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ZfW_045 - Verschwörungstheorien

Eine neue Ausgabe von Zeit für Wissenschaft, dem Podcast der Universität Innsbruck, ich bin Melanie Bartos und freue mich heute wieder einen Gast zu einem sehr spannenden Thema begrüßen zu dürfen: Heute ist bei mir Herr Claus Oberhauser , zunächst mal herzlich Willkommen bei Zeit für Wissenschaft.

Vielen Dank für die Einladung.

Ich darf Sie kurz vorstellen und zwar Sie sind Historiker und Sie sind sowohl an der Pädagogischen Hochschule Tirol als auch am Institut für Geschichtswissenschaften und Europäische Ethnologie hier an der Uni Innsbruck tätig und ihr - wie schon eingangs angekündigt es - sehr spannendes Forschungsfeld sind unter anderem Verschwörungstheorien, mit denen Sie sich wirklich schon lange Zeit befassen, wenn man einen Blick auf ihren Werdegang wirft, Sie sind da auch Teil eines großen europäischen Netzwerkes mit dem Titel COMPACT , das werde ich gerne noch verlinken dann in den Shownotes, wo Sie sich interdisziplinär europaweit mit diese m Phänomen auseinandersetzen. Jetzt muss ich als Vorgeschichte vielleicht dazu sagen, dass wir diesen Podcast schon relativ lange planen, nämlich schon lange . Seit Anfang des Jahres , vor Corona sozusagen war das noch geplant, dann hatten wir einen Termin kurz vor dem österreichischen Lockdown und deswegen hat sich das jetzt alles ein bisschen nach hinten verschoben, was ich aber gar nicht so schlecht finde, weil wenn auch wenig überraschend aber doch in dem letzten halben Jahr Verschwörungstheorien natürlich durchaus ein Thema sind und ich kann vielleicht dazu sagen, heute ist der 31. August, wir haben den vergangenen Samstag in Berlin vielleicht jetzt auch noch alle vor Augen, des heißt , ich glaube, sich mit der Thematik jetzt auch in dem Rahmen noch einmal auseinanderzusetzen. Tut uns vielleicht allen ganz gut. Wir haben uns vorher unterhalten, wie wir da am besten vorgehen und ich würde vorschlagen, dass es durchaus Sinn machen würde, wenn wir jetzt an der Stelle so wirklich einmal einen Schritt zurückgehen und uns noch einmal fragen: Was ist eine Verschwörungstheorie, aus Ihrer Sicht als Historiker ? Was fällt da hinein? Oder was macht eine Theorie zu einer Verschwörungstheorie?

Das ist an sich eine sehr spannende Frage und gleichzeitig eine relativ schwierige Frage. Aus dem Grund: gerade im deutschsprachigen Raum wird der Begriff Theorie immer ganz stark kritisiert, man soll doch jetzt Verschwörungs mythen nennen oder man soll das Verschwörungsideologie nennen oder irgendwas anderes. Ja, das ist auch irgendwo verständlich, aber der Begriff hat sich jetzt international jetzt mal soweit durchgesetzt, dass man ihn wirklich so verwenden kann. An sich sind Verschwörungstheorien eine Erklärung des Unerklärlichen, in dem man ganz bewusst versucht hinter die Kulissen zu blicken oder unter die Oberfläche bei bestimmten Ereignissen, Zuständen oder Entwicklungen und durch diese Theorie oder durch diesen Annahme, dass ich jemand verschworen ha t, zimmert man sich ein eigenes Weltbild zurecht, in dem man genau das nicht glaubt, was einem vorgemacht wurde. Das ist eine dieser anthropologischen Bedingungen : nichts ist , wie es scheint, was bedeutet , der Schein trügt einfach. Das , was wir so sehen, ist nur eine vorgemachte Welt , eine Konstruktion und die Verschwörungstheoretiker sind der Meinung an, dass sie eben an die Wahrheit erkannt haben, indem sie hinter die Kulissen blicken. Gleichzeitig hat man dann Schuldige für ein Ereignis, dh es ist auch so eine Funktion die Verschwörungstheorien nunmal haben . Es ist nicht nur eine Erklärung, sondern es ist gleichzeitig auch eine eine Befreiung , indem man sagen kann: Ok, bestimmte Leute sind einfach schuld an dem , warum es uns jetzt schlecht geht. Das zeigt sich durch verschiedenste psychologische Studien sehr sehr stark. Wir sehen des Weiteren, zu einer Verschwörungstheorie gehört auf jeden Fall dazu, dass bestimmte Teilbereiche einfach miteinander verbunden werden, die eigentlich nicht zusammen gehören, d h wir haben das in der Corona-Krise ganz stark, da werden dann Geschichten verbunden über über 5G und Strahlen , mit Impfen , mit Bill Gates, dann kommt teilweise noch die Migrationskrise dazu. Ganz bestimmte Geschichten dann einfach miteinander verbunden und zu einer großen Erzählung miteinander verwoben . Un das Dritte ist dann und das ergibt sich quasi aus diesen ersten beiden Bedingungen, es gibt hier auch in Verschwörungstheorien keine Zufälle. Das heißt alle Dinge, die passieren, sind planvoll und gehen zurück auf ein - und deshalb ist es für Historiker so interessant - auf eine Verabredung , eine Verschwörung, die einige Zeit vor diesen Ereignisse n passiert sein muss und alles dieses Handeln, was wir jetzt sehen, ist zurückzuführen auf einem Plan. Dementsprechend haben wir ein extremes Festschreiben von Rollen , wir Menschen versuchen einfach einem Plan zu folgen. Und die Verschwörungstheorie, wenn sie dann aufgeht, wäre dann nichts anderes als der Vollzug eines großen Planes.

Wenn man Ihre Beiträge liest oder sich ein bisschen mit Ihrer Arbeit auseinandersetzt, dann betonen Sie auch immer wieder, dass das, was Sie jetzt geschildert haben, was eine Verschwörungstheorie ausmacht , die Charakteristika, dass das etwas ist, was zum Menschsein dazugehört warum, gerade auch in Krisenzeiten. Warum ist das so?

Jegliche Studie, ob die jetzt historisch ist, oder eine psychologische Studie ist , deutet ganz stark darauf hin, dass in Zeiten von Unsicherheit oder eben in Zeiten von Krisen, und wo wir jetzt gerade mittendrin stecken, dass Verschwörungstheorien und klares Muster sind, um eben Sinn in der Welt zu sehen. Und es ist wahrscheinlich eine dieser ganz großen Bedingungen, ganz viele im Anthropologen, Ethnologen gehen sogar davon aus, dass das schon ganz ganz in der Steinzeit angelegt wurde. Dieses Muster, als Historiker ist das immer ein bisschen schwierig. Aber aber an sich ist es so, dass diese Deutung , dass etwas zurückzuführen ist auf eine Verschwörung und diese Deutung, dass es eben Schuldige geben muss, warum es mir und warum es uns schlecht geht, ist so ein Erzählmuster, das ist einfach - wir können dem historisch folgen, bis in die Antike auf jeden Fall zurück, auch mit Quellen. Wir sehen das heute relativ stark verdichtet.

Wenn wir uns diese Theorien so ansehen, die es gibt: Ich meine, man kann jetzt sicher nicht sagen, wir kennen alle Verschwörungstheorien, ist sicherlich auch schwierig. Aber kann man sagen, es gibt so narrative Kerne, die sich immer wieder wiederholen vor allem, wenn Sie jetzt auch einen historischen Blick darauf haben?

Die narrativen Kerne sind relativ klar sogar zu benennen, das ist es, was gerade für die Forschung immer wieder ganz erstaunlich ist , ob man sich jetzt im 16. Jahrhundert damit beschäftigt , im 18. oder im 21.: Bestimmte Muster und Erzählmuster sind immer gleich . Das ist meistens so, dass man eben davon ausgeht , wenn man jetzt alles entkleidet von alle m möglichen, von Bill Gates und so weiter und das abstrahiert, dann kommt man zu einem Erzählmuster, wo man sich immer die Frage stellt, wem hat das Ganze genützt, wer sind diese Schuldigen, was haben diese Schuldigen gemacht und es ist immer so ein Muster, wo man einfach unterstellt, es gibt Menschen, die Böses im Schilde führen, die sich verschworen haben und di e etwas verändert haben. Und Verschwörungstheorien sind eben dann diese große Antwort auf diese Veränderung. Das ist immer ganz stark und dann ist meistens auch so eine Frage, was hat das alles mit Antisemitismus zu tun interessanterweis. Der Zusammenhang ist relativ klar, viele sagen, Verschwörungstheorien haben Versatzstücke des Antisemitismus. Ich glaube, dass wir das mittlerweile anders sehen müssen, wir müssen einfach Antisemitismus als große starke Verschwörungstheorie sehen und damit das Verhältnis eigentlich umdrehen. Antisemitismus ist mit dem verschwörungstheoretischen Denken immer schon mitgewachsen und diese Versatzstücke, die wir sehen, sind dann immer die gleichen . Wenn wir ins 18. Jahrhundert gehen, wo eine ganz ganz starke Phase des Verschwörungsdenkens war in Hinsicht auf die Interpretation der Französischen Revolution sind, sehen wir zunächst gar keine antisemitischen Varianten , da gehts um Freimaurer , da geht's um Illuminaten, um radikale Philosophen . Und erst so 20-30 Jahre danach kommen dann wieder diese jüdischen, antisemitischen Elemente dazu. Wo das dann wieder hineinspielt. Wir haben einfach dieses ganz ganz starke Muster, dass sich extrem durchzieht , ist das, dass man in irgendeinerm Menschen einfach diese diese Fähigkeit sieht, dass die die Möglichkeit haben, sich zu verschwören einerseits. Andererseits, dass die so mächtig sind, dass dieser Plan vollzogen wird . Und diese Muster sehen wir auch in diese n Coronavirus -Verschwörungstheorien auch ganz stark einfach wieder. Es bündelt sich ja alles ganz so zusammen, wie wir es eigentlich in unserem Projekt uns irgendwie theoretisch und durch psychologische Studien erschlossen haben , sehen wir , dass praktisch alles, was wir so gemeint, geht jetzt eigentlich auf.

Wie meinen Sie: Das geht jetzt auf.

Das sind ja oft auch nur Theorien, das sind Hypothesen . Wir können nicht hergehen und sagen, das , was im 18. Jahrhundert war, lässt sich einfach reproduzieren aufs 21. Jahrhundert. Das geht nicht. Trotzdem ist es aber so, dass fast alle diese Thesen , die wir in dieser Forschung des 18. Jahrhunderts und der Aufklärung haben, treffen jetzt auf das 21. Jahrhundert zu. Das macht es einerseits , macht es das Ganze extrem interessant, man muss aber eben aufpassen, wie der jeweilige Kontext ist. Und das ist auch bei dem psychologischen Studien jetzt gerade dasselbe, wir waren da so ganz am Anfang der Corona -Krise noch im März , als das alles so begonnen hat , waren z.B. alle Verschwörungstheorien nebeneinander, es war nicht so ganz klar , wo wird sich das hin entwickeln. Und jetzt sehen wird , das wird jetzt alles ganz genau so verbunden, wie wir es in die historischen Zeiten zurücksehen. Jetzt haben wir diese eine große Erzählung, wo sich ganz ganz viele Leute einfach treffen und und das ist ganz erstaunlich, dass das wirklich so aufgeht . Und und das kann jetzt - weil ich auch einmal Germanistik studiert habe - dieser Effekt , der manchmal sehr sehr ironisch ist. Es gibt diesen wunderbaren Roman von Umberto Eco "Das Foucaultsche Pendel", wo es im Endeffekt zwar ein bisschen anders gewertet, aber auch darum geht, irgendwann ist die Verschwörung dann auch real und kommt dann wieder. Irgendwann ist jetzt unser Forschungsgegenstandes ist jetzt sehr sehr real einfach da, er verbindet sich vor unseren Augen.

So empfinden Sie die Zeit jetzt auch gerade. Es ist ja auch so etwas , was Sie jetzt mehrfach angedeutet haben mit verschiedenen Formulierungen , es geht immer so darum, dass es gewisse Menschen gibt oder das es eine Gruppe von Leuten gibt , die die eben - wie Sie sagen - hinter die Kulissen schauen, die das große Ganze verstanden haben, die Zusammenhänge sehen, die die Wahrheit wissen und herausgefunden haben . Ist das so etwas , wo einfach viele Menschen dann auch sich leicht... Mit der Wahrheit quasi lässt man sich , oder mit der vermeintlichen wahrheit lässt man sich leicht ködern? Oder wie funktioniert das dann auch so flächendeckend, wie wir es jetzt auch gerade sehen?

Das Ganze ist ja wieder dieser Effekt ist des Geheimen, wir gehen in der Forschung davon aus , wir nennen das immer das stigmatisierte Wissen. Also das Wissen, das eigentlich unterdrückt wurde und das kommt dann durch Verschwörungstheorien an die Oberfläche und das ist dann eben spannend und das sind diese neuen Zusammenhäng und es gehen ganz ganz viele Dinge auf . Offensichtlich ist das ein attraktives Erzählmuster , sonst würden es nicht so viele Leute glauben, einerseits. Andererseits und des zeigen psychologische Studien und das ist hochinteressant: die zeigen zum Großteil viele Verschwörungstheoretiker sind deswegen Verschwörungstheoretiker , weil sie selbst sich machtlos fühlen und so gerne in einer Position wären, dass sie eben die Zügel in der Hand hätten. Das heißt, das ist schon dieses Ohnmachtsgefühl, das dann ausgedrückt wird und wenn ich das aber dann entdecke, diese Wahrheit, habe ich dann selber wieder macht. Und das ist ein relativ klares Muster, dass sich auch durchzieht.

Das heißt , Menschen die eigentlich sozusagen keine Macht haben, schaffen sich durch solche Erzählungen selber Machtpositionen .

Genau . Da gibt's einen amerikanischen Politikwissenschaftler, sehr guter Kollege von Joseph Uuscinski , der hat das mal ganz plakativ amerikanisch auf den Punkt gebracht : "conspiracy theories are for loosers". Er ist sehr stark kritisiert worden, ich kann das auch sehr gut nachvollziehen, warum man das kritisiert hat. Er kann aber in der amerikanischen Geschichte von 19. bis ins 21 . Jahrhundert das ganz stark aufzeigen. Je nachdem, wer die Macht in der Hand hat und dann sehen wir ganz stark, dass ganz viele Verschwörungstheorien dann einfach aus diesem Lager kommen, einerseits. Andererseits sehen wir in den USA aber diesen großen Wandel , dass man eine ganze Politik der Verschwörung haben durch trump. Das ist ein großer Wandel, das hat es schon lange, lange nicht mehr gegeben.

Also dass das auf eine offizielle Ebene gehoben wird. Wie würden Sie das dann sehen diese Entwicklung , die wir jetzt haben aus, weil Sie schon angedeutet haben, aus historischer Perspektive heraus, dass sich jetzt vieles sozusagen bewahrheitet, was Sie in der Forschung schon viele Jahrhunderte zurückverfolgen können. Gibt es so etwas in der Geschichte, wo Sie sagen, das ist etwas , wenn man sich mit Verschwörungstheorien jetzt auch in der aktuellen Situation auseinandersetzt, das man am Schirm haben sollte, um das besser zu verstehen, wenn man 18 . Jahrhundert oder so, wenn wir so in diese Zeiten zurückgehen . Illuminati haben Sie schon erwähnt , das ist auch etwas Beliebtes , was immer wieder kommt. Gibt's da so ein Narrativ, wo Sie sagen, das sollte man am Schirm haben, dann kann man das ganze in den Funktionsweise n in den gesellschaftlich auch besser verstehen?

Das ist schwierig, weil der mediale Diskurse extrem aufgeladen ist und zwar wirklichen diese Einteilung Schwarz und Weiß. Viele Menschen, die man eigentlich nicht als Verschwörungstheoretiker bezeichnen darf, aber das ist auch relativ schwierig, wie man überhaupt die Linie zieht , sehen sich jetzt natürlich völlig unterbuttert und merken jetzt auch alles, was sie meinen, wird sofort abgestempelt. Und das ist vielleicht etwas , was ich gemeint habe mit, es gehört zum Menschsein in Krisen dazu. Bedeutet , wir haben damit rechnen müssen, dass das alles kommt. Dementsprechend muss, man muss man auch diese Sorgen , die hier teilweise auch ausgedrückt werden, durchaus ernst nehmen. Und das ist eben wichtig . Un dieses Mediale, dass das dann immer ganz sofort , zack, das ist eine Verschwörungstheorie, das ist keine, das darf man sagen, das da rf man nicht sagen . Und ist auch so ein ein diskursives Verschieben dieser Grenzen des Sagbaren, das geht noch oder drifte ich jetzt schon ab . Und das ist auch etwas, was wir auch durch die Geschichte durch einfach sehen . Wenn man genau hinschaut : Aamerikanische Revolution , weil wir da ganz ganz viele Studien dazu haben. Als das Ganze begonnen hat, war das ganz normal : Verschwörungstheorien gehörten zum politischen Diskurs, auch bei der französischen Revolution. Das war auch ganz ganz normal und über Jahrhunderte hindurch hat sich das dann immer mehr und mehr so entwickelt, dass dieses verschwörungstheoretische Denken völlig stigmatisiert worden ist. Es gibt eine ganz bekannte Studie, die wird jetzt auch rauf und runter zitiert, von Richard Hofstadter, der sagte, das ist dieser paranoid Style, das s alles das, wenn wir das so sehen , ist völlig paranoid und wir betrachten des alles aus unserer Normalperspektive heraus. Und das ist etwas, was man mittlerweile sehr stark ablehnen, aus dem Grund, weil wir einfach zeigen können kulturell, dass Verschwörungstheorien extrem benutzt worden sind über die ganzen historischen Zeiten einfach hinweg vor allem seit dem 18. Jahrhundert, davor eben auch schon . Und das kommt jetzt alles irgendwie so wieder . Wir müssen also nur aufpassen, wie sie das ganze so entwickelt und und die Wichtigkeit besteht vor allem darin , man muss schauen, wie man einfach damit umgehen lernt, man muss schauen, wie man praktisch wirklich diese vielen vielen Menschen... Es sind ja nicht nur - und das finde ich auch immer medial schwierig - das sind nicht nur Menschen aus dem rechtsextremen Sektor , obwohl die natürlich auch dabei sind. Und da muss man natürlich etwas unternehmen, aber die Frage, die wir uns stellen müssen, als Gesellschaft, ist : Was machen wir mit den Leuten aus der Mitte? Und da sehen wir ja mittlerweile, dass das Verschwörungs denken nach hoch schnellt . Klarerweise links und rechts im Extreme was das immer schon sehr stark ausgeprägt , das muss uns klar sein, aber wir wissen mittlerweile aus verschiedensten Meinungsumfragen, fast jeder Zweite, kann auch übertrieben sein dabei, aber fast jeder Zweite glaubt zumindest an eine Verschwörungstheorie, vor allem in den USA und in Europa, da kommen wir eben langsam aber sicher auch dorthin. Das heißt , man muss irgendwie schauen, dass man diese Glaubwürdigkeit zurück ins System bringt.

Das heißt , abstempeln halten Sie nicht für den richtigen Weg? Oder is t es nicht umgekehrt so, dass Verschwörungstheorien das sogar brauch en, um zu funktionieren? Also die, die Verschwörungstheorien anhängen , das auch brauchen , dieses : wir sind anders als die anderen, weil wir verstehen es ja besser oder wir haben die Wahrheit und die verstehen das nicht, also diese Abgrenzung ? Ist das nicht auch so Teil davon?

Ist es. Das ist ganz schwierig. D as Abstempeln ist etwas: manche spielen damit und manche fühlen sich dann wirklich am betroffen, weil sie abgestempelt werden. In der psychologischen Forschung ist man noch nicht so weit, um genau zu sagen, ab wann funktioniert noch etwas z.B. Fakten, wann geht's nicht mehr . Und es gibt genügend Untersuchungen dazu, wo gezeigt wird, mit Fakten kann man gar nichts mehr erreichen, da ist das Ganze schon relativ in einem extremen Bereich, bei manchen funktioniert's eben noch . Das Abstempeln ist ganz schwierig, aber wie Sie richtig sagen : manche ziehen genau daraus dann einfach auch diese Energie, das ist ja wunderbar. Gerade, weil ich abgestempelt werde bin ich ja der jenige, der die Wahrheit in der Hand, weil sonst würde ja das System mich nicht unterdrücken. Und dann wird es ganz ganz schwierig, dann kann man auch gar nicht mehr viel unternehmen. Trotz allem muss man sagen , diese Offenheit im Diskurs muss eigentlich vorhanden sein, einerseits. Andererseits : wenn wir wieder auf Berlin jetzt zurückkommen , wo man dann gesehen hat, dass es eben dann diese rechtsextremen Dinge, dass es die wirklich gibt unter einer Masse von Menschen, die ganz andere Sorgen hat , gibt's es dann auch noch diese andere gewaltbereite Masse und dann muss man etwas unternehmen. Und das ist gerade diese Schwierigkeit, die mir man jetzt gerade sieht.

Ich würde es wirklich gerne ein bisschen besser verstehen, ob Sie vielleicht auch aus der Geschichte heraus eine Erklärung dafür haben, wie - wenn Sie jetzt sagen 50 %, also ca die Hälfte der Menschen glaubt an eine oder zweifelt zumindest langsam. Gerade bei Corona merkt man das ja vielleicht auch im persönlichen , privaten Umfeld, das nimmt zu. Jetzt haben wir das ein halbes Jahr und ich weiß es auch aus meinem persönlichen Umfeld, das sind schon so Stimmen: aber, das war doch alles übertrieben und es ist ja nicht so gefährlich usw . Also verschiedenste Theorien dazu. Wann ist der Punkt bei einer Verschwörungstheorie, wo das zum Massenphänomen wird? Weil diese Theorien, wie Sie sagen, die gibt es schon immer und dann sagen wir , die glauben, dass die Erde eine Scheibe ist oder dass Obama Satan höchstpersönlich ist oder so . Sagen wir, ok, die diese Gruppierungen gibt's. Wann ist der Punkt , wo sich das zu einem Massenphänomen entwickelt?

Ist auch nicht so leicht zum erklären, das sind dann gesamtgesellschaftliche Entwicklungen. Ich muss dazu sagen , das mit diesem 50% und dieser einen Verschwörungstheorie stimmt zwar ziemlich sicher , nur da muss man abstufen, es gibt völlig absurde Verschwörungstheorien, da glauben 1 oder 2% dran. Da da geht's meistens um die Ermordung von Kennedy , mittlerweile können wir sogar sagen, 60% der Amerikaner zweifeln einfach an dieser offiziellen Erzählung, das ist durchaus Fakt. Wenn wir sagen , Barack Obama gehört zu den Lizard People oder die Reptiloiden im deutschsprachigen Raum, da glauben ganz ganz wenig daran. Da ist diese Abstufung noch sehr stark zu machen, das wird bis jetzt noch nicht so richtig gemacht, das heißt es gibt sicherlich einmal ist das Ganze thematisch so und und tritt das Ganze auf . Das ist das eine, das zweite ist natürlich - und das sehen wir sehr wohl aus der Geschichte, sobald das ganze mit Wirtschaftskrisen einhergeht kann das ganze gefährlich werden und so einem starken Muster werden. Da ist wiederum die Geschichte des Antisemitismus, die man sich immer wieder da genau anschauen muss. Und kulturell und was für mich ein ganz wichtiger Punkt ist , ist natürlich auch die Rolle der Wissenschaft und welche Rolle Wissenschaft überhaupt einnehmen kann in dieser Corona -Krise, weil wir einfach sehen , beispiellos wie selten zuvor , sind ganz viele Experten vielleicht auch erfunden worden, aber bzw sind Experten einfach wirklich ganz stark interviewt worden . Und man hat ganz viel Last diesen Experten eigentlich zugemutet . Während vieles eigentlich immer eine politische Entscheidung sein muss , man auf einmal die Wissenschaftler in den Medien und in der Öffentlichkeit und kommen geraten einfach extrem unter Druck. Das ist z.B. auch etwas , warum viele Leute auch zweifeln beginnen, weil wenn man im März noch bestimmte Modelle haben, die ganz andere Raten zeigen, und jetzt sitzen wir Ende August , Anfang September das, die Modelle sind nicht aufgegangen . Dann beginnen Menschen wirklich an den an den wissenschaftlichen Fakten zu zweifeln, was durchaus legitim und verständlich ist . Und dann kann eben eine Gemenge lage entstehen , wo diese Fakten und Fiktionen vermischen und dann kann das wirklich auch ein gefährliches Erzählmuster sein und dann kann auch sein, dass das bei vielen vielen Menschen der Fall ist . Noch ist das ganze so, dass das ein sehr übertriebener Diskurs ist, inwiefern? Insofern als wir sagen müssen: Deutschland ist so ein Land, wo es seh r viele Proteste gibt , wo das sehr stark medial einfach verbreitet . Wir reden aber von 38.000 Menschen, die in Berlin waren, gegenüber dieser großen Masse, die nicht empfänglich ist. Und das muss man auch immer so bisschen in dieser Relation sehen, aber ganz ähnlich haben wir es in Österreich, wo es ganz ganz viel weniger ist mit Protesten. Das heißt , wir sind bei weitem noch nicht soweit, dass man sagen könnte, das schwappt jetz so um, dass die Leute nur noch rebellieren und sagen, es war alles alles falsch. Ist nicht so. Kann aber bei bestimmten Konstellationen und wenn wirklich das mit Wirtschaftskrise und so weiter, wenn es ganz stark zutrifft und dann sind die se Erzählmuster , leider muss man dann sagen, jetzt schon angeleg, dass es ein sehr negatives Ende haben kann.

Was wäre ein negatives Ende?

Das sind dann wirklich gewalttätiger Rebellionen, di e es geben kann. Nur gehen wir nicht davon aus.

Aber das ist ja auch interessant bei diesen , entweder ich verstehe es falsch, aber die Verschwörungstheorien , die sehen das große Böse irgendwo im Hintergrund, des schaltet und waltet im Hintergrund , aber die haben ja eigentlich dann nicht, das ist ja nicht so, dass die dann irgendwelche alternativen Gesellschaftsmodelle hätten , wo man sagt , wenn ihr mir folgt und dann irgendwann sind wir die Mehrheit und dann machen wir die Gesellschaft so und so. Oder oder oder das nicht?

Gibt's schon . Das ist auch interessant , wi haben jetzt gerade mit einem ERC Consolidator Projekt von Michael Butter in Tübingen, da geht's sehr stark um den Zusammenhang zwischen Populismus und Verschwörungstheorien. Und wenn wir genau hinschauen , diese illiberalen Demokratien - wir sie m ittlerweile nennen müssen - in Hinsicht auf populistische Systeme, die machen genau das. Das ist ein klares verschwörungstheoretisches System, weil die Argumente die selben sind, nur sind die Leute jetzt an der Macht sind legitimiert und versuchen jetzt ganz klar das umzugestalten. Mein guter Kollege Eirikur Bergmann hat das jetzt zuletzt auf den Punkt gebracht und er nennt es eben Neo nationalismus, wirklich neo nationalism. Und wo er dann ganz klar sagt, wie wir sind gerade jetzt in einer Zeit und das merkt man ganz stark, wo ein externer Feind konstruiert wird , intern gibt's auch alle möglichen korrupten Menschen und gleichzeitig sind wir das Volk . Diese Parolen und diese diesen neue Nationalisierung , die sind jetzt ganz stark und da gehören Verschwörungstheorien extrem dazu. Das ist schon eine Art von von Weltsicht oder diese America -first -Ideologie , das ist schon eine Art von Weltsicht, die durch Verschwörungstheorien verbreitet wird , einerseits. Andererseits und das ist für mich immer ein interessanter Punkt: ganz viele meinem immer Verschwörungstheorien = Religion, weil es so belie ve system ist und es ist irgendwo der große böse Satan und so weiter und sofort . Nur ist das ist keine Religion, die irgendwo auf einer Erlösung hinsteuert. Das ist eine Religion, wo man immer nur, immer die Bösen braucht, damit es irgendwie funktioniert. D.h. man ist überhaupt nie zufrieden und das ist schon etwas, das macht es dann sehr schwierig , das wird auch politisch schwierig sein , das aufrechtzuerhalten. Klarerweise, man kann nicht immer nur darauf aufbauen ... Dasselbe mit der EU -Politik , die wir jetzt gerade sehr stark sehen, die dort in Brüssel... da verbinden sich jetzt einfach ganz viele Dinge. Was man auch sagen muss , ist, das Verschwörungs denken, wie wir es jetzt sehen , hat sich sicherlich aufgebaut: am 9/11 war einer dieser ersten Punkte, wo die erste Diskurse begonnen haben, die Weltwirtschaftskrise , die Flüchtlingskrise und jetzt haben diese Corona -Krise und diese vier Ereignisse kann man zusammenbinden diskursiv und kommt dann drauf, wo diese Erzählmuster sehr stark herkommen, die wir heute haben. Und das ist sicherlich so, wie werden irgendwann in in in in hundert Jahren wird es nicht das Zeitalter des Turbokapitalismus , sondern das Zeitalter der großen Krisen und das Zeitalter dieser großen Deutungen und dieser extremen Veränderung der vor allem westlichen Gesellschaft, das werden wir als Historiker dann , ich werde es sicher nicht mehr miterleben. Aber das wird ziemlich sicher so sein, weil wir einfach sehen, dass diese Kämpfe um Wahrheit diese Kämpfe um Informationen und daneben auch dieses : Was kann eine Verschwörungstheorie eigentlich machen im Zusammenhang mit Populismus ? Und das ist sicherlich so eine Zeit, das wird sehr interessant sein, das in der Endbetrachung sich das anzuschauen ein paar Jahre danach. Aber an sich stabilisieren , Verschwörungstheorien dienen auch dazu Herrschaften einfach zu stabilisieren klarerweise.

Wenn ich Sie richtig verstehe, gibt es da durchaus Parallelen bei Populismus und Verschwörungstheorien, die brauchen einander auch so ein bisschen. Um bei den Begrifflichkeiten jetzt vielleicht so bisschen die Orientierung reinzubringen, wir haben dann ja auch noch sowas wie Fake News z.b. Sind das dann so Versatzstücke aus Verschwörungstheorien, die dann gezielt irgendwo einzeln quasi verwendet werden oder ist es das zu trennen?

Ist eigentlich zu trennen, gehört aber auch zusammen. Insofern als ja Fake News sind ja eine eine bewusste Streuung eigentlich von Gerüchten. Und es gehört irgendwo zu Verschwörungstheorien dazu, wenn man aber Verschwörungstheorien jetzt auf dem Reißbrett definieren würden, würden wir sagen , eine Verschwörungstheorie ist große Erzählung, wo man dieses und jenes Element drin haben und bei Fake News ist das ja eigentlich nicht der Fall, sondern Fake News versuchen ja bewusste Desinformation unter die Menschen zu bringen . Wenn es aber so ist a la Donald Trump, wenn man das ganze so als als politisches System einfach haben , wobei bei Donald Trump ist das ja eher Bullshit , muss man dazu sagen. Bullshit im wirklichen Sinne, wie das philosophisch auch gemeint ist: das ist es ganzer bewusstes Desinformieren, ohne eine eigene Meinung zu haben, aber irgendwie alle schlecht zu machen . Dann kann das schon sein, aber in so politischen Systemen, dass Fake News eine klare Ingredienz von einem verschwörungstheoretischen Deutungsmuster sind. Also noch mal eben gehört getrennt, aber doch zusammen.

Wenn wir diese Punkte, die Sie jetzt angesprochen haben, wenn es doch um gesellschaftliche Strukturen oder Umstrukturierungen geht, sind wir ja dann doch auch bei der Frage Meinungsfreiheit, weil diese Dinge, die wir geschildert haben oder auch die Beispiele, die sie genannt haben: wir sehen uns ja einig, dass wir doch Verfechterinnen und Verfechter der Meinungsfreiheit durchaus auch als eben Eckpfeiler einer demokratischen Gesellschaft sind. Wie sehen Sie da jetzt die Entwicklung ? Weil Sie auch sagen, man kann das so in historisch Stufen sehen, wo sich das immer weiterentwickelt hat. Ist bei Verschwörungstheorien dann irgendwann die Eskalation sozusagen vorprogrammiert aus einem historischen Wachstums gedanken raus und ist die Meinungsfreiheit dann irgendwann einfach sozusagen aufgebraucht an einem gewissen Punkt oder wie wir würden sie das einschätzen?

Sehr sehr schwierige Frage, weil man da gar nicht so viele zu sagen können. Aber Verschwörungstheorien operieren in diesem Modus, von vornherein sind wir dagegen. Es ist von vorne rein klar, es ist eine Verschwörung. Es ist von vorne rein klar, die Eliten sind korrupt und von vorne rein lügt die Presse in diesem Terminus, schuld sind vor allem die anderen. Es ist ja genau dieses Muster, ansonsten ist es natürlich in der Demokratie erwartet man vom mündigen Bürger, dass er eine eigene Meinung hat oder sie , dass man multiperspektivisch denkt, dass man verschiedenste Medien sich anschaut. Das gehört ja alles dazu und das ist ja alles wünschenswert . Verschwörungstheorien sind, wenn man es genau betrachtet, nicht wünschenswert aus dem Grund, weil sie einfach gefährlich sein können, wenn es zu Gewalttätigkeit kommt, wenn man bestimmte Dinge einfach nicht macht und damit andere Menschen gefährdet . Das sind alles so Dinge, die haben eigentlich für mich mit Meinungsfreiheit gar nicht mehr so viel zu tun, sondern es ist eine kann ein bewusstes in Kauf nehmen, dass andere Leute gefährdet werden oder dass man gewalttäti g vorgeht gegen andere. Das hat eben deshalb nicht s mehr - für mich - mit diesen demokratischen Gedanken zu tun und da ist genau diese feine Linie, die wir jetzt wieder haben bei den Berli n-Protesten, wo genügend Leute auf die Straße gehen, die das nicht aus rechtsextremen Motiven machen, sondern weil sie Angst haben, weil sie Angst haben vor der nächsten Generation, weil sie nicht sagen können, wie geht's mit meinen Kindern weiter und das und das und das . Die gehen genauso auf die Straße und das ist ein legitimes Protest recht, wenn man so nennen will oder eine legitime Äußerung der Meinungsfreiheit. Und dann ist eben diese andere Seite am das ist, warum sich viele auch so eingeschränkt fühlen in der Meinungsfreiheit . Da wird es schwierig und bei Antisemitismus, um auf das zurückzukommen : ja gut , da haben wir eine klare Linie einfach gesetzt und das ist auch gut so und diese Linie ist auch nicht zu überschreiten, das ist dann relativ einfach. Das kann man immer als Einschränkung der Meinungsfreiheit sehen, aber es ist notwendig.

Interessant ist ja auch dass es da, weil sie jetzt auch Berlin wieder angesprochen haben , am vergangenen Wochenende auch schon davor, was man auch beobachten kann und das ist jetzt nicht nur deutsches Phänomen, i ch glaub, das ist in Europa im Moment , soweit ich dasdas beurteilen kann, generell zu beobachten. Wir haben , wie Sie schon angesprochen haben, diese rechtsextreme Richtung, populistische Richtungen, wo es jetzt aber wenig überraschend ist, dass die sich in auf in Krisenzeiten gerne mit solche r Muster bedienen. Was interessant ist, ist diese esoterischer Ebene, dass es da eine relativ große Gruppe an Menschen gibt, wo man - vielleicht sage ich es jetzt auch nicht korrekt, aber so der Einfachheit halber zusammengefasst unter Esoterik - da durchaus Anknüpfungspunkte in verschiedenen Verschwörungstheorien finden, wie z.b. , glaube ich recht beliebtes diese 5G -Strahlungs sache. Wie schätzen Sie diese Entwicklung ein ? Ist das auch ein typisches Muster oder kommt das für Sie überraschend, dass das auch aus diesem Bereich jetzt so stark kommt?

Das ist ein ganz typisches Muster. Man kann - das hat ein Kollege von mir mal gemacht - es gibt genügend Zeitschriften, di e aus diesen Milieu kommen, die kennen wir schon seit Anfang des 20. Jahrhunderts. Wenn man die mal durchliest, dann kommt man auf sehr starke verschwörungstheoretische Muster . Was nicht heißen soll, dass dies alles Verschwörungstheoretiker sind, aber es sind aber diese Argumentationsmuster ganz klar da. Und da geht's ja auch so bisschen um diese.... Esoterik bedeutet ja nicht zuletzt eben auch, dass man ja diese größere Erkenntnis einfach hat und diese größere Möglichkeit, sich zu vervollkommnen und so weiter und so fort . Gleichzeitig ist da ein ganz starker Zusammenhang mi, da geht es auch um korrupte Eliten und Strahlung. Es ist relativ klar, wenn man sich das anschaut. Überhaupt nicht überraschend. Übrigens auch schon zurückgehend auf das 18. Jahrhundert , wo diese esoterischen Strömungen sehr stark, da findet man das auch schon. Das ist dann was ich wiederum gemeint habe, das s praktisch die Dinge, die gehen jetzt alle auf.

Es macht alles so viel Sinn plötzlich. Vielleicht würden die anderen sagen, wir sind die Verschwörungstheorie. {lachen}

Das ist aber ganz schrecklich. {lachen} Dann sitzt man dann da und das geht dann alles auf und plötzlich ist dann das auch praktisch, das dann alles Sinn und da müssten wir uns dann selber ... ja wir gehören zum System und sind praktisch die Verschwörung.

Da geht's ja auch viel um dieses kritische Hinterfragen , also das Verwenden die Personen ja dann doch durchaus selber oft, das liest man immer wieder oder kann das dieses "Wacht auf" und meine Assoziation, wenn ich kritisches Hinterfragen höre, ist eigentlich so die Aufklärung, das ist diese Epoche gewesen, wo wir das gelernt haben und das ist ja eigentlich als positiv , was positiv Assoziiertes . Ist es damit in Verbindung zu bringen und geht das ein bisschen zu weit oder auch nicht? Ist es die Begrifflichkeit aus der Zeit raus?

Das Schwierige daran ist das folgende: Es wär schon die Begrifflichkeit vorhanden, weil ich es immer wieder erwähnt habe das 18. Jahrhundert . Wir sehen aber auch , ein Erbe der Aufklärung sind Verschwörungstheorien , ganz stark . Und wenn man sich die Texte genau anschaut, dann ist es extrem stark einfach vorhanden, eben auch dieses narrativ, die Schuldigen und das und das und das und das , einerseits. Andererseits eben auch diese große Kritik, auch der mündige Bürger , dieses Multiperspektivische, das ist hier alles angelegt und das ist diese große Spannung, die man diese m Aufklärungdenken einfach drin haben und das ist die große Spannung, die wir auch heutzutage genauso sehen. Bin ich noch kritisch oder bin ich schon Verschwörungstheoretiker, wann kippt das Ganze dann einfach um und in welche Richtung schlägt das Pendel aus? Und das ist etwas , wo auch die Forschung im Übrigen noch nicht soweit ist, dass man es einwandfrei einfach feststellen kann. Wann das Ganze kippt, das können die Psychologen auch noch nicht ganz klar einfach sagen.

Aber das meine n Sie jetzt auf seiner individuellen Ebene oder meinen Sie ... Oder gibt's eigentlich eine Lebensdauer für eine Verschwörungstheorie, so eine durchschnittliche?

Verschwörungstheorien gibt es zu jedem Mist, muss man genau zu sagen . Es gibt unfassbar viele und und es gibt so viele unsinnige und die verschwinden auch sofort wieder und dann gibt's bestimmte Muster, die sich wirklich halten und dazu gehören eben die Illuminaten , da gehören die Freimaurer dazu. Da gehören die jüdischen Unternehmerfamilien dazu oder überhaupt die jüdischen Unternehmer . Interessanterweise - über das haben wir noch gar nicht gesprochen - da gehören auch am Kosmopoliten dazu. Das finden wir auch schon seit dem 18. Jahrhundert , diese Vorstellung der Verschwörung gegen die Nation. Das ist ein ganz starkes Muster, das wir immer und immer wieder haben und dazu gehören so korrupte Eliten einfach dazu, das ist etwas, bestimmte Muster haben sich einfach extrem durchgehalten durch die verschiedensten Jahrhunderte hindurch. Das mit den Reptiloiden wird sich z. B. - noch hälts - aber das wird sich nicht wahnsinnig lange halten.

Wieso? Weil es zu absurd ist?

Genau ja.

Und das mit den Kindern, die entführt werden?

Das ist auch ein Muster, muss man ehrlich sagen, dass ich auch nicht neu, sondern dieses auch aus etwas, was man im Antisemitismus auch schon hatte. Und diese diese klaren Geschichten vom Simon von Trient und so weiter und da geht's eigentlich um nichts anderes . Auch das Anderl von Rinn. Das ist teilweise einfach sehr stark kulturell drin, viele würden jetzt sagen um Gottes Willen, wie kann man das mit Antisemitismus vergleichen, da geht's um ganz andere Dinge, aber das sind... Da geht's um Blut , da geht's um die Kinder , die entführt werden. Und d as sind doch auch so Erzählmuster, die in einer sehr extremen Form mittlerweile jetzt aber schon einfach vorhanden sind. Aber diese ganzen QAnon , die sind sehr sehr schwierig genau durchliest, sind die vollkommene r Unsinn. Das sind im Endeffekt nur ganz kleine Botschaften, fahrt's dorthin, dort gibt es Kinderpornografie , deckt es auf . Und da gibt's wirklich Leute, die fahren dann hin und dann passiert nix . Pizzagate war so ein Beispiel, wo das genau passiert ist, wo die Leute wirklich aufgewiegelt wurden und es fast eine Art von Terrorakt gegegben hat, das ist ganz ganz schlimm. Über QAnon wissen wir gar nix, also über dieses Kollektiv oder ist es eine Person , sind es mehrere , wie schickt er das herum, ist das ein er oder eine sie. Da gibt's noch ganz viele Dinge, die völlig unklar sind, aber dass diese QAnon-Leute wirklich auch noch Einfluss gewinnen, das ist sehr schwer zu akzeptieren . Das ist wirklich völlig absurdes, völlig krudes Denken , wenn man sich das wirklich genauer anschaut. Und trotzdem finden wir Versatzstücke aus dem Antisemitismus dort wieder.

Okay, das heißt die Lebensdauer... Also eine gute Verschwörungstheorie ist schon zumindest halbwegs plausibel , nach menschlichem Ermessen. So wie Sie sagen, diese Reptiloiden , da....

Es ist vielleicht gemein, ganze Fußballstadion werden ausverkauft für Anhänger der reptiloiden Verschwörungstheorie. Vielleicht ist das gemein, vielleicht wird es das doch länger geben. Aber ich denke immer gesamtgesellschaftlich und an diese großen Diskurse und da gibt's aber z.B. das mit den Illuminaten haben wir bis heute. Und wenn sich eine Verschwörungstheorie über mehrere Jahrhunderte hält, dann ist es irgendwo, das heißt nicht, dass es stimmt, aber das heißt nur, dass es ein Erzählmuster, das sich einfach etabliert hat .

Mir ist jetzt ein Begriff hängen geblieben, den Sie vorher erwähnt haben von einem Kollegen von Ihnen, glaub ich, dass die Verschwörungstheorien -Geschichte so bisschen die history of losers ist. Jetzt habe ich aber doch den Eindruck , auch bei dem was Sie jetzt noch geschildert haben mit der Kinder -Verschwörung. Das ist doch schon teilweise wirklich höchst professionell aufgezogen . Also die Art und Weise, wie das gemacht wird, wie es organisiert wird, dann gibt's da ja wenn man YouTube, das sind ja hoch professionell produzierte Videos, da gibt's Publikation en , Bücher . Eine ganze , weiß nicht, ist das eine Form von Industriesektor oder so ? Also, das ist ja dann schon irgendwie, das ist jetzt nicht so, dass das irgendwelche völlig dilettantisch aufgezogenen Dinge dann sind.

Genau das Gegenteil ist der Fall. Ich glaube, dass man nur Erfolg haben kann mit diesem Meinungen wenn das medial gut gemacht ist . Eigentlich kann man sich von denen sogar etwas abschauen, wenn man einfach sieht, die sind hoch erfolgreich, die haben Klickzahlen ohne Ende, warum schaffen das andere z.b. nicht. Nein, das soll nicht heißen, dass das dilettantisch ist, sondern es ist wirklich das Gegenteil der Fall , da stehen ganze Medien imperien eigentlich dahinter. Nur wo man hinschauen muss und das ist noch was anderes , wer sind denn eigentlich die Leute. Und das ganz erstaunliche ist, wir sehen bei Verschwörungstheoretiker Innen, sehr sehr oft eine persönliche Krise, einerseits. Andererseits, dass diese Menschen oftmals aus dem Journalismus betrieb sind und dann ausgeschlossen wurden und und jetzt praktisch einen Rachefeldzug gegen alle führen. Das findet man bei so Leuten wie den KenFM, Ken Jebsen, der in Deutschland eine wahnsinnig große Anhängerschaft hat und natürlich praktisch dich von diesen großen Sendern entfernt wurde, das findet man bei einer Eva Herman, das findet man mittlerweile bei einem Xavier Naidoo undsoweiterundsofort . Das sind alles Leute, die mit der starken persönlichen Krise, einer starken persönlichen Kränkung zu leben hatten und meistens sogar Leute sind, die relative Machtpositionen haben, wo wir zu dem zurückkommen und die jetzt sind sie dann wieder dort, dass sie wieder eine Machtposition inne haben. Und deshalb sind diese Dinge auch gut gemacht, weil die Leute wissen auch , wie sie überzeugen können . Das ist ein ganz großes Problem in der Wissenschaftskommunikation, da wir halt oft nur sagen können, dass ist vielleicht so, muss man noch überprüfen und dann müssen wir nur das schauen und da sind wir uns nicht ganz sicher und da müssen wir noch zwei Jahre testen. Und bei Verschwörungstheoretikern, die können auch einfach sage n, es ist von vorne rein klar, was passiert ist.

Die haben die Lösung schon.

Die Lösung ist schon da.

Das war jetzt, weil Sie das Thema Wissenschaftskommunikation ansprechen , das hat das dann wahrscheinlich auch noch befeuert, dass der wissenschaftliche Prozess per se bei vielen Menschen nicht geläufig ist. Dass es durchaus - wenn ein Virologe oder eine Virologin im März etwas gesagt hat, das im Mai revidiert, durchaus eher als positiv zu sehen ist als als negativ, weil es einfach Fortschritt gibt und man mehr lernt. Das befeuert dann natürlich sowas noch zusätzlich.

Ganz stark.

Ich möchte nochmals betonen, dass wir duch Corona eine extreme Präsenz dieser ganzen Thematik haben, aber - wie Sie jetzt das ja schön dargelegt haben, die Menschheitsgeschicht e sozusagen begleitet. Haben Sie eine Verschwörungstheorie, die Sie besonders fasziniert auch aus der Geschichte?

Für mich relativ leicht, weil ich aus dem Bereich komm. Für mich waren das immer die Illuminaten. Einfach aus dem Grund, weil ich mich mit diesem Orden auch als ganz normaler Historiker damit beschäftigt habe und mir das angeschaut habe. Und dann dieser ganze Diskurs der Verschwörung, der dann dort drüber lliegt und wie die Menschen wirklich dazu kommen, diesem Orden das eigentlich in die Füße zu legen. Bzw das ist ja eigentlich so, die haben sich zwar schon verschworen, aber in einem ganz kleinen Ausmaß, weil das auch so angelegt war. Aber diese Weltherrschaft sfantasien, die von diesem Illuminatenorden ausgehen, sind hochfaszinierend. Und noch faszinierender ist , wie das Ganze sich transformiert und immer und immer und immer weiter erzählt wird und das ist mich sondern ein Muster, da könnte man noch ganze Bücher darüber schreibe n, wenn man die Zeit dazu hätte. Aber das ist schon etwas, wo man wo man sieht , wo man sehr aufpassen muss, . Man sieht hier auch, wie Geschichte geschrieben wird. Man sieht, wie sich politische Meinungen, wie die entstehen rund um diese Verschwörungstheorie. Man sieht , was bei dieser Deutung der Illuminaten, was da noch alles damit zusammenhängt, dass ganze gesellschaftliche Positionen bauen sich dann anhand dieser diese Deutungen über die Jahrhunderte hinweg auf .

Wir hat das konkret so groß werden können ? Also, was war da jetzt so Ihrer Meinung nach , was waren die Entwicklungsschritte , die das jetzt zu einer Verschwörungstheorie werden haben lassen, die bis heute funktioniert über diese lange Zeit?

Das war ganz klar die Französische Revolution . Di e Illuminaten sind eigentlich schon vor der Französischen Revolution entdeckt worden und dann hat es eine Gruppe gegeben, die immer gegen sie gekämpft hat, dann sind die entdeckt worden, dann haben sie gedacht wunderbar, jetzt können wir den endlich einmal einen auswischen. Dann ist eine ganz kleine Gruppe von deutschen Protestanten und teilweise noch verschiedenste andere Leute, die von den Illuminaten sehr stark unterdrückt wurden. Und die haben dann mehrere anonyme Schriften geschrieben, dass die Französische Revolution ist absolut zurückzuführen auf die Reise eines wichtigen Illuminaten nach Paris, der hat sich getroffen mit Aufklärern unter ein Jahr danach ist die Französische Revolution ausgebrochen. Und die Französische Revolution war von dieser Weltwirkung, die sie dann hatte und vor allem bei diesen verschwörungstheoretischen Muster , unglaublich , das hat sich über den ganzen Globus verteilt . Und genau diese Schriften dieser eigentlich gar nicht so wichtigen deutschen Geg enaufklärer haben es geschafft , dass dann verschiedenste andere Leute , ein französischer Jesuit, ein schottischer Professor für Physik, dass die Bücher geschrieben haben, die man bis heute liest, die ganz bewusst die Französische Revolution deuten als Verschwörung der Illuminaten. Und die Bücher werden wirklich bis heute gelesen, weil da kommen jetzt die neuesten Reprints heraus und die sind dann in der 127. Auflage und sonst irgendwelche Dinge. Mag auch übertrieben sein, aber sie sind immer und immer und immer wieder gelesen worden und so hat sich dieses Muster von den Illuminaten zu sprechen als den großen Bösen hat sich wirklich global einfach verteilt. Das ist das Faszinierende an dieser Verschwörungstheorie, dass sie ein Konflikt war, ein deutscher Konflikt, der sich völlig übertragen hat er auf die ganze Welt .

Also auch so ein Distribution serfolg, weil wenn Sie , das wird bis heute gelesen wird es nicht aus einem historischen Interesse gelesen, sondern weil man das auch sich so erklären möchte .

Da gibt es eine Vielzahl von YouTube-Videos, die sind für einen Historiker vollkommen absurd, weil da werden dann diese Bücher herausgezogen aus dem 18. Jahrhunderts und dann gibt's einVideo drüber. Hier steht drin, wie die Welt ist, wie sie ist. Wo man sich denkt, das ist faszinierend , weil das sind einfach ganz bewusste, inszenierte Verschwörungstheorien, die heutzutage als bare Münze einfach genommen werden völlig ohne Kontext.

Ich habe noch einige Fragen , da tun sich viele Aspekte auf, die man vielleicht gar nicht so am Schirm hat zunächst einmal. Aber wenn wir jetzt schon bei dem sind und das wollte ich eigentlich erst später fragen, aber dann ziehen wir es jetzt vor. Da gibt's dann YouTube -Videos, wo irgendjemand uneingeordnete, unreflektiert etwas zitiert und sagt schau, die haben das , das sind ja dann oft diese Aufdecker , schau der d damals schon gewusst und geschrieben. Wir hatten jetzt schon das Thema Wissenschaftskommunikation, was kann man denn dagegen tun oder was würden Sie , wenn es jemand zu Ihnen kommt und das sagt, der hat es in dem YouTube-Video gesagt und du siehst ja, da gibt's diese Publikation. Sie kennen das Buch auch. Was sagen Sie dann dazu ? Was muss man da tun? Einordnen oder diskutieren?

Es gibt Dinge, die helfen, die ganz banal sind, das kann ich deshalb sagen, dass sie helfen, weil hier gibt's empirische Studien dazu, wo vor allem Stephan Lewandowsky nachweisen konnte, es funktioniert und das einfachste ist wirklich diese ganz banale Quellenkritik. Wer spricht , was wird gesagt? Welches Medium ist es, welche Information wird verbreitet und was will mir der überhaupt sagen? Und diese Einordnung ist einfach ganz ganz ganz wichtig, man muss sich schon anschauen , wer singt denn die Leute, die das jetzt gerade sagen. Und wenn in dem YouTube -Video, wenn man dann wieder schaut . Ich denke gerade das mit dem Illuminaten im englischsprachigen Raum, wo immer das Buch hergezeigt wird von John Robison . Da sieht man z.b. das sind zum Großteil Leute, die kommen aus dem "Truth Movement", was sich rundum 09/11 gebildet hat. Also die Leute , die die Wahrheit wirklich haben, das sieht man schon ja schon okay, vielleicht sollten man da vorsichtig damit umgehen. Das Wichtigste ist übrigens nach dieser Quellenkritik - sagt eben auch Lewandowsky , das kann er sehr schön zeigen : das Verbreiten und Teilen ist eigentlich das größere Problem ist, als dass man das anschaut und sich denkt, ja ist eh ganz schön, aber wenn ich es dann in meinem ganzen Netzwerk wieder teile, dann wird es einfach verbreitet und verbreitet und das kann dann zu großen Problemen führen, weil sich diese Informationen sehr sehr schnell dann einfach in die ganze Welt verteilen. Ich werd das ganz häufig gefragt, was kann denn YouTube machen: um ehrlich zu sein, müsste YouTube immer, nicht sofort die Dinge teilen lassen, sondern dann noch mal nachfragen : sind Sie sich sicher, dass sie das teilen wollen? Es klingt immer so banal, aber in unserer Zeit ist es wirklich so. So häufig werden Dinge einfach geteilt und man bekommt irgendwelche Dinge zugeschickt, und übrigens auf der Fall, der passiert mir ja ganz häufig : Ich habe ein Interview von Ihnen gelesen und dann habe ich mir das YouTube -Video angeschaut. Der sagt genau das Gegenteil von Ihnen - sagen Sie was dazu. Da kann man oft auch gar nichts sagen um. Ok ja, ich muss mir das erst mal anschauen und dann müssen man ihm erklären, achso das ist ja der, der war früher mal beim ARD, dann hat man ihn rausgeworfen wegen Antisemitismus oder anderen Dingen oder vielleicht war der korrupt und jetzt macht er halt solche Videos . Vielleicht denk en wir uns dann etwas dabei , warum der solche Videos macht. Leider machen das nicht so viele. Ist aber eine große Aufgabe . Und das andere ist sicherlich, die scientific literacy, wie man mittlerweile dazu sagt , ist, dass , dieser Prozess, das s eigentlich Wissenschaft dazu aufgefordert ist, zu zeigen, wie Wissenschaft funktioniert in der Öffentlichkeit ist vielleicht sogar eine sehr , sehr positive Entwicklung der Coron a-Krise . Sie haben es eh auf den Punkt gebracht, wenn der Virologe im März etwas anderes sagt als im Mai, dann heißt es im Endeffekt nur, der weiß jetzt mehr . Und kann dann bestimmte Dinge falsifizieren und kann sagen, diese Hypothese war falsch und das muss man eben zeigen lernen, vielleicht auch medial so gut aufbereitet wie das die Verschwörungstheoretiker machen.

Wie Sie gesagt haben, da könnte man vielleicht noch was lernen.

Wahrscheinlich schon. Ganz viele gehen jetzt dazu über und machen diese Videos lächerlich und so völlig verächtlich und so ein wahnsinniger, wie kann denn der das nur sagen und der ist dumm und das und so weiter. Da wissen wir aus genügend psychologischen Studien, da passiert genau das Gegenteil , die Community der Dichter bringt, nichts Satire ist vielleicht ein gutes Mittel, aber das ist vielleicht nicht das richtige Mittel, um diese Leute dazu zu bringen, dass sie bekehrt werden, wenn man das so sagen darf, wobei das nicht ganz richtig ist. Ich denke sowieso, der Josef Hader hat es hier probiert , ganz stark in einem Video während der Corona - Krise und das Videos ist ganz viel gesehen worden und hab es selber extrem lustig gefunden, aber ob es jetzt leitet dazu bringt, anders zu denken,

Achso diese Serie, die er da gemacht hat. Ja, ja, ja ja, vielleicht wäre das ein Weg.

Wie gesagt, das kann einer sein. Das müsste man dann noch mal anschauen, aber es ist wirklich leicht. Also, es gibt überhaupt nicht so viele Dinge , um Menschen so zu überzeugen, wenn sie einmal so eine festgefügte Meinung haben, dass sie wieder von dem Weg kommen . Es ist schwierig genug , das zeigt auch die Antisemitismus -Prävention, das ist ein sehr sehr schwieriges Feld. Es gelingt manchmal , aber es gelingt in vielen Fällen einfach nicht .

Was haben Sie jetzt , nachdem Sie sich schon so lange intensiv mit der Thematik befassen, was haben Sie jetzt im Moment für ein Gefühl? Wie geht es weiter, was für eine Perspektive könnte das jetzt haben? Ist das jetzt der kritische Punkt schon oder würden Sie sagen , bis zum gewissen Grad normal in so einer Pandemie -Situation. Das ist jetzt auch nicht was Alltägliches, das ist für viele Menschen einfach schwierig. Da geht's um Existenzen , Angst ist ein Motiv, das legitim ist und nachvollziehbar ist und Menschen gehen dann unterschiedlich damit um. Also eher so in die Richtung? Oder halten Sie das jetzt langsam für eine kritische Entwicklung?

Die Entwicklung ist sogar sehr kritisch , weil noch kein richtiges Ende in Sicht einfach ist. Eigentlich haben sich jetzt erst alle Erzählungen alle miteinander verbunden. Diese Proteste , zwar in Deutschland sehr stark, aber die gibt's schon mittlerweile in verschiedensten anderen Ländern auch. Wie gesagt, man darf das nicht überbewerten, aber was soll danach kommen ? Und das ist genau diese Schwierigkeit und wenn wir dann wirklich uns anschauen die Prognosen für Wirtschafts wachstum und so weiter, möchte man ja nicht zu schwarz sehen, aber es ist jetzt nicht unbedingt eine leichte Zeit. Gerade auch was auch dieser Einfluss des Verschwörungs denkens einfach betrifft. Aber: muss man auch immer dazu sagen, so viele Regierungskritiker, wie es europaweit gibt, am gi bt's auch diese große andere Seite der großen Zustimmung und die muss man wahrscheinlich auch hervorheben . Aber das Schwierige ist jetzt einfach das, die Geschichte zeigt ja eigentlich, wenn wir so starke Krisen haben und dieses Verschwörungs denken dazugehört, ist immer eine gefährliche Situation vorhanden . Ich denk nur in der Französischen Revolution ist das dann umgeschlagen i in ein diktatorisches Regime. Nach dem ersten 1. Weltkrieg wissen wir alle, wie das Ganze ausgegangen ist und das ist aber auch etwas, wo ich eben immer davor warne: Nur weil diese historischen Parallelen gibt, heißt das noch lange nicht, dass das 2021/22 oder 23 dann irgendwo in eine Richtung geht, um Gottes Willen ist, es deutet sich ein Krieg an . Das wäre vollkommen falsch, sondern man muss sich einfach anschauen, wie das Ganze überhaupt weitergehen kann. Ich habe schon das Gefühl gehabt, als der Lockdown dann einmal vorbei war , war kurzzeitig mal eine Entspannung, was das Thema auch betrifft. Und jetzt durch die Proteste geht's jetzt wieder hinauf . Und bei den Protesten ist ja diese große Schwierigkeit die - und das wird noch ganz ein interessantes Thema sein, was heißt überhaupt Menschenrechte - weil sich ganz ganz viel e auf ihre Menschenrechte jetzt beziehen. Und ist es nicht doch auch Sinn und Zweck der Menschenrechte, dass die Menschen von einem staatlichen Gefüge beschützt werden und das ist so eine Frage, die wird noch ganz ganz interessant .

Wie meinen Sie das? Woher dieser Zweifel an staatlichen Strukturen kommt?

Nein, dieses extreme beziehen, das machen jetzt ganz viele, das ist ja mein Menschenrecht, dass ich das und das mache , einerseits. Andererseits ist es nicht doch auch ein Recht des Menschen beschützt zu werden vor Krankheit , vor Ansteckung . vor von mir aus Terrorismus. Das ist so etwas, da passt die Erzählung zurzeit nicht so ganz . Gerade bei diesen Menschen, die jetzt verstärkt auf die Straße gehen. Das ist schwierig genug und das ist aber Gott sei Dank, muss man sagen, nicht die Aufgabe der Wissenschaft, sondern das ist die Aufgabe der Politik hier geeignete Erzählungen und geeignete Vertrauens bildungsmaßnahmen zu entwickeln und zu konstruieren.

Ist das eigentlich, was ich mir jetzt auch als Frage stelle, die Geschichte der Verschwörungstheorien oder die Verschwörungstheorien selber ist das etwas europäisches oder etwas US-amerikanisches . Weil wir sind eigentlich immer stark auch jetzt im ganzen Gespräch in fast einer Stunde sehr stark auf diese - Europa und USA - fokussiert . Ist das ein spezielles Phänomen aus dem Bereich der Erde und des in anderen Teilen der Welt funktioniert das anders?

Da gibt es zwei Ansichten dazu. Die eine ist, dass wir es eben als anthropologisches Muster haben, das s es ist praktisch über den ganzen Globus verteilt ist. Da kann ich als Historiker nur dagegen sein . Das Zweite ist , dass es schon eine sehr starke westliche Prägung ist. Wenn wir genau hinschauen, ist sehr viel des westlich europäischen Verschwörungs denkens übertragen worden in die USA und dann ist es sicherlich so in der Zeit des Kalten Krieges, da ist das erst dann so richtig publik , wenn man dann westlich reden, natürlich auch osteuropäisch ganz stark und noch mal ganz anders gewichtet in dieser starken Prägung gegen die USA und so weiter und so fort. Wir haben schon diese verschiedensten Versatzstücke, wo man sagen könnte, es ist eher ein europäisches Phänomen, edass übertragen wurde in die Welt. Das sehen wir sehr stark auch beim bei exportiertem und importiertem Antisemitismus, der sich dann einfach weiter zeigt. Aber - das muss ich eben einschränken - vielleicht ist es auch so, weil wir hierüber einfach sehr viel Wissen und über verschiedenste andere globale Kulturen noch viel zu wenig Bescheid wissen , als dass wir wirklich das so sagen könnten. Aber Stan d heute wäre, dass wir sagen würden, es ist ein eine europäische Sichtweise, die exportiert wurde . Aber in einem anderen, hoffentlich jetzt dann genehmigten Forschungsprojekt bei der DFG geht's genau auch um diese Frage, wie ist das eigentlich wirklich global und ist es z.b. in Afrika, wo wir ganz ganz wenig Wissen, riesengroßer Kontinent, wahnsinnig viele Menschen, wir wissen nur von ein paar Anthropologen, dass das Verschwörungs denken stark ausgeprägt ist, aber eher lokal. Aber ob es dort auch diese großen Erzählungen gibt, das ist noch in den Kinderschuhen , das kann man gar nicht so sagen .

Das wäre meine letzte Frage für heutezumindest gewesen: Woran arbeiten Sie im Moment ? Oder was sind jetzt die Perspektiven Ihrer Arbeit ? Nimmt diese Krise jetzt da konkret Einfluss oder sind Sie jetzt trotzdem oder vielleicht sogar noch mehr auch an den bestimmt en historischen Entwicklungen jetzt dran? Oder wie kann man sich das jetzt im Moment vorstellen als Verschwörungstheorieforscher?

Zwei Bereiche: einerseits geht's mir jetzt ganz stark um politische Bildung und wie man mit der politischen Bildung wirklich soweit sich entwickeln kann, dass man mit diesem Phänomen umgehen lernt, das ist ja sehr schwierig, aber das ist ja eine ganz wichtige Frage zur Zeit . Wie bringt man denn das ganze jetzt zu den, im Endeffek von der frühkindlichen Bildung bis zu Erwachsenenbildung, was muss man da jetzt eigentlich alles machen und das ist eine ganz große Aufgabe. Und das zweite ist schon das, dass ich ganz bewusst jetzt gerade dabei bin auch mit Kollegen uns eben diese Genese oder die Genealogie dieses Verschwörungs denkens, das wir jetzt haben, dass man das noch viel viel genauer anschauen, woher kommt das alles. Das haben wir eigentlich noch nie gemacht, dass dieses Verschwörungs denken zunimmt seit 9/11 ist ganz klar, aber eigentlich haben wir uns noch nie so genau angeschaut, warum das eigentlich ganz genau der Fall ist. Sind es nur diese Krisen oder es ist doch dieses Informationszeitalter , sind es doch so viele enttäuschte Menschen ? Das ist sicher jetzt eine Aufgabe, die man sehr stark historisch angehen kann, aber schlussendlich nur interdisziplinär lösen kann. Und das ist sicherlich jetzt eine Aufgabe, die wird noch Jahre dauern, ganz sicher sogar , weil es gar nicht so leicht ist, diese ganzen Diskussion überhaupt auseinanderzuhalten. Und das dritte ist, das ist auch ganz wichtig unserer Ansicht nach, wir schauen uns jetzt ganz verstärkt noch einmal an 16., 17., 18. Jahrhundert, wie hat sich dieses Muster wirklich so etablieren können, dass es sich im 18. Jahrhundert so entwickelt hat, dass wir heutzutage sagen können, dass ganz viele dieses 18. Jahrhundert zurückgeht , das ist praktisch diese Vorgeschichte des europäischen Verschwörung denkens.

Wie ist denn die Forschung rund um Verschwörungstheorien in der Geschichtswissenschaft zu verorten? Finden Sie , dass sie den Platz hat , den sie verdient ? Weil eigentlich wenn wir uns anschauen , was das eigentlich für gesellschaftliche Auswirkungen hat und wie dominant das jetzt ist, und wir das jetzt gerade aktuell wieder so extrem erleben, weil sie auch den Ausbildungs sektor angesprochen haben. Finden Sie, dass das oder wie ist das im Fach zu beurteilen ist , hat das die große Repräsentanz, die sie bräuchte?

Nein, hat es nicht, das muss ich jetzt sagen. {lachen} Nein, aber hat sie wirklich nicht , aber das hat mehrere Gründe. Es ist ein Thema, das kann man nicht nur historisch behandeln , es muss interdisziplinär behandelt werden. Das ist einmal so ein erster Punkt , das heißt die Historiker müssen sich bewegen, ich hatte damit nie ein Problem. Manche haben das vielleicht doch und wollen halt mehr an ihrem Fach bleiben. Kann ich verstehen . Das zweite ist, dass man Verschwörungstheorien immer so ein bisschen als das abseitige Thema behandelt hat - im Sinne von , ja, sind diese komischen Theorien, die haben keinen Einfluss und das und das. Und d man kommt dann selber ein bisschen in das Fahrwasser. Ach, du beschäftigst dich damit Freimaurer -Verschwörungstheorien, wahrscheinlich magst du auch die Freimaurer und so weiter. Da s sind immer so Dinge, wo man sich denkt, nur, weil ich mit mit Antisemitismus beschäftigen muss ich nicht ... Das ist immer schlechtes Argument . Ich glaube aber, das sieht man jetzt schon, dass durch diese große Präsenz wird es sicherlich verstärkt gemacht werden in nächster Zeit. Von dem gehe ich eigentlich sehr stark aus, aber man darf eins nicht vergessen, wenn man das tut, hat man immer auch diesen gesellschaftlichen Bezug , mit dem muss man auch leben lernen. Das ist gar nicht so leicht. Die meisten Historiker - bis auf die Zeit historiker , die haben das schon sehr stark - aber bei den anderen ist der gesellschaftliche Bezug in dieser Form gar nicht so stark da , dass sie dann immer mit Öffentlichkeit einfach zu tun haben. Das mögen auch viele gar nicht, aber das kommt. Und ich glaube gerade, dass die Geschichte eine Disziplin ist und sein wird , die viel zum Verständnis dieses Phänomens Verschwörungs denken, Verschwörungstheorie beitragen kann und muss. Aber noch ist es wahrscheinlich noch nicht ganz so weit , um ganz ehrlich zu sein. Witzigerweise im englischsprachigen Raum ist man schon ein ganzes Stück weiter . Da gab es auch ein ganz großes Projekt an University of Cambridge , wo es um Democracy und Conspiracy ging, die haben wirklich 6 Jahre ganz bewusst alles zusammengetragen, was es überhaupt gibt. Oder auch unser großes Projek t, das Sie angesproche n, COMPACT, da muss man auch sagen, das sind Historiker völlig unterrepräsentiert. 50 Prozent unserer 140 Leute sind sogar Psychologen. Alle anderen historisch arbeitenden Disziplinen wie Literaturwissenschaftler oder die Politikwissenschaftler sind ja auch noch etwas unterrepräsentiert. Die Prognose ist für mich ganz klar, dass hier verstärkt es Forschungsinteresse eigentlich kommen muss.

Mit dieser Perspektive , das lassen wir mal so stehen, würde ich sagen und halten uns die Option offen, dass wir uns dann in absehbarer Zeit vielleicht über die Fortschritte in dem Gebiet noch einmal unterhalten. Für heute danke ich ganz herzlich für das Gespräch,

Ich sag auch vielen Dank.