Professorin für Geographie Margreth Keiler
Neben ihrer Professur an der Universität Innsbruck ist Margreth Keiler auch Direktorin des Instituts für Interdisziplinäre Gebirgsforschung der Österreichischen Akademie der Wissenschaften (ÖAW).

Vor­ge­stell­t: Ge­birgs­ge­fah­ren im Blick

Die Geographin Margreth Keiler ist seit März 2021 Professorin an der Universität Innsbruck. Sie befasst sich mit Gefahren in Gebirgsregionen und wie diese sich im Laufe der Zeit verändern. Um Risikoprognosen zu entwickeln und zu optimieren, arbeitet sie eng mit Sozial-, Natur- und Wirtschaftswissenschaftler*innen zusammen.

Margreth Keilers Professur am Institut für Geographie der Universität Innsbruck ist gleichzeitig auch eine Rückkehr: im September 2004 schloss sie hier ihr Studium der Geographie und Erdwissenschaften mit einer Promotion ab. Ihre akademische Laufbahn führte sie weiter an die University Exeter (UK), das Santa Fe Institute (USA), als Fulbright-Gastprofessorin an die Duke University (USA) und an die Universitäten Wien und Bern, wo sie 2012 habilitierte, 2017 zur assoziierten Professorin ernannt wurde und unter anderem die Co-Leitung des Mobiliar Lab für Naturrisiken am Oeschger-Zentrum für Klimaforschung übernahm. Nach 16 Jahren brachte dieser Weg sie zurück nach Innsbruck, wo Keiler jetzt neben ihrer Professur auch als neue Direktorin des Instituts für Interdisziplinäre Gebirgsforschung der Österreichischen Akademie der Wissenschaften (ÖAW) arbeitet.

In ihrer Forschung befasst sich die gebürtige Tirolerin einerseits mit Gebirgsgefahren als natürliche Vorgänge, andererseits mit ihren Auswirkungen auf die Gesellschaft.  

„Das dieser übergreifende Aspekt in einer Forschungsstelle berücksichtigt wird, ist selten“, sagt Keiler. Deswegen passt diese Professur an der Universität Innsbruck ideal auf mein Forschungsprofil.“ Auch die Nähe zu den Bergen, die in Innsbruck gegeben ist, begünstigt Keilers Arbeit. „Von Wien oder Bern aus kann es schon zwei Stunden dauern, bis man vor Ort ist. Und da ist der Anstieg noch nicht dabei.“

Die Interdisziplinarität im Vordergrund

Lawinen, Hochwasser, Murgänge und Rutschungen sind geomorphologische Prozesse, die konkrete Gefahren für den Menschen darstellen und Auswirkungen auf ganze Siedlungsräume haben. Keiler beobachtet diese Vernetzung von natürlichen und gesellschaftlichen Vorgängen, zum Beispiel in einem Forschungsprojekt zur Verletzlichkeit von Straßeninfrastruktur gegenüber Hochwasser. „Hochwasser als naturwissenschaftlich beschreibbares Ereignis überflutet Gemeinden oder schneidet sie von wichtiger Infrastruktur ab, womit gesellschaftliche Systeme wie Schulen, das Gesundheitswesen und die Wirtschaft betroffen sind,“ sagt Keiler. „Es gibt also sehr viele Faktoren, die hier ineinandergreifen.“

Als interdisziplinäre Forscherin ist Keiler immer in eine enge Kooperation mit Kolleg*innen aus verschiedenen Fachbereichen eingebunden, was auch ganz eigene Herausforderung mit sich bringt. In der Geographie arbeiten Sozial-, Natur- und Wirtschaftswissenschaften so nah beieinander wie in kaum einer anderen Disziplin.

„Im interdisziplinären Bereich müssen wir immer wieder definieren, wie wir etwas gerade verstehen,“ erklärt Keiler. „Teilweise verwenden wir dieselben Wörter, wie zum Beispiel Risiko oder Resilienz, meinen aber ganz andere Dinge. Ich als Teil der Disaster-Risk-Reduction Community betrachte diesen Begriff eher aus einer naturwissenschaftlichen Perspektive. Für mich ist Risiko eine Funktion von Gefahr, Exposition und Vulnerabilität.  Die Gefahr, die von einem bestimmten Prozess ausgeht und dessen Häufigkeit und Stärke beschreibt, trifft beispielsweise auf ein exponiertes Gebäude und entsprechend der Vulnerabilität kommt es zu einem Schaden. Ein*e Sozialwissenschaftler*in hingegen würde auch gesellschaftliche Faktoren hinzunehmen, wie zum Beispiel Einkommen, Bildungsgrad und Vernetztheit einer Gemeinde in der betroffenen Region, um mögliche Auswirkungen abzuschätzen. In der Wirtschaft hingegen wird Risiko mit Wahrscheinlichkeiten berechnet- wie hoch ist die Chance, das etwas positiv oder negativ ausgeht?“ So unterscheidet sich ein Forschungsgegenstand über verschiedenen Disziplinen hinweg in zeitlichen, räumlichen und gesellschaftlichen Dimensionen.

Risiken beobachten

Das Forschungsfeld ist hochdynamisch. Zu den gesellschaftlichen Strukturen, die sich in stetigem Wandel befinden, kommt auch die Veränderung der Natur hinzu, die durch den Klimawandel extrem beschleunigt wird. An der Universität Innsbruck möchte Keiler deswegen unter anderem ein System für Risiko Monitoring entwickeln.

 „Meinen Ansatz bezeichnen wir als Coupled Human Landscape Systems,“ erklärt Keiler. „Das heißt, dass wir Prozesse wie Landschaftsentwicklung und Nutzungsänderung an Naturereignisse wie Hochwasser, Murgänge und Rutschungen koppeln, damit verbundene Entwicklungen von Risiken und Resilienz abschätzen und Entscheidungsprozesse für das Risikomanagement entwickeln. Dazu muss auch untersucht werden, wo Entscheidungen getroffen werden, wie Infrastruktur in Risikogebieten geplant wird und welche gesellschaftlichen Folgen diese natürlichen Faktoren haben. Wandern Personen ab, ist es ein Zuzugsgebiet, so dass mehr Personen von Naturereignissen betroffen sind, und welche Bedeutung hat das für den Arbeitsmarkt?“

Keiler will diese Wechselwirkungen und ihre Rückkoppelungsprozesse zusammenführen und damit bessere Risikoprognosen entwickeln, um potenziellen Schaden und die Folgen für die Gesellschaft abzuwägen.

„Jede Entscheidung hat Folgen. Wir wollen besser verstehen können, was passiert, wenn eine Siedlung erweitert oder eine Wiese zum Wald verändert wird. Nur dann kann man auch rechtzeitig sagen: Achtung, wir bewegen uns in eine Richtung, in der die Risiken ansteigen. Gerade mit Blick auf den Klimawandel wird die Relevanz dieser Monitoring- und Warnsysteme zunehmen.“

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