Andreas Brugger
Dr. Andreas Brugger während seines Vortrags. (Foto: Romana Kaier/Ludovic Milot)

Wenn Besatzer und Besetzte gemeinsam Schifahren

Wintersport im Montafon 1945-1953: Das war das Thema eines Gastvortrags des Vorarlberger Historikers Dr. Andreas Brugger, zu dem der Frankreich-Schwerpunkt der Universität Innsbruck und das Institut für Translationswissenschaft eingeladen hatten.

Im Vortrag von Dr. Andreas Brugger ging es um die völkerverbindende Funktion des Wintersports während der französischen Besatzungszeit, für die der Referent , der das Montafon Archiv in Schruns leitet, eine Menge interessanter Quellen und vor allem auch einen Zeitzeugen finden hatte können.

Als typischer Historiker holte er allerdings etwas weiter aus und begann mit nichts Geringerem als den Anfängen des Schifahrens, wie sie auf skandinavischen Höhlenzeichnungen (!) dokumentiert sind. Nicht minder detailreich zeichnete er die historischen Beziehungen zwischen dem Montafon und Frankreich nach, von den militärischen Scharmützeln der Napoleonischen Kriege bis zur sommerlichen Saisonarbeit der Montafoner Bauern im Beinahe-Nachbarland. Nicht fehlen durfte auch die (Wieder-)Erfindung des Schisports in Vorarlberg und Tirol zu Beginn des 20. Jahrhunderts (die beiden großen Pioniere Mathias Zdarsky und Oberst Georg Bilgeri waren sich naturgemäß spinnefeind) und dessen Bedeutung in den Gebirgs-Gefechten des Ersten Weltkriegs. (Die Sportart des Biathlon, mit Langlaufen und Schießen, zeugt heute noch von diesen militärischen Anfängen.) Damals wurden Tausende Soldaten im Schifahren ausgebildet, und wenn auch viele davon den Krieg nicht überlebten, so brachten doch die, die am Ende nach Hause kamen, ihre Kenntnisse und ihre Skiausrüstung mit, was zu einem bedeutenden Aufschwung des Schisports in der Zwischenkriegszeit führte – 1924 fanden z.B. die ersten Olympischen Winterspiele in Chamonix in Frankreich statt. Ein berühmter Wintersport-Gast im Montafon war Ernest Hemingway, dem noch heute ein Denkmal gewidmet ist. In dieser Zeit wurden zahlreiche Wintersport-Vereine gegründet; mit dem Beginn der Nazi-Zeit wurden diese sämtlich politisch gleichgeschaltet und der Sport vor allem in seiner Propaganda-Funktion eingesetzt.

1945 wurde das Montafon kampflos an die vorrückenden französischen Truppen übergeben; diese Truppen bestanden im Übrigen mehrheitlich aus marokkanischen Soldaten. Wie in Tirol, so wurden auch in Vorarlberg die Franzosen als angenehme Besatzungsmacht empfunden, die die Bevölkerung nicht unnötig schikanierte. Und sie waren nicht weniger als die Montafoner am Wintersport interessiert, organisierten Schitouren und Wettkämpfe. Eine erst jüngst aufgetauchte Fotosammlung des Franzosen Peter Campidell, der in Vorarlberg „hängen geblieben“ war und dort geheiratet hatte, dokumentiert diese Aktivitäten. Wenn auch die Wettbewerbe der Einheimischen und der Besatzer eher getrennt stattfanden, so findet sich auch ein Zeugnis der Teilnahme eines französischen Soldaten an einem überregionalen Skirennen im Jahre 1952. Die Anekdoten aus dieser Zeit sind ambivalent, einerseits wird erzählt, dass ein französischer Offizier die Aktivitäten auf der Piste absichtlich gestört habe, andererseits gibt es den Bericht über einen kleinen Buben, der einen französischen Soldaten, der beim Schifahren gestürzt war und sich ein Bein gebrochen hatte, spontan erstversorgt und mit einem improvisierten Akja ins Tal befördert hatte.

Dr. Brugger schloss seinen Vortrag mit seiner wohl spektakulärsten Quelle: „Es ist mir tatsächlich gelungen“, freute er sich, „einen Zeitzeugen aufzutreiben!“ Der inzwischen 84-jährige Montafoner Franz Vonier hatte seinerzeit beim Schifahren einen französischen Soldaten, René Boillot, kennengelernt und sich mit ihm angefreundet. Er wurde tatsächlich von diesem mehrmals nach Frankreich zur Teilnahme an Schirennen eingeladen. Fotos zeigen den Vorarlberger Schirennläufer mit seinen neuen französischen Freunden auf der Piste, wo es ihm sogar gelang, zwei Silbermedaillen zu erringen.

(Eva Lavric)

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