Wettervorhersagen
Reto Stauffer arbeitet daran, mithilfe statistischer Methoden die Wettervorhersagen weiter zu verbessern.

Wahr­scheinlich sicher

Dürre und Hitze im Sommer, starker Regen im Frühling oder weiße Weihnachten? Um zukünftig noch genauer Bescheid zu wissen, arbeitet Reto Stauffer am Institut für Statistik und im neu gegründeten Forschungsschwerpunkt Digital Science Center (DiSC) an der Entwicklung von statistischen Methoden zur Wettervorhersage.

Damit sich die Menschen auch auf Regen, Schnee oder Sonnenschein einstellen können, erstellen Expertinnen und Experten täglich Vorhersagen basierend auf Wettermodellen, die auf den physikalischen Grundlagen basieren. „Modelle sind immer eine Annäherung an die Realität und es können nie alle Besonderheiten der Natur, wie etwa die Einflüsse der Nordkette auf das Wetter in Tirol, vollkommen erfasst werden. Dadurch, dass man noch nicht alle Prozesse genau versteht und auch nicht an allen Punkten Messungen durchgeführt werden können, passieren in den Prognosen kleinere Fehler und Abweichungen“, so Reto Stauffer, der mit seinem Team daran arbeitet, mithilfe statistischer Methoden die Vorhersagen weiter zu verbessern. „Basierend auf den Wettervorhersagen der letzten fünf Jahre und den reellen Messungen dazu möchten wir mittels Statistik herausfinden, unter welchen Umständen das physikalische Modell einen Fehler gemacht hat. Daraus können wir für zukünftige Prognosen lernen und Korrekturen erarbeiten“, verdeutlicht der Wissenschaftler.

Wind und Wetter

Wird der Sommer dürr und trocken oder der Winter kalt und nass? Stauffer stellt einen großen Trend in Richtung subsaisonaler, also längerfristiger Vorhersagen, fest. Bis zu zwei Monate im Voraus soll es möglich sein, eine Tendenz des Wetters vorherzusagen, eine nicht ganz einfache Aufgabe. Die Atmosphäre ist ein chaotisches System und man versucht schon seit mehreren Jahren abzuschätzen, wie sicher solche langfristigen Prognosen sind. „Es geht aber schon lange nicht mehr nur darum, ob es weiße Weihnachten geben wird oder nicht. Vielmehr sollen Wahrscheinlichkeitsvorhersagen klären, wie sicher es ist, dass es weiße Weihnachten geben wird“, erläutert Stauffer. In ihren Forschungen sind die Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler noch auch auf Beobachtungen angewiesen, um ihre Algorithmen zu trainieren, zu überprüfen, und weiter zu verbessern. „Dafür nützen wir auch Machine Learning, also automatisiertes Lernen. Als Trainingsdatensatz beziehen wir uns auf die Vorhersagen und Beobachtungen aus den letzten Jahren, um daraus zu lernen. Ist eine Wettervorhersage für eine bestimmte Region immer um 3°C zu kalt, dann kann man davon ausgehen, dass man am kommenden Tag anstatt von den prognostizierten 4°C, eher von 7°C ausgehen kann“, so der Statistiker. Ziel der angewandten Forschungen von Stauffer und seinem Team ist es, die von ihnen entwickelten Methoden als Open-Source-Software für jedermann, so beispielsweise auch der Zentralanstalt für Meteorologie und Geodynamik (ZAMG) zur Verfügung zu stellen. Aber auch Institutionen wie beispielsweise der Flughafen sollen von den Forschungen direkt profitieren. „Derzeit arbeiten wir auch daran, Windvorhersagen für Flughäfen zu verbessern“, erläutert Stauffer. Gerade für Flugzeuge ist es wichtig, ob sie beim Starten und Landen mit Rückenwind zu rechnen haben, oder nicht. Ändert sich der Wind im Lauf der nächsten halben Stunde, müssen eventuell auch Start- und Landebahnen umgeplant werden. Eine Aufgabe, die gerade in Innsbruck, zu Föhn-Zeiten, besonders herausfordernd und wichtig ist. „Föhn ist nicht messbar, sondern nur die Stärke des Windes. Gerade entwickeln wir ein statistisches Modell, das entscheidet, ob es nur starker Wind oder schon Föhn war. Daraus entwickeln wir weitere Vorhersagemodelle, um die Wahrscheinlichkeit für Föhn für die kommenden Tage zu berechnen“, so der Experte, der betont, dass diese Vorhersagen beispielsweise auch für Veranstalter von Großereignissen relevant sind.

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Das Bild zeigt die Niederschlagswahrscheinlichkeit in Prozent für ganz Tirol am 2. Dezember 2019 von 7:00 bis 8:00 Uhr morgens. Vor allem im Norden und Nordosten waren Niederschläge zu erwarten. (Bild: Reto Stauffer)

Prognosen

Wie der Flughafen oder Event-Planer sind viele Branchen, wie auch Paketdienste oder Energieerzeuger, von möglichst genauen, langfristigen Prognosen abhängig. Aufbauend auf bereits bekannten statistischen Methoden adaptieren Stauffer und sein Team diese für ihre Anwendungsgebiete, wie etwa flächige Vorhersagen für Tirol. „Das Problem bei den meisten bisher bekannten Methoden ist, dass die Korrektur von Temperatur- und Niederschlagsvorhersagen nur punktuell durchgeführt werden kann. Unser Ziel ist es aber, flächige Vorhersagen für alle Punkte Tirols gleichzeitig zu erstellen“, erläutert Stauffer, der betont, dass dafür die gängigen räumlich-statistischen Modelle so umgebaut werden müssen, dass alle Daten und Parameter kombinierbar sind. Langfristige flächendeckende Prognosen sind aber nicht nur regional für Tirol, sondern weltweit relevant. Die Expertinnen und Experten könnten so zukünftig noch besser Klimaextreme prognostizieren und schon frühzeitig vor beispielsweise wahrscheinlichen Dürreperioden warnen. „So könnte einer drohenden Wasserknappheit vorgebeugt oder Vorsichtsmaßnahmen für ein mögliches Hochwasser getroffen werden“, betont der Statistiker.

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Das Bild zeigt die Niederschlagswahrscheinlichkeit für Europa am 4. Dezember 2019. (Bild: Reto Stauffer)

Digitales Miteinander

Reto Stauffer ist nicht nur am Institut für Statistik wissenschaftlich tätig, sondern ist auch Mitglied des neu gegründeten Forschungsschwerpunktes „Digital Science Center“ (DiSC). Die Digitalisierung bezeichnet die tiefgreifende Transformation von Prozessen durch digitale Hilfsmittel, Methoden und Medien. Sie durchdringt derzeit alle Bereiche unserer Gesellschaft, einschließlich Wissenschaft, Wirtschaft und sozialer Beziehungen. Im Zentrum dieser Entwicklungen stehen neue Möglichkeiten der Datenanalyse und der künstlichen Intelligenz. Sie entfalten ihr Potenzial durch interdisziplinäre Synergien zwischen Informatik, Mathematik, Statistik und allen anderen wissenschaftlichen Fachdisziplinen. „Als Mitglied des DiSC, unter der Leitung von Justus Piater, Professor am Institut für Informatik, arbeite ich genau an der Schnittstelle, sehr viele Daten mit Machine Learning für angewandte Bereiche umzusetzen“, so Stauffer, der einer von 15 Mitgliedern im Forschungsschwerpunkt ist. Die Expertinnen und Experten unterschiedlichster Forschungsrichtungen sollen sich und ihre wissenschaftlichen Untersuchungen gegenseitig bereichern und ergänzen. „Wir werden in Kürze auch ein gemeinsames Büro beziehen, in dem der Mathematiker, neben dem Statistiker oder der Biologin sitzt. In ungezwungener Atmosphäre sollen so auch Synergien entstehen und in gemeinsamen Gesprächen Anknüpfungspunkte und Überschneidungen oder einfach nur ein gemeinsamer Ideen-Austausch entstehen“, freut sich Stauffer.

Zur Person

Reto Stauffer promovierte 2016 im Fach „Atmosphärenwissenschaften“ an der Universität Innsbruck und beschäftigt sich seit vielen Jahre mit der Entwicklung neuer statistischer Verfahren und der dazu nötigen Software. Die neuen Verfahren werden eingesetzt um genauere und verlässlichere Wettervorhersagen zu erstellen. Seit einem Jahr ist er auch Mitglied des an der Universität Innsbruck neu gegründeten Digital Science Centers (DiSC) wo er sein Wissen in Forschung und Lehre einbringt und gemeinsam mit Forscherinnen und Forschern aus anderen Fachbereichen die Digitalisierung an der Universität unterstützt und vorantreibt.

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