswissenschaftlichen Fakultät ein politikwissen- schaftliches Studium absolviert werden" (§ 2 Studienplan).

 

 

aus: Martin Senn (Hrsg.), 40 Jahre Institut für Politikwissenschaft an der Leopold-Franzens-Universität Innsbruck. Eine Festschrift, Innsbruck 2018.

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