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Zeit für Wissenschaft 040: Meeresspiegel - Ozeanografin Dr. Kristin Richter im Gespräch.

Melanie Bartos: Eine neue Ausgabe von „Zeit für Wissenschaft“, dem Podcast der Universität Innsbruck. Ich bin Melanie Bartos und ich freue mich heute Frau Kristin Richter bei mir begrüßen zu dürfen. Kristin, herzlich willkommen bei „Zeit für Wissenschaft“.

Kristin Richter: Danke für die Einladung.

Melanie Bartos: Kristin, du bist Ozeanografin und du bist Postdoc am Institut für Atmosphären- und Kryosphärenwissenschaften hier an der Uni Innsbruck. Und im Mittelpunkt deiner Arbeit steht ein Thema: Das ist der Meeresspiegel, mit dem du dich aus ganz verschiedenen Perspektiven beschäftigst oder der einfach ganz wichtig in deiner Arbeit ist. Lass uns doch einmal ein bisschen in deine Arbeit reinblicken, was du dir da ansiehst, weil Meeresspiegel sagt jedem und jeder etwas. Ist auch viel - und da werden wir sicher noch drauf kommen - im Zusammenhang mit dem Thema Klimawandel in Diskussion; aber was ist jetzt dein Interesse in dem Bereich.

Kristin Richter: Ich beschäftige mich mit dem Meeresspiegel, genauer gesagt mit Veränderungen im Meeresspiegel - sowohl in der Vergangenheit als auch zukünftige Veränderungen. Und was mich besonders interessiert: Man hört immer viel vom globalen Meeresspiegel, mit dem kann man eigentlich relativ wenig anfangen. Mich interessieren besonders regionale Veränderungen. Was trägt zur regionalen Veränderung bei? Welche Prozesse sind das? Was für Veränderungen können wir erwarten? Gibt es zum Beispiel Regionen, die sich auf sehr große Veränderungen im Meeresspiegel einstellen müssen oder gibt es Regionen, in denen nichts passiert? Und warum ist das so? Wie war das in der Vergangenheit? Wie wird das in der Zukunft sein? Gibt es da gewisse Veränderungen? Und natürlich ein großes Thema ist der anthropogene, also der Mensch gemachte Anteil am Meeresspiegelanstieg, der mich interessiert.

Melanie Bartos: In meiner Wahrnehmung oder wenn man die Medienberichte darüber verfolgt, dann ist ja immer von dem Meeresspiegel die Rede: Der wird um diese und diese, in verschiedenen Szenarien, könnte der um diese Zentimeter, Millimeter, Meter ansteigen. Du hast erwähnt, dass du dir das regional ansiehst. Wie ist das zu verstehen?

Kristin Richter: Genau. Man hört oft vom vom Meeresspiegelanstieg, mehrere Meter, Zentimeter, wie auch immer. Aber ich zum Beispiel als Mensch, der an der Küste lebt, ich kann damit wenig anfangen. Ich möchte wissen: Wie verändert sich der Meeresspiegel genau an dem Ort, wo ich lebe? Das kann zum Beispiel irgendwo in Norwegen sein, das kann irgendwo auf einer kleinen Insel im Pazifik sein. Und diese regionalen Veränderungen im Meeresspiegel können wirklich sehr verschieden sein, die können größer oder kleiner als der globale Meeresspiegelanstieg ausfallen. Und gerade mit Blick auf die zukünftige Entwicklung: Um mich darauf einzustellen, wie sich der Meeresspiegel verändert, um eventuell Dämme zu bauen oder sogar ganze Dörfer zu verlegen zum Beispiel. Um mich darauf einzustellen, muss ich wissen, wie verändert sich der Meeresspiegel genau an diesem Punkt. Und das kann wirklich sehr verschieden sein vom globalen Meeresspiegelanstieg.

Melanie Bartos: Es geht darum, dass zum Beispiel, wenn ich jetzt auf Meeresspiegelniveau lebe, dass ich dadurch allein schon natürlich exponierter bin, was das betrifft, als wir jetzt hier in Innsbruck. Sondern regionale heißt in dem Fall auch, dass wirklich auch der Anstieg an und für sich an gewissen Meeresgebieten oder -bereichen mehr ist als an anderen Orten.

Kristin Richter: Genau. Andererseits ist es dann aber auch so, dass in gewissen Gebieten der Meeresspiegelanstieg geringer ausfällt als im globalen Mittel. Das liegt in der Natur der Sache, wenn der Meeresspiegel irgendwo stärker steigt, muss er irgendwo anders geringer steigen als im globalen Mittel.

Melanie Bartos: Wie kann man sich das vorstellen? Also welche Mechanismen wirken da, wenn wir uns diese großen blauen Flecken auf der Erdkugel vorstellen, dass es manchen mehr und an manchen weniger steigt? Hat das Strömungen zu tun?

Kristin Richter: Ganz verschieden. Einerseits kann man sagen: Das Wasser kann im Ozean umherschwappen wie in einer Badewanne. Das heißt, wenn man sich das in der Badewanne vorstellt: das Wasser schwappt hin und her, irgendwo haben wir einen höheren Meeresspiegelanstieg und irgendwo einen geringeren. Das kann natürliche Ursachen haben, das kann aber auch vom Klimawandel beeinflusst werden. Das heißt, dieses Schwappen kann nur temporär sein. Das heißt, vielleicht über zehn zwanzig Jahre erfahren gewisse Regionen einen erhöhten Meeresspiegelanstieg und gewisse Regionen einen geringeren. Das kann aber auch von Dauer sein. Das ist die eine Sache, das ist der Ozean einfach nur an sich und das geht natürlich einher mit veränderten Zirkulationsmustern, also Meeresströmungen im Ozean. Die zweite Sache ist und da kommen wir jetzt schon dazu: Was trägt noch zur Meeresspiegelanstieg in dem Fall bei? Das ist das Schmelzen von Kontinentaleismassen, also von Gletschern, und den Eisschilden in der Antarktis und auf Grönland, wobei wir hier nicht nur von Schmelzen reden, aber das können wir später besprechen. Und das ist ein bisschen nicht wirklich komplizierter, aber eigentlich ganz interessant. Zum Beispiel: Nehmen wir einfach mal Grönland. Grönland ist eine riesige Eismasse, also eine große Masse und Masse hat Schwerkraft. Das heißt durch diese riesige große Eismasse auf Grönland haben wir auch ein Gebiet mit erhöhter Schwerkraft um Grönland herum, das heißt Grönland zieht sozusagen Wasser an. Um Grönland herum ist der Meeresspiegel ein wenig erhöht, als zum Beispiel um Gebiete herum, die nicht von Eis bedeckt sind.

Melanie Bartos: Das hat quasi so eine Anziehungskraft, die ohnehin allein schon aufgrund dieser Masse da ist.

Kristin Richter: Die Masse beeinflusst einfach das Schwerefeld der Erde. Das merken wir jetzt nicht, weil die Wasseroberfläche kann sich frei bewegen und sie passt sich einfach dem Schwerefeld der Erde an. Wenn wir uns jetzt vorstellen, dass zum Beispiel Grönland abschmilzt oder dass ein Teil der Eismasse verloren geht, heißt das, auch die Schwerkraft sinkt um Grönland herum. Das heißt weniger Wasser wird angezogen und das Wasser bewegt sich in andere Gebiete. Das heißt obwohl zum Beispiel Grönland leicht abchmilzt, sinkt der Meeresspiegel um Grönland herum. weil einfach die Schwerkraft sinkt. Das heißt, global gesehen steigt der Meeresspiegel an. Aber um Grönland herum - also wirklich in unmittelbarer Nähe dieser Insel - sinkt der Meeresspiegel. Das ist nicht wirklich intuitiv. Aber das ist ganz spannend. Und das heißt. wenn der Meeresspiegel um Grönland herum sinkt, im globalen Mittel aber steigt, dann muss er woanders stärker steigen. Und wir nennen das das so genannte Fernfeld. Das passiert dann sehr weit weg von Grönland, in dem Fall in den tropischen Gebieten, wo auch wirklich viele tiefliegende Inselstaaten liegen. Also die erfahren dann dadurc, durch diesen Effekt einen höheren Meeresspiegelanstieg als im Durchschnitt. Das ist eigentlich sehr spannend.

Melanie Bartos: Es hat sozusagen dort, wo es passiert, eigentlich gar nicht diese Auswirkungen. Wie kann man denn so etwas in der Form eigentlich nachvollziehen, wenn man so in die Werkzeugkiste in eurem Forschungsgebiete schaut, weil das sind ja enorme, also wir reden ja dann von Dimensionen: Das ist eben nicht die Badewanne. Wie arbeitet man denn da?

Kristin Richter: Das ist eine gute Frage und das bringt mich fast auf einen anderen interessanten Aspekt, was den Meeresspiegelanstieg oder den Meeresspiegel generell betrifft. Denn das ist ein sehr interdisziplinäres Forschungsfeld. Wenn man sich das überlegt: Ich bin jetzt Ozeanographin. Ich beschäftige mich mit dem Ozean. Dann habe ich jetzt von Eismassen geredet, das sind Glaziologen und auch Modellierer, also Wissenschaftler, die Eisschilde modellieren. Dann gibt es diesen Effekt, den ich jetzt beschrieben habe: Da kommen dann wieder andere Wissenschaftler ins Spiel und zwar Wissenschaftler die sich auch mit dem Aufbau der Erde, mit der Schwerkraft, mit dem Gravitationsfeld und so weiter beschäftigen. Dann gibt es noch andere Effekte, zum Beispiel der Luftdruck in der Atmosphäre ändert sich, da haben wir dann Atmosphärenwissenschaftler. Also das Forschungsgebiet des Meeresspiegels ist extrem interdisziplinär und es zwingt Wissenschaftler aus verschiedenen Disziplinen zusammenzuarbeiten. Also ich habe jetzt von dieser Veränderung des Gravitationsfeld geredet. Das ist nichts was ich modelliere, da bin ich dann auf andere Kollegen angewiesen, die diese Modelle erstellen und die berechnen, wie stark sich dieses Schwerefeld ändert durch Eismassenverluste und so weiter. Man muss viel mit den Kollegen reden und sitzt nicht allein in seinem Kämmerlein. Denn dann würde man nicht besonders weit kommen.

Melanie Bartos: Und was machst du dann mit den Daten? Bevor wir uns dann vielleicht noch einige Punkte herausgreifen, die du angesprochenen hast, auf die ich auf jeden Fall gern eingehen würde. Vielleicht ein kurzer Blick auf deine Arbeitsweise.

Kristin Richter: Also ich beschäftige mich mit beidem: mit Beobachtungen, also mit beobachtetem gemessenem Meeresspiegel als auch mit modellierten Meeresspiegel. Also Beobachtungen haben wir natürlich nur für die Vergangenheit. Ganz klar. Und da gibt es verschiedene Arten Da gibt es Tide-Pegel zum Beispiel weltweit, die man analysieren kann. Dann gibt es seit ungefähr zwanzig bis bald 30 Jahren oder 25 Jahren gibt es globale Messungen des Meeresspiegels mithilfe von Satelliten. Da wissen wir überall, wie sich der Meeresspiegel verändert und das sind die Daten, die ich mir anschaue. Mit Hinblick auf langfristige Trends: Zum Beispiel wie hat sich der Meeresspiegel an einem gewissen Ort über die letzten hundert Jahre verändert. Was gibt es für kurzfristige Oszillationen oder Schwankungen im Meeresspiegel. Wie groß sind die im Vergleich zum langfristigen Trend und so weiter und so fort. Um in die Zukunft zu schauen, brauchen wir natürlich Modelle, Klimamodelle. Nun ist es so, dass ich nicht selbst modelliere. Es gibt wirklich eine Vielzahl von Klimamodellen und Klimasimulationen, die frei zugänglich sind und diese Simulationen schaue ich mir an mit Hinblick auf Veränderungen des Meeresspiegels in den nächsten hundert Jahren, aber auch mit Hinblick darauf, wie sich dieser simulierte Meeresspiegel, wie man ihn vergleichen kann mit den Beobachtungen. Denn die Klimamodelle nützen uns gar nichts, wenn wir sie nicht validieren. Wenn wir nicht herausfinden, wie gut sind sie. Und das können wir machen, indem wir sie mit den beobachteten Meeresspiegel-Daten vergleichen und das ist auch eine Sache, die mich sehr interessiert.

Melanie Bartos: Diese beobachteten Daten, die es gibt: Für was für einen Zeitraum kann man sich das vorstellen? Wie weit kann man da zurückgehen?

Kristin Richter: Ich schaue mir Tide-Pegel an, also Meeresspiegel, der vom Land aus gemessen wird. Die längsten Zeitreihen sind ungefähr 150 Jahre. Da gibt es das Problem, dass es diese Zeitreihen nur für eine begrenzte Anzahl von Orten gibt. Die meisten befinden sich in Europa: Holland, Deutschland, Nordeuropa. Dort gibt es sehr lange Zeitreihen, was wunderbar ist, aber Nordeuropa repräsentiert nur einen wirklich kleinen Teil der Ozeane. Dann für die letzten 50 Jahre, würde ich sagen, gibt es wirklich eine gute Deckung mit Tide-Pegeln, nicht unbedingt weltweit, aber immer besser. Es gibt zum Beispiel immer noch sehr wenige Aufzeichnungen aus Afrika. Da kennen wir kaum etwas. Genau das sind so die Zeitskalen und das Problem ist, dass sich diese Tide-Pegel wirklich an Land befinden. Sie messen die Meeresspiegelschwankungen entlang der Küsten, was sehr wichtig ist, aber es sagt uns nichts darüber aus, wie sich der Ozean entwickelt. Die sind an Land, genau, und das sind wirklich unglaublich wichtige Beobachtungen, weil sie so weit zurückgehen, aber sie haben auch ihre Nachteile, sag ich mal. Und das zweite sind dann, wie gesagt, die Satellitenmessungen, die gibt es aber leider erst seit 20, 25 Jahren und da fangen wir auch erst langsam an, da kommen wir dann langsam in einen Zeitraum, wo man auch etwas über längerfristige Trends aussagen kann. Das sind die zwei Datensätze, die ich mir hauptsächlich anschaue.

Melanie Bartos: Und die Satelliten, nehme ich an, können das dann wahrscheinlich auch noch repräsentativer dokumentieren, als es diese Landmessungen können.

Kristin Richter: Sie geben uns Auskunft darüber, wie sich wirklich auch im offenen Ozean der Meeresspiegel ändert. Allerdings sind die Tide-Pegel auch sehr wichtig, denn was uns ja wirklich interessiert, ist dieser relative Meeresspiegelanstieg, also der Anstieg oder die Veränderung des Meeresspiegels in Bezug auf die Küsten, auf das Land und das geben uns die Tide-Pegel. Da gibt es zum Beispiel auch ganz andere Beiträge. Erdbeben können auch den relativen Meeresspiegel ändern oder Landhebung und so weiter und so fort. Und dafür brauchen wir dann eben die Tide-Pegel Wir haben uns das anzuschauen.

Melanie Bartos: Und mit diesen Werten kann arbeitest du dann und siehst dir dass eigentlich sehr viel in Vergleichen an, wie sich das entwickelt hat oder entwickeln könnte.

Kristin Richter: Man kann sich einen Ort anschauen, man kann anschauen, wie sich der Ort von anderen Orten unterscheidet, ob es da Gemeinsamkeiten gibt oder ob es Unterschiede gibt. Wenn es Unterschiede gibt, warum ist das so, gibt es da verschiedene Mechanismen und so weiter und so fort.

Melanie Bartos: Dann lass es doch vielleicht einmal auf das eingehen, was man denn da beobachtet, wenn man sich diese Zahlen anschaut. In der Zusammenarbeit mit dir, haben wir ja in den letzten Monaten schon den ein oder anderen Beitrag gestaltet, wo man einerseits sagen kann: Wir reden von einem Anstieg des Meeresspiegels. Zumindest, sagen wir mal, wir wissen jetzt, es gibt regionale Aspekte wie zum Beispiel das Grönland-Beispiel. Aber grundsätzlich ist es auf jeden Fall ein relativ komplexes Zusammenspiel, wo verschiedene Faktoren eine Rolle spielen. Jetzt sind wir beim Stichwort Klimawandel und wir sind beim anthropogenen bzw. wie du gesagt hast, dem Faktor Mensch in diesem ganzen Spiel. Was kann man denn - wenn du sagst du hast das auch schon also in die Vergangenheit hinein beobachtet und die Situation jetzt in die Zukunft anhand von Modellen angesehen - was kann man dazu sagen? Sind wir schuld dran.

Kristin Richter: Verantwortlich würde ich vielleicht eher sagen. Das ist natürlich nicht ganz so leicht zu sagen. Wie gesagt, der Meeresspiegel, der globale Meeresspiegel, ist im 20. Jahrhundert um ungefähr 14 bis 17 Zentimeter gestiegen. Im Moment sind die Raten so, dass man mit einem Anstieg im Jahrhundert von - wenn es so weitergehen würde - von 30 Zentimetern ausgeht. Wir gehen aber eigentlich davon aus, dass sich die Raten noch beschleunigen. Das es mehr wird. In der Vergangenheit haben wir in einer Studie gezeigt, dass sich Meeresspiegelveränderungen - ich rede jetzt vom globalen Meeresspiegel - im ersten Teil des 20. Jahrhunderts auch noch sehr gut mit natürlichen Mechanismen erklären lassen. Da gibt es zum Beispiel die Gletscher, die abschmelzen als Reaktion auf die kleine Eiszeit im 19. Jahrhundert. Was ist etwas Natürliches und die Gletscher reagierten immerhin noch weiter darauf, indem sie langsam abgeschmolzen sind. Aber natürlich nicht komplett. Also das ist eine ganz natürliche Sache gewesen, die auch langsam auslief. Dann haben wir aber gezeigt, dass in der zweiten Hälfte des 20. Jahrhunderts, dass der Anstieg des Meeresspiegels, dass wir den nur erklären konnten, wenn wir wirklich die menschgemachten Emissionen mit einbezogen. Also ohne unseren co2-Ausstoß, den Ausstoß von Treibhausgasen, konnten wir den beobachteten Anstieg nicht erklären. Es ist ganz eindeutig, dass der Mensch sagen wir mal für mindestens ab 1970 glaube ich ungefähr 60 bis 70 Prozent des beobachteten Meeresspiegelanstiegs verantwortlich ist. Das kann man so sagen.

Melanie Bartos: Man kann schon festhalten: Es sind immer verschiedene Faktoren, die eine Rolle spielen. Für diesen Zeitraum ab 1970 kann man sagen, dass für den Anstieg, der bei 14 bis 17 Jahre im 20. Jahrhundert liegt, dass da ab der zweiten Hälfte weit mehr als die Hälfte von Menschen verursacht ist. Das heißt: Man kann eigentlich sagen, ihr seht euch diese Faktenlage an, weil diese Daten sind ja da. Und dann kann man sich in eurer wissenschaftlichen Herangehensweise ansehen, was kann das verursachen. Und dann hat man einen Teil und dann kann man sich den Rest sozusagen nicht durch diese natürlichen Faktoren erklären, die du erwähnt hast. Dann kommt der Mensch ins spiel.

Kristin Richter: Genau, so ungefähr und man macht das mit Hilfe von Klimamodellen, denn da können wir uns so alternative Welten bauen mit Klimamodellen z.B. eine Welt, in der in der es keinen Menschen gibt, in einer Welt in der es keine Treibhaus-Emissionen gibt. Und dann können wir uns anschauen, wie würde sich der Meeresspiegel in so einer Welt entwickeln. Und da sehen wir, er würde vielleicht steigen aber nicht besonders viel. Und dann schauen wir uns eine Welt an, in der es den Menschen gibt, in der es die co2-emission gibt zum Beispiel. Und wie entwickelt sich der Meeresspiegel in dieser Welt und dann sehen wir: Es gibt einen Anstieg und diesen Anstieg können wir mit dem beobachteten Anstieg vergleichen. Und dann können wir entweder sagen, ja das passt, oder nein es passt nicht, es passt eher zu natürlichen Klimaschwankungen. In diesem Fall haben wir aber gesehen, dass wirklich ohne diese Treibhausgasemissionen, dass wir diesen beobachteten Anstieg nicht erklären können. Wir brauchen wirklich die Treibhausgasemissionen in dieser Welt, um die Beobachtungen mit den Modellen reproduzieren zu können. Und das hat uns dann zu der Schlussfolgerung geleitet, dass ein großer Teil des Meeresspiegelanstieg vom Menschen verursacht wurde in den letzten Jahrzehnten.

Melanie Bartos: Also das kann man als Faktum festhalten. Das finde ich immer wichtig, gerade in dem Zusammenhang, das wirklich festzuhalten, das ist von Menschen verursacht, Teile davon sind - und in dem Fall ja doch maßgebliche Teile - sind von Menschen verursacht. Du hast gesagt, da geht es um Emissionen, die da eine Rolle spielen. Vielleicht können wir das kurz umreißen. Aber wenn du sagst, die Emissionen führen dazu, dass der Meeresspiegel steigt. Wie funktioniert das? Wie kann das, dass wir so viel mit Autos Flugzeugen, Industrie unterwegs sind, wie und über welche Wege kann das Einfluss auf den Meeresspiegel nehmen?

Kristin Richter: CO2 ist ein wichtiges Treibhausgas. Das heißt, die Atmosphäre besteht wirklich nur zu einem ganz geringen Teil aus CO2. Aber wenn wenn dieses dieser Anteil CO2 nicht wäre, würde die Durchschnittstemperatur auf der Erde minus 15 Grad betragen. Wahrscheinlich würde es uns dann in diesem Fall gar nicht geben. Durch diesen kleinen Anteil an CO2 beträgt die Durchschnittstemperatur auf der Erde allerdings 15 Grad, für uns angenehm zum Leben. Und nun ist es so, dass wir diesen Anteil CO2 durch unsere Emissionen erhöhen. Das heißt mehr Energie durch Treibhausgas, ja durch das CO2 bleibt mehr Wärme im Klimasystem stecken sozusagen. Ein Großteil dieser Wärme, über 90 Prozent, wird nämlich vom Ozean aufgenommen. Nur ungefähr zwei, drei Prozent oder nicht einmal zwei Prozent gehen in die Atmosphäre und tragen dort zur Erhöhung der Oberflächentemperatur bei. Und ein gewisser Teil geht in die Gletscher oder führt zum Abschmelzen von Gletschern und Eisschilden. Genau. Aber der Großteil dieser Wärme, die plötzlich zusätzlich im Klimasystem vorhanden ist, die geht in den Ozean. Das heißt der Ozean erwärmt sich. Die obere Schicht zunächst einmal. Der Ozean ist wirklich sehr tief und das dauert eine Weile. Deswegen sind das meistens erst die oberen 100 Meter, die sich erwärmen. Wenn Wasser, Meerwasser sich erwärmt, dehnt es sich aus und das führt dann eben zum Anstieg zum Anstieg des Meeresspiegels. Und hinzukommt: Ich habe die Gletscher und die Eismassen erwähnt, die schmelzen ab. Das führt wiederum auch zu einem Anstieg des Meeresspiegels. Und diese zwei Komponenten, also die Ausdehnung des Meerwassers und das Abschmelzen von Gletschern, das sind die beiden wichtigsten Beiträge, die zu diesen 14 bis 17 Zentimetern im 20. Jahrhundert geführt haben.

Melanie Bartos: Okay, da geht es um Temperaturanstieg.

Kristin Richter: Genau, da geht es um die Energiebilanz unseres Planeten. Im Gleichgewicht würde von der Sonne, erhalten wir unsere Energie und genauso viel Energie wird von der Erde auch wieder abgestrahlt. Sonst würden würde sich die Erde ja unendlich erhitzen, was sie natürlich nicht tut. Und durch das CO2 wird eben ein bisschen mehr Energie verbleibt im Klimasystem. Und das führt dazu, dass sich die Erde auf ein neues Gleichgewicht einstellt, was mit einer erhöhten Temperatur verbunden ist.

Melanie Bartos: Gut und wärmeres Wasser hat eine größere Ausdehnung und dadurch haben wir diesen Bereich, der da quasi direkt im Wasser passiert. Und dann haben wir durch diese Klima-Entwicklungen, die du erwähnt hast, auf der anderen Seite aber auch noch die Situation, dass die Gletscher abschmelzen. Vielleicht können wir auf den Aspekt auch noch eingehen, weil gerade rund um diese Gletscherschmelze hört man ja auch immer wieder abenteuerliche Dinge in den Medien. Also da ist alles dabei von Horrorszenarien auf der einen Seite bis hin zu: Eigentlich ist das gar nicht schlimm, selbst wenn alle abschmelzen würden, würde das höchstens ein paar Zentimeter ausmachen. Wie ist denn die Situation, wenn man sich diese Bereiche anschaut?

Kristin Richter: Dazu muss man erst einmal unterscheiden zwischen Gletschern und Eisschichten: also Gletischer ist so was, wie wie hier in die Alpen kennen Gebirgsgletscher. Und dann haben wir die beiden großen Eisschilde in der Antarktis und auf Grönland. Wenn wir uns zunächst den Gletschern zuwenden: Selbst wenn alle Gletscher auf der Welt schmelzen würden, würde das zu einem Meeresspiegelanstieg von 50 Zentimetern, ungefähr einem halben Meter, führen. Die Gletscher befinden sich im Rückzug, sie schmelzen aber sie werden zumindest bis zum Ende des 21. Jahrhunderts nicht komplett verschwinden. Aber wenn wir uns das jetzt einfach im Hinterkopf halten, ein halber Meter ungefähr ist an Potenzial da.

Melanie Bartos: Zu den Gletschern: Das Problem ist dann eigentlich mehr sozusagen, der Meeresspiegel schon auch, aber bei uns hat es mehr lokale Auswirkungen für das Ökosystem usw.

Kristin Richter: Die Alpen-Gletscher sind für den Meeresspiegel eigentlich unwichtig. Das ist weniger sehr viel weniger als ein Millimeter Meeresspiegel-Äquivalent, das in den Alpen-Gletschern gespeichert wird. Anders sieht es dann aus bei den Gletschern in Alaska, in Kanada oder im Himalaya. Aber nur so als kleine Fußnote: die Alpen-Gletscher sind für den Meeresspiegel, dafür sind sie zu klein. Genau. Wie war die Frage? (Lachen)

Melanie Bartos: Ich wollte nur kurz festhalten: Das Abschmelzen dieser hätte, wenn wir jetzt vom Meeresspiegel reden, keine große Relevanz. Aber für uns hier jetzt lokal, wenn ich da an unsere herumliegenden Gletscher denke, hat das schon Auswirkungen. Weil wir auch Forscherinnen und Forscher haben, die sich mit den Auswirkungen regional in diesen Gebieten, die natürlich teilweise katastrophal sind für die Ökosysteme dort, natürlich schon Auswirkungen haben. Aber wenn wir uns jetzt den Meeresspiegel ansehen, dann haben wir festgehalten: Die Gletscher haben, wenn man alle zusammen nehmen würde in einer ganz theoretischen Annahme, hätte das einen halben Meter zur Folge. Dann haben wir aber noch die Eisschilde.

Kristin Richter: Dann haben wir aber noch die Eisschilde, und zwar auf Grönland und der Antarktis. Und in beiden zusammen ist so viel Wasser gespeichert, dass ein komplettes Verschwinden einen Meeresspiegelanstieg von ungefähr 65 Meter zur Folge hätte. Also muss man sich einfach mal diese Relation vorstellen: 50 Zentimeter, ein halber Meter in Gletschern und 65 Metern auf den Eisschilden. Also es ist weniger als ein Prozent des Wassers in Gletschern gespeichert. Jetzt möchte ich aber gleich dazu sagen, dass das jetzt nicht passieren wird in den nächsten tausenden, zehntausenden Jahren. Denn diese Eisschilde sind riesig, sie sind sehr träge. Es dauert wirklich lange, bis Eisschilde auf Klimaveränderungen reagieren. Das möchte ich gleich klarstellen: Wir müssen jetzt nicht übermorgen mit einem Meeresspiegelanstieg von 60, 65 Metern rechnen, auch nicht im nächsten Jahrhundert oder Jahrtausend.

Melanie Bartos: Aber man sieht daran, was das für Dimensionen hat.

Kristin Richter: Man weiß noch relativ wenig über Eisschilde. Ich meine, sie befinden sich auf Grönland in der Antarktis. Da kommt man nicht so leicht hin. Also das befindet sich noch in den Kinderschuhen, da wird aber unglaublich viel geforscht..

Melanie Bartos: Wie meinst du: Da weiß man wenig. sie sich die entwickeln?

Kristin Richter: Da gibt es zwei Sachen die wichtig sind. Erst mal können Eisschilde verschwinden, indem sie einfach schmelzen. Das heißt, es wird warm, dass das Eis schmilzt. Aber gerade in der Antarktis ist es zum Beispiel so, da ist es relativ kalt. Mitten in der Arktis hat es minus 40 Grad, ob es jetzt minus 40 Grad oder minus 35, das ist dem Eis völlig wurscht, es schmilzt einfach nicht. Was zum Beispiel in der Antarktis wichtig ist, ist die Dynamik. Also nicht das Schmelzen sondern die Dynamik, wie das Eis fließt. Das Spezielle an der Antarktis ist: Es ist eine Insel mit einem sehr großen Eisschild, das von Wasser umgeben ist. Also das Eis ist mehr oder weniger direkt in Kontakt mit dem Ozeanwasser. Und da gibt es dann zum Beispiel verschiedene Mechanismen, dadurch dass Wasser sich langsam erwärmt, wird quasi das Eis von unten her oder das Eisschild von unten her angegriffen, sag ich mal. Und da gibt es diese Eisschelfe, also diese schwimmenden Verlängerungen des Eisschildes, und die tragen auch, die stabilisieren diesen Eisschild sozusagen. Und wenn die jetzt immer schwächer werden und langsam abbrechen oder kalben, dann wird das Ganze instabil und Eis beginnt aus dem Inneren schneller abzufließen. Eis fließt, das wissen viele gar nicht, aber Eis fließt sehr langsam und das Eis aus dem Inneren des Antarktischen Eisschilds beginnt dann, kann dann theoretisch schneller Richtung Küste fließen, wo es dann wirklich langsam durch dieses wärmere Ozeanwasser. Aber das ist jetzt wirklich eine sehr sehr sehr vereinfachte Darstellung. Ich bin da auch kein Experte. Und wie gesagt, diese Wissenschaft steckt nicht in den Kinderschuhen, aber da wird gerade wirklich sehr intensiv geforscht und da gibt es, glaub ich, noch sehr viel zu entdecken und zu forschen.

Melanie Bartos: Wenn du sagst, das Eis fließt, das ist ja auch sozusagen in Bewegung.

Kristin Richter: Genau das Eis ist in Bewegung, ein Gletscher fließt ja auch, das sieht man gerade in den Alpen, sieht man das auch sehr schön. Eis fließt sehr langsam. Aber ja. Aber wie gesagt das sind meine Kollegen.

Melanie Bartos: Du hast das jetzt schön geschildert, die Dimensionen die das Ganze hat, um das ungefähr verständlich zu machen. Jetzt hat die Klimaerwärmung oder die steigenden Temperaturen aber doch auch auf diese Eisschilde Auswirkungen. Wie könnte man die zusammenfassen? Sozusagen in realen Szenarien, nicht was ein komplettes Abschmelzen zur Konsequenz hätte. Oder einfach gefragt: Wie geht's denen denn?.

Kristin Richter: Die Eisschilde sind wirklich in der Tat noch die größte Unsicherheit für zukünftige Szenarien. Die Schätzungen gehen da wirklich auseinander. Zum Beispiel im IPCC-Report. Da waren es glaub ich ungefähr z10-20 Prozent, die die Eisschilde zum Meeresspiegelanstieg beitragen könnten in den nächsten 100 Jahren. Da hat sich natürlich seitdem viel getan. Es gibt Szenarien, die sagen, wenn ein gewisser Punkt überschritten wird, dass es sogar bis zu einem Meter sein könnte, aber die sind auch nicht sehr wahrscheinlich. Es gibt sogenannte High-End-Szenarien, also was könnte im schlimmsten Fall passieren, das könnte eventuell dieser Meter sein. Man weiß es aber nicht. Ich glaube, eine große Unsicherheit ist auch, es ist schwer zu sagen wann. Es gibt da gewisse Kipp-Punkte sozusagen und wenn die überschritten sind, dann kann es relativ schnell passieren. Relativ schnell, da rede ich jetzt auch von Hunderten von Jahren, aber man weiß nicht genau wann werden diese Punkte erreicht. Gibt es diese Punkte und wann werden sie überschritten. Also Eisschilde: Das ist wirklich noch sehr schwer zu sagen, zu quantifizieren, wie viel sie nun beitragen könnten. Das ist wirklich die größte Unsicherheit gerade im antarktischen Eisschild, zu sagen, wie viel wird der antarktische Eisschild zum Meeresspiegelanstieg in den nächsten 100 Jahren beitragen. Das ist wirklich sehr schwer zu sagen.

Melanie Bartos: Man kann so Entwicklungen beobachten, wie du vorher gesagt hast, dass zumindest klar ist, wärmeres Wasser greift es sozusagen, wie du hast, von unten an.

Kristin Richter: Gerade im Fall der Antarktis ist das wirklich sehr interessant, denn die Antarktis, das ist so viel Eis, dass es wirklich das Land herunterdrückt. Also ein großer Teil der Antarktis liegt unter Wasser, weil das wirklich so viel Eis ist, so viel Gewicht hat, dass es wirklich den Mantel eindrückt und das wirkt dann natürlich oder das bringt dann natürlich viele viele Effekte mit sich. Viele Mechanismen, die ja jetzt erst noch erforscht werden müssen. Aber das ist wirklich ein ganz spannend, finde ich, dieses Forschungsgebiet.

Melanie Bartos: Und bei diesen bei diesen riesengroßen Eisschilden ist es auch so, dass man zumindest weiß, die reagieren nicht unmittelbar, sondern sind eher träge in ihren Reaktionen allein schon aufgrund der Dimensionen. Ist es aber auch dann in diesem Fall so, dass man weiß, wie es bei vielen anderen Dingen rund um das Thema Klimawandel ist, dass auch von Menschen oder bei dem Fall durch einen schon beachtlichen Teil, schon Dinge angestoßen wurden, die wir nicht mehr aufhalten werden können ohnehin?

Kristin Richter: Gute Frage. Im Hinblick auf die Eisschilde ist es schwer zu sagen. Denn, wie gesagt, man muss erst mal noch die Mechanismen erforschen. Wenn es jetzt darum geht, dass dieses wärmere Ozeanwasser dafür verantwortlich ist, dann kann man natürlich. Man muss da wirklich die Ursache betrachten. Da muss man sich fragen, ist dieses wärmere Ozeanwasser vom Mensch gemacht durch Veränderungen in der Zirkulation und so weiter und so fort. Also man kann das nicht so ganz unmittelbar sagen, denn das sind viele auch indirekte Effekte, die da reinspielen. Was zum Beispiel die Ausdehnung des Ozeanwassers angeht, da kann man schon sagen: Da haben wir jetzt etwas angestoßen, selbst wenn wir jetzt aufhören zu emittieren, wird der Meeresspiegel trotzdem noch eine lange Zeit steigen, eben auch weil der Ozean so riesig ist, weil er so lange braucht, um auf diese neuen Randbedingungen zu reagieren, auf diese wärmere Temperatur. Bis diese Erwärmung wirklich den ganzen Ozean durchdringt, das kann noch viele hunderte, tausende Jahre dauern. Wir haben da ja auch Prozesse angestoßen, die einfach, ja jetzt, noch lange nachwirken.

Melanie Bartos: Du hast gesagt, dass du einerseits sehr viel mit einfach vorhandenen Datenmaterial arbeitest, das bis zu 100-150 Jahren zurückreicht. Was dann ab jetzt sozusagen passiert, bist auch du, wie in der Klimaforschung grundsätzlich, arbeitest du mit Modellierungen bzw. mit Modellannahmen, was passieren könnte. Wie kann man sich das vorstellen? Geht man da immer von so Extremen aus, entweder maximal oder minimal?

Kristin Richter: Genau, eine große Unsicherheit ist da natürlich: Wiewerden wir uns verhalten in Zukunft? Wie viel Treibhausgase werden wir ausstoßen? Wie schnell wird die Bevölkerung wachsen und so weiter? Mit solchen Szenarien beschäftigen sich Wirtschafts- und Sozialwissenschaftler. Und das liegt ja noch an uns, das wissen wir einfach noch nicht. Und da kann man natürlich von verschiedenen Annahmen ausgehen. Wir können davon ausgehen, dass wir es schaffen jetzt effektiv Klimaschutz oder unser Treibhausgas-Emissionen effektiv zu begrenzen. Wir können davon ausgehen, dass wir einfach so weitermachen oder vielleicht sogar noch mehr ausstoßen und so weiter und wir arbeiten mit diesen verschiedenen Szenarien und schaffen uns wieder diese verschiedenen Welten sozusagen in unseren Klimamodellen. Und dann können wir uns diese verschiedenen Welten anschauen. Wenn wir zum Beispiel einfach so weitermachen, wie wird sich der Meeresspiegel verändern? Natürlich gibt es da auch Unsicherheiten. Es gibt verschiedene Modelle, die mit verschiedenen Annahmen arbeiten. Das heißt auch die Modellrechnungen gehen auseinander, da haben wir dann schon wieder diese Unsicherheit. Und dann gibt es natürlich auch noch Extremereignisse, die dann eben noch die das Ganze auch noch überlagern. Und wie verändern sich die? Es gibt dann wirklich schon eine eine gewisse Bandbreite von Projektionen. Und da gibt es einen oberen Bereich sozusagen. So viel könnte es sein. Die Wahrscheinlichkeit ist nicht groß, aber es könnte so viel sein und es gibt den unteren Bereich. Und diese Unsicherheiten, diese Spanne, zu verringern, das sehe ich jetzt wirklich als eine der Herausforderungen unserer Wissenschaft. Generell. Denn letztendlich, gerade Akteure brauchen diese Zahlen und wenn wenn man diese riesige Unsicherheit hat, dann ist es schwer, den Menschen auch zu vermitteln und diese Unsicherheit zu verringern. Das ist wirklich unglaublich wichtig. Meiner Meinung nach ja. Da müssen wir halt viele Sachen wissen, wie werden wir uns in Zukunft verhalten. Und wir müssen auch viel weiter erforschen, welche Mechanismen für gewisse Prozesse zum Beispiel die Meeresspiegelanstieg verantwortlich sind und so weiter und so fort.

Melanie Bartos: Aber wir sprechen hier doch von einer, wie soll ich sagen, einer Spanne, die irgendwo unten ansetzt und irgendwo oben ankommt, ein Minimum Maximum. Innerhalb dessen wird sich das abspielen. Aber es geht nicht darum zu sagen: Das ist kein realistisches Szenario oder das wird nicht passieren.

Kristin Richter: Gut da hätte man dann die obere Grenze sozusagen, wenn man mal sagen kann, das wird auf keinen Fall passieren und wenn man das vielleicht auch immer weiter einengen kann, ist das auch eine Art obere Grenze. Ganz salopp diese 65 Meter werden jetzt nicht übermogen passieren. Ja und das möchte man sagen, das wid nicht in 10000 Jahren passieren, auch nicht in 100 Jahren passieren und so weiter und so fort. Das kann man zumindest ganz nützlich sein. Die oberen Grenzen zu haben.

Melanie Bartos: Ja. Wenn wir uns die Zahlen jetzt ansehen, was aktuell an Annahmen getroffen wird, was den Meeresspiegel betrifft. Was sind denn im Moment die Annahmen, wohin das in nächster Zeit gehen wird? Weil wenn wir uns den Meeresspiegel anschauen, da brauchen wir ja keine 65 Meter. Das ist teilweise schon schlimme Auswirkungen haben kann, wie man ja an gewissen Beispielen auf jeden Fall weiß.

Kristin Richter: Also ich ich denke im Moment besteht eher so der Konsens, dass es bis zum Ende des Jahrhunderts nicht viel mehr als ein Meter sein wird. Ob es jetzt viel weniger wird oder viel mehr, hängt auch davon ab, wie weiter Treibhausgase emittiert werden, wie wir uns verhalten. Aber ich denke, das ist im Moment der Konsens. Ein Meter, eventuell ein bisschen mehr. Das hängt jetzt sehr zum Beispiel von der Antarktis ab. Dann gibt es eben noch diese großen Unsicherheiten, eventuell auch weniger. Wenn wir es schaffen effektiv die Emissionen zu reduzieren.

Melanie Bartos: Wenn es bis zum Ende des Jahrhunderts, und jetzt hast du ja bis zum Ende des vorigen Jahrhunderts angesehen, das ist dann aber schon um einiges mehr, als es schon mal war. Soweit man das zurückverfolgen kann, also das sind schon: ein Meter ist wesentlich mehr als 17 Zentimeter. Also wenn ich mir manche exponierten Stellen, auch wenn mir wieder den regionalen Aspekt haben, aber trotzdem, das hätte schon hat das fatale Auswirkungen in gewissen Gebieten.

Kristin Richter: Genau. Es gibt naturgemäß viele große Städte und Siedlungen entlang der Küstenlinie mit einer großen Bevölkerungsdichte, mit viel Infrastruktur und Wirtschaftsstandorten und so weiter. Auch Ökosysteme, das darf man jetzt nicht vergessen. Und da sind doch einige bedroht, man man darf ja nicht vergessen. Es geht nicht nur um diesen Meter, es geht auch zusätzlich zu diesem Meter kommen ja auch Extremereignisse. Ein Meter mag vielleicht eine Stadt nicht permanent fluten. Wenn man jedoch auf diesen Meter eine Sturmflut kommt, dann sieht die Sache schon anders aus. Dann hat man plötzlich drei, vier Mal im Jahr steht eine Stadt unter Wasser, wenn man sich nicht anpasst. Das hat schon Auswirkungen. Ich sehe es jetzt so, dass gerade viele Industriestaaten können sich anpassen. Aber wie gesagt der größte Meeresspiegelanstieg ist doch wirklich entlang tiefliegender Inselstaaten in den tropischen Ozeanen zu erwarten. Die haben weniger Möglichkeiten sich anzupassen. Und da geht es zum Beispiel auch darum, wenn eine Insel zum Beispiel überflutet wird, Meerwasser ist salzig. Dann wäre zum Beispiel auch Trinkwasser-Vorräte oder das Grundwasser verseucht. Also ist es nicht mehr genießbar. Da gibt es ja ganz verschiedene Folgen, auf die man achten muss. Und auch diese Inselstaaten haben halt wirklich kein Land, auf das sie ausweichen können. Ich habe ein sehr interessantes Beispiel, dad habe ich neulich von einem Kollegen gehört, dass es in den Philippinen gibt es eine Insel und durch ein Erdbeben ist die etwas abgesunken und dadurch wird jetzt diese Insel wirklich einmal am Tag, wenn die Flut kommt, überflutet. Das ist dann ungefähr zehn, 20 Zentimeter, wirklich die gesamte Insel ist überflutet. Ich habe Bilder gesehen und konnte es nicht fassen. Jeden Tag, wenn die Flut kommt. Was ich dann aber spannend fand, ich meine erst war einmal ein Ausblick darauf, was passieren könnte und was mich dann aber überrascht hat, ist, dass die Menschen die Insel nicht verlassen wollten. Sie leben jetzt damit quasi, dass diese Insel einmal am Tag überflutet ist. Das zeigt natürlich auch ganz andere Auswirkungen. Man kann Menschen nicht einfach so umsiedeln oder man kann, aber aber wie geht man damit um. Mit geht man mit diesen Veränderungen im Meeresspiegel um? Siedelt man Menschen einfach um, passt man sich an was ist die bessere Alternative? Das hat mir nur ein bisschen klargemacht, was da für Probleme auf uns zukommen könnten und auch wie anpassungsfähig Menschen teilweise sind. Ich schlage nicht vor, dass wir in Städten wohnen, die einmal am Tag überflutet werden.

Melanie Bartos: Ich glaube,an dem Beispiel wird klar, dass es etwas ist, mit dem wir uns früher oder später auseinandersetzen werden müssen. Es wird diese Auswirkungen an verschiedenen Stellen haben und dann muss man Wege finden, damit umzugehen. Dass es aber zum Beispiel, sagen wir mal so ganz banal formuliert, etwas unterhalb eines Meters zumindest bleibt Könnte, ber wenn ich dich richtig verstehe, durch entsprechendes Verhalten der Menschheit schon noch beeinflusst werden. Also völlig ausgeliefert bei diesem Szenario bis zum Ende des Jahrhunderts ein Meter ist man jetzt auch nicht. Also wenn wir sehen zwei Drittel sind mittlerweile von Menschen verursacht, dann liegt es auf der Hand, dass der Mensch auch noch das eine oder andere dran ändern könnte. Wenn man dementsprechend reagiert. Bevor wir vielleicht noch so einen Ausblick wagen oder etwas, wie soll ich sagen, in deine Wahrnehmungen rund um dieses ganze Thema des Klimawandels und Meeresspiegel, der da doch ein ganz wichtiger Aspekt ist. Du hast einen Themenbereich, den ich ganz interessant finde, wofür du auch ein ein L'Oreal österreich Stipendium For Women in Science erhalten hast. Und zwar geht es da um Vulkanausbrüche und ihren Einfluss auf die Entwicklung des Meeresspiegels. Ist da noch ein Aspekt dazugekommen, den nur die ansehen willst, wenn du sagst, du hast auch so das Ziel, die anthropogenen und natürlichen Einflüsse auf die Entwicklung des Meeresspiegels anzusehen, ein bisschen besser zu verstehen. Kommt da jetzt noch ein Bereich dazu, den du dir ansehen wirst?

Kristin Richter: Das ist sogar ein sehr wichtiger Bereich, den ich mir hier anschauen möchte und es geht auch nicht nur um Vulkanausbrüche, sondern um natürliche Veränderungen im Meeresspiegel, die es natürlich gibt, gerade im regionalen Meeresspiegel. Wenn man sich die globale Kurve anschaut, dann sieht sie relativ glatt aus, es geht dann ein bisschen hoch und runter, aber nicht viel. Aber je mehr man sich wirklich auf einen Ort, je kleiner diese räumlichen Skalen werden desto verrauschter wird quasi unsere Meeresspiegelkurve. Das hängt damit zusammen, dass lokal noch ganz andere Prozesse wirken: zum Beispiel Wind, Flut, Veränderungen der Meeresströmungen. Vulkanausbrüche können auch den Meeresspiegel für ein paar Jahre oder Jahrzehnte beeinflussen und so weiter. Und lokal sind diese Prozesse sehr wichtig, denn sie können auch dazu führen, dass rein aus natürlichen Ursachen, dass der Meeresspiegel einfach zehn oder 20 Jahre lang mal stärker steigt oder auch mal schwächer steigt oder sogar immer mal sinkt. Und das sind natürliche Vorgänge. Und es ist ganz wichtig diese Vorgänge zu identifizieren und zu quantifizieren, um wirklich zu wissen: Ok, was ist jetzt mein Signal, was ist das vom Klimawandel verursachte Signal und was sind natürliche Llimaschwankungen. Diese beiden Sachen muss man trennen. Es ist auch wichtig diese natürlichen Klimaschwankungen zu quantifizieren, also zu sagen, wie stark können die sein, denn diese Klimaschwankungen Schwankung kommen noch zusätzlich zum Mensch gemachten Klimawandel hinzu. Das heißt, sie können diesen Klimawandel verstärken, aber auch abschwächen und damit eben nochmal diese Spanne eventuell sogar wieder ein bisschen vergrößern, von der wir geredet haben. Und ja Vulkanausbrüche, das ist ganz spannend: Durch Vulkanausbrüche, durch große Vulkanausbrüche wird also die Asche, die dort in die Atmosphäre emittiert wird, agiert kurzzeitig wie ein Schirm oder so, der das Sonnenlicht ein bisschen abschwächt. Das heißt, kurzfristig wirklich nur ein zwei Jahre kühlt sich das Klimasystem ab, bis diese Asche oder diese Aerosole dann die Atmosphäre verlassen haben und dann erwärmt sich oder dann ist dieser Effekt verschwunden und durch diese kurzzeitige Abkühlung reagiert natürlich auch der Ozean. Darauf reagieren die Gletscher drauf und so weiter und so fort. Die Stärke dieses Effekts zu quantifizieren, das ist auch noch eine Sache, mit der ich mich zurzeit beschäftige. Es ist nichts, was den Mensch gemachten Klimawandel aufhalten kann, es kann ihn einfach kurzzeitig abschwächen.

Melanie Bartos: Ja, da geht es eigentlich ganz viel um Verständnis von Dingen, die in diesem ganzen komplexen System noch nicht in der Form genau verstanden sind und dann letztlich, wenn ich es richtig verstehe, auch den menschengemachten Einfluss besser verständlich machen. Wenn man dann mehr nach dem Ausschlussprinzip, wenn man weiß, das und das ist natürlich.

Kristin Richter: Es geht einfach wirklich darum, diese physikalischen Prozesse, die dort am Werk sind, wirklich besser zu verstehen und sie dann eventuell sogar auf den menschgemachten Klimawandel anzuwenden oder eben auch nicht und herauszufinden, gibt es Gemeinsamkeiten, gibt es Unterschiede.

Melanie Bartos: Was braucht es dazu? Brauchst du mehr Daten? Braucht es bessere Messungen? Bessere Messgeräte? Bessere Computer?

Kristin Richter: Bessere Computer wahrscheinlich immer, denn diese Klimamodelle brauchen große Rechenleistung. Ich glaube Vieles gibt es schon, es gibt sehr viele Modell-Simulationen, die man die man für sowas nehmen kann. Die Modelle werden immer verbessert immer upgedatet. Es gibt immer neuere Simulationen. Wie gesagt, man kann gewisse Antriebe wie zum Beispiel Vulkanismus oder Sonnenaktivität aus- und einschalten und so weiter und so fort. Also ich glaube, da gibt es wirklich genug, Beobachtungen werden auch immer besser. Man hätte natürlich ger auch sehr viel bessere Beobachtungen aus der Vergangenheit, aber natürlich gab es vor 100 Jahren noch keine Satelliten oder besonders viele Messstationen und so weiter und so fort. Das wäre natürlich toll, wenn es so etwas geben würde, aber wir müssen halt damit leben, was wir haben. Und die Messsysteme werden auch immer besser. Es gibt immer mehr Tide-Pegel, die auch gleichzeitig mit GPS ausgestattet werden, das heißt gleichzeitig wird auch gemessen, wie sich die Erde, also das feste Land, ob sich das bewegt. Es gibt im Ozean unglaublich viele Bojen oder Messsonden, die wirklich über den gesamten Ozean verteilt Temperatur und Salzgehalt messen. Die gibt es auch erst seit zehn Jahren ungefähr, aber dadurch bekommen wir einen viel besseren Überblick darüber, wie und wo sich der Ozean erwärmt oder abkühlt. Es gibt immer mehr Wetterstationen, es gibt Satelliten, also Beobachtungen gibt es jetzt wirklich viel. Das Netz wird immer besser.

Melanie Bartos: Das ist schön zu hören. Denn wenn man sich die letzten Monate so ansieht. Also gerade wenn wir im Bereich Wissenschaftskommunikation sind, dann ist ja der Klimawandel etwas, das mit sehr viel Skepsis behaftet ist. Darum habe ich an einigen Stellen jetzt im Laufe des Gesprächs das noch einmal bekräftigt, was du gesagt hast aus deiner wissenschaftlichen Arbeit mit dem Thema. Da gibt es ja durchaus viel Skepsis rund um dieses Thema, sei es jetzt, also dass den Klimawandel eigentlich gar nicht gibt. Eben dieses Argument es ist eben natürlich, das ist ganz normal, dass es diese Schwankungen oder Anstiege an Temperaturen gibt, unabhängig davon, was der Mensch macht oder nicht. Du warst auch kürzlich bei einer Konferenz in den USA, was ja auch ganz interessant finde als Klimaforscherin. Wie siehst du da deine Position in diesem heiß diskutierten und auch teilweise emotional aufgeladenen Thema. Politisch sehr aufgeladen. In den USA wissen wir alle gerade die Klimaforschung am härtesten getroffen war von all den Ereignissen. Wo siehst du dich da in dem Ganzen?

Kristin Richter: Das ist eine gute Frage. Also in erster Linie möchte ich natürlich gute Wissenschaft machen. Und was mich antreibt, ist auch meine Neugier. Ich möchte natürlich verstehen, wie Sachen funktionieren. Und ich finde es auch spannend große Datensätze, einfach da Ordnung ins Chaos zu bringen. Und natürlich ist das ein wichtiges Thema auch für die Gesellschaft. Was ich gern mache und versuche: Ich versuche gern auch an die jüngere Generation mich an die jüngere Generation zu wenden, also ich gehe gern an Schulen und versuche einfach nur mein Wissen zu vermitteln ohne ohne Wertung ohne mit dem Finger auf jemanden zu zeigen. Da sehe ich es so ein bisschen meinen Ansatzpunkt, sage ich mal, denn du hast jetzt diese Klimaskeptiker erwähnt oder so es ist. Man muss überlegen, wie viel Energie man in sowas steckt. Gewisse Leute wollen einfach nicht. Ich will ja auch niemanden überzeugen. Ich kenne die Fakten, versuche das zu erklären. Jeder muss seine Schlüsse selbst daraus ziehen. Ich kann jetzt niemandem vorschreiben, wie er oder sie leben soll. Ich kann halt einfach nur diese verschiedenen Welten sozusagen aufzeigen, was möglich ist und für mich dann entscheiden, wo ich leben möchte. Wie gesagt: Ich sehe meine Position da wirklich eher im Nachwuchs. Ich möchte da wirklich an Schulen gehen, einfache physikalische Prozesse erklären, was ich zum Meeresspiegel weiß, das erklären. Und ich glaube Kinder sind da unvoreingenommener und können dann auch ihre Eltern dementsprechend zum Nachdenken anregen.

Melanie Bartos: Wenn es nämlich im Wissen schon heranwachsen, dann entstehen solche Dinge erst gar nicht. Ich glaube auch in dem Fall, ist Bildung der beste Weg. Dieser Aspekt, dass du in einem Bereich arbeitest, der so aktuell ist und das hoffentlich auch weiterhin sein wird und so massive Auswirkungen auf uns alle hat, ist das auch etwas, was sich an und für sich motiviert, daran zu arbeiten oder ist das auch so ein Antrieb gewesen in dieses Feld zu gehen. Oder es hat das andere Ursachen gehabt?

Kristin Richter: Es ist sicherlich schön zu wissen, dass die Arbeit auch relevant ist. Meine Motivation eigentlich, ich bin, glaube ich, wahrscheinlich eher durch Zufall zum Meeresspiegel gekommen. Aber ich finde es jetzt sehr spannend, in einem Bereich zu arbeiten, der wirklich gesellschaftlich so relevant ist. Das ist glaube ich nicht der Grund dafür, dass ich in diesem Bereich arbeite, aber es motiviert auf jeden Fall zusätzlich. Ja. Das stimmt schon. Hauptsächlich ist es wirklich so, dass ich sehr interessiert bin, dass ich es spannend finde, einfach in so einer Zeit zu leben, in der sich so viel verändert. Ich finde es jetzt nicht positiv, dass sich grad im Hinblick auf das Klima die Welt so verändert. Aber ich finde es auch spannend, einfach zu schauen, was passieren wird. Was für ein riesengroßes Experiment haben wir da jetzt angestoßen.

Melanie Bartos: Siehst du das so? Ich finde das Wort Experiment ganz interessant.

Kristin Richter: Ja in gewisser Weise haben wir halt nur diese eine Welt. Wir verändern, wir drehen da jetzt an gewissen Schrauben, ohne wirklich zu wissen, was passiert.

Melanie Bartos: Aber Du sitzt sozusagen, wenn ich das richtig interpretiere, doch viel vor dem Bildschirm.

Kristin Richter: Absolut ja. Hauptsächlich ja.

Melanie Bartos: Denn dann muss die Neugier schon da. Denn man stellt sich das ja oft so vor, bist auf allen Meeren dieser Welt unterwegs.

Kristin Richter: Das war ich vielleicht, nicht auf allen Meeren, aber ich war auch auf dem Meer unterwegs und ich glaube, das ist schon auch wichtig, dass man das mal gesehen hat, wie die Leute arbeiten, dass man diesen Bereich seines Berufsfelds auch kennt. Wo kommen die Daten her zum Beispiel. Ich finde es wichtig, mal einen Gletscher gesehen zu haben, wenn man als Galziologe arbeitet. Es gibt dann einfach mehr Gefühl dafür, was man was man eigentlich tut, es ist nicht ganz theoretisch, was man da macht, sondern man hat es selbst erlebt. Und das finde ich schon sehr wichtig.

Melanie Bartos: Wohin fokussiert sich deine Neugierde im Moment speziell?Sind es die Vulkane oder woran arbeitest du denn gerade in diesem, das haben wir ja doch jetzt gelernt, sehr vielseitigen Gebiet.

Kristin Richter: Grad wirklich direkt im Moment bin ich damit beschäftigt in einer Region, die mich sehr interessiert, weil ich auch meinen Doktor in dieser Region gemacht habe, und zwar im nördlichen Nordatlantik möchte ich die Beobachtungen, die es vom Meeresspiegels von Satelliten gibt, vergleichen mit Modellierungen des Meeresspiegels. Einfach um zu schauen, wie gut sind die Modelle in dieser Region. Denn es ist natürlich klar geworden, dass die Modelle sind Ausgangspunkt für Vorhersagen für die Meeresspiegelanstieg. Und dazu muss man natürlich auch wissen, wie gut sind die Modelle überhaupt, können sie überhaupt die Beobachtungen in einer gewissen Region reproduzieren. Genau ich beschäftige mich in dem Moment wirklich gerade mit dem Nordatlantik entlang der europäischen Küste, der norwegischen Küste. Das ist etwas, was ich direkt im Moment gerade mache.

Melanie Bartos: Das heißt, du vergleichst oder du überprüfst, ob die Modellierungen, die es gab zu diesem Gebiet, ob die mit den dann tatsächlich gemessen Daten übereinstimmen.

Melanie Bartos: Genau, da gibt es nur diese 20 Jahre und 20 Jahre sind nicht viel. Aber man kann eben schon gewisse Schlussfolgerungen daraus ziehen. Es gibt zB. sehr viele Klimamodelle, auf denen Projektionen basieren und die Frage ist natürlich auch immer, gibt es Klimamodelle, die besonders gut sind oder gibt es Klimamodelle, die wirklich gar nicht gut sind. Im Moment ist es glaube ich so, dass Vorhersagen gemacht werden, indem wirklich alle Klimamodelle gemittelt werden. Die Frage ist natürlich, macht das Sinn oder sollten wir vielleicht gewisse Klimamodelle, von denen wir wissen, sie sind einfach nicht gut, sollten wir sie nicht einfach vernachlässigen. Oder sollten wir sie gewichten und so weiter und so fort. Und das ist eine ziemlich wichtige Sache, denke ich, und damit beschäftige ich mich gerade im Moment. In dieser speziellen Region eben.

Melanie Bartos: Und du hast dein Doktorat gemacht in Norwegen.

Kristin Richter: Da war ich ich direkt vom Meer ausgesetzt, ja. Und dort sind sie natürlich sehr interessiert daran, wie sich der Meeresspiegel entwickelt. Denn Norwegen hat eine unglaublich lange Küste und ist sehr dicht besiedelt. Sehr schön übrigens. Und ja dort bin ich dann über Umwege zum Meeresspiegel gekommen. Als ich mir das erste Mal glaube ich die Meeresspiegelkurven für Bergen, wo ich gewohnt habe, angeschaut habe, habe ich gesehen, da passiert ja eigentlich gar nicht so viel über die letzten 100 Jahre. Warum Sorgen machen. Aber das Spezielle an Norwegen und an anderen Regionen ist, dass in der letzten Eiszeit vor 20000 Jahren war Norwegen komplett mit Eis bedeckt. Da gab es diesen riesigen Eispanzer und der ist dann im Übergang zur Warmzeit langsam geschmolzen und als sich das Eis zurückzog, hat Norwegen langsam angefangen sich anzuheben. Denn durch das Gewicht des Eises wurde Norwegen herabgedrückt durch die Masse. Das ist noch ein zweiter Effekt eigentlich. Norwegen hebt sich immer noch langsam an, Norwegen oder ganz Skandinavien. Zwei drei Millimeter pro Jahr oder je nachdem, wo man ist und da kommen wir wieder zu diesem relativen Meeresspiegelanstieg. Also global steigt der Meeresspiegel, aber in Norwegen, dadurch dass sich das Land immer noch langsam weiter anhebt, gleicht sich das sozusagen aus und im Mittel sieht man relativ wenig. Das wird sich in Zukunft ein bisschen verändern. Wenn der menschgemachte Meeresspiegelanstieg sich beschleunigt, überholt der sozusagen die Landhebung. Aber das ist ganz spannend an Norwegen, dass sie wirklich sich langsam anheben. Und ich habe einmal mit einem Kollegen geredet in Norwegen. Und er hat mich gefragt, Kristin,du arbeitest mit Meeresspiegel, darf ich dich was fragen? Er meinte ja, wie ist das jetzt mit dem Meeresspiegel? Meine Eltern haben eine Hütte am Meer und in den letzten 40, 50 Jahren da ist nicht wirklich etwas passiert, das Meer hat sich zurückgezogen, meinte er. Und da kann man diesen Effekt wirklich immer noch sehr schön sehen, gerade über das letzte Jahrhundert, das fand ich ganz spannend, dass man es wirklich sieht. Es ist nichts Theoretisches, was ein ganz kleiner Effekt ist, sondern das sieht man wirklich noch. Und genauso wie sich Norwegen langsam anhebt, gibt es eben auch Regionen wie zum Beispiel Holland oder ein Teil der Westküste Amerikas, die sich absenken als Antwort auf diese letzte Eiszeit. Wenn man sich das vorstellt, wenn einfach die Erdkruste eingedrückt wird, muss sie sich irgendwo anders ja wieder wie ein Kissen anheben. Und wenn das Eis verschwindet, dann dreht sich diese Bewegung um. Das heißt Norwegen hebt sich langsam an und Holland, das außerhalb dieses Eisschildes lag, sinkt langsam ab. Und das geht zum Beispiel auch für Teile der Westküste Amerikas und dort überlagert das natürlich oder verstärkt das immer noch den menschgemachten Meeresspiegelanstieg. Das ist ein natürlicher Prozess, der den menschgemachten Meeresspiegelanstieg an einigen Orten verstärkt und an anderen Orten abschwächt.

Melanie Bartos: Wenn es sich nicht mehr die Waage hält, weil das, wie du sagst überholt wird, durch die Beschleunigung kommt.

Kristin Richter: Das ist natürlich, das ist nicht menschgemacht, aber das sind auch Sachen, die man in Betracht ziehen muss.

Melanie Bartos: Aber das sind Auswirkungen, dieses Anheben auf der einen - auch wenn wir von Millimetern sprechen - Absinken an der anderen Seite. Die sind auf die Eiszeit zurückzuführen.

Kristin Richter: Genau, das sind noch diese Auswirkungen.

Melanie Bartos: Darauf reagiert das System quasi immer noch.

Kristin Richter: Diese Effekte gibt es natürlich auch heutzutage, wenn plötzlich weniger Masse, weniger Eis da ist, hebt und senkt sich das Land auch ab. Aber genau dieser Effekt rührt noch von der letzten Eiszeit her.

Melanie Bartos: Interessant. Sehr interessant.

Kristin Richter: Jaja und auch sehr wichtig gerade in diesen Gegenden zu berücksichtigen.

Melanie Bartos: Weil das ist etwas, also dass es immer noch Auswirkungen gibt... Vielleicht ist es mein persönliches Unwissen, aber dass es immer noch aktiv beobachtbare Auswirkungen gibt, also dass es immer noch aktive, im Prozess befindliche Auswirkungen gibt, das ist schon faszinierend.

Kristin Richter: Es ist schon lang verschwunden, aber da sieht man wie träge einzelne Komponenten dieses System sein können.

Melanie Bartos: Wie kann man das festmachen?

Kristin Richter: Das ist auch eine sehr gute Frage. Dazu muss man verschiedene Sachen wissen. Man muss wissen, wie groß war dieser Eisschild überhaupt. Das muss man irgendwie rekonstruieren durch Gesteinsformationen, durch Siedlungen, die es eventuell gab und so weiter und so fort. Das muss man wissen. Und dann muss man auch noch wissen, wie das Innere der Erde aufgebaut ist, um die Antwort der Erde auf diese veränderten Gewichtsverteilungen, um die zu modellieren. Das muss man wissen und da gibt es auch noch große Unsicherheiten. Da gibt es noch sehr viel zu tun: wie groß, wie weit reichten diese Eisschild überhaupt? Und wie sieht der Mantel unterhalb dieser Eisschilde aus? Ja, da gibt es unglaublich viele Sachen, die man die man noch wissen muss und man kann es natürlich mit GPS auch messen. Wie schnell reagiert die Erde oder wie schnell bewegt sie sich? Aber da gibt's natürlich noch viele andere Effekte, die die Erdbeben können zum Beispiel auch verändern oder jetzt das Abschmelzen oder Wachsen der Gletscher spielt da auch rein. Also man muss viele verschiedene Effekte voneinander trennen. Und ja. Das ist das ist alles gar nicht so leicht. Aber spannend und man ist da schon sehr weit gekommen. Viele schlaue Leute überlegen sich viele schlaue Dinge.

Melanie Bartos: Ja zum Glück, wie man an deinen Schilderungen der letzten Stunde sehen kann, gibt es keinesfalls schon ausreichend Experten auf diesem Gebiet. Ich glaube es wird bestimmt wieder interessante Ergebnisse geben, vielleicht können wir uns in dem Rahmen oder auch in einem anderen auf jeden Fall noch einmal darüber unterhalten. Für heute bedanke ich mich ganz herzlich für das interessante Gespräch, Kristin.

Kristin Richter: Gern.