Sedimentkernentnahme
Die Forscher*innen bei einer Sedimentkernentnahme in einem See mit Gletschereinfluss in Südtirol.

Ein Daten­reser­voir

Auf der ganzen Welt haben Forschende mit unterschiedlichen Methoden und in unterschiedlichen Untersuchungsgebieten Temperaturrekonstruktionen für das gesamte Holozän durchgeführt. Kürzlich wurden alle diese Daten zusammengetragen und in einem frei zugänglichen Paper veröffentlicht. Von der Uni Innsbruck hat sich Ökologin Karin Koinig gemeinsam mit Elena und Boris Ilyashuk beteiligt.

10.000 bis 12.000 Jahre reichen Temperaturrekonstruktionen der Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler zurück. Gewonnen in Seebohrkernen, marinen Bohrkernen, Bohrkernen aus Gletschergebieten oder aus Mooren in der ganzen Welt werden diese Ergebnisse aus etwa 680 Probenstellen nun allen Interessierten frei zugänglich gemacht. Karin Koinig vom Institut für Ökologie an der Uni Innsbruck hat sich der Initiative von Erstautor Darrell Kaufmann angeschlossen und die Ergebnisse ihrer Studie zur Temperaturrekonstruktion anhand von Zuckmücken in hochalpinen Seen beigesteuert. Koinig ist mit ihren Kolleginnen Boris Ilyashuk und Elena Ilyashuk Teil des Forschungsteams „Lake and Glacier Ecology Research Group“ unter der Leitung von Ruben Sommaruga.

Hochalpines Temperaturarchiv

Eine spezielle, nicht stechende Mückenart eignet sich besonders gut, um Temperaturrekonstruktionen in hochalpinen Seen durchzuführen. Für ihre Untersuchungen haben sich Elena und Boris Ilyashuk gemeinsam mit Karin Koinig für Zuckmücken als Paleo Proxy, als Anzeiger für das Klima, entschieden: „Zuckmücken leben in fast allen heimischen Auen, Flüssen oder stehenden Gewässern und reagieren mit ihrer Paarung oder im Schlüpfen auf die Temperatur.“ Neben Zuckmücken werden in der Forschung auch Pollen, Isotope oder verschiedene Biomarker als Anzeiger für Klima- und Temperaturveränderungen verwendet. Das Team um Karin Koinig hat sich auf die Untersuchung von Bohrkernen aus hochalpinen Seen spezialisiert. „Temperaturmessungen existieren nur für die vergangenen 100 bis 250 Jahre. Möchte man Veränderungen der Temperatur für das gesamte Holozän erfassen, dann ist das über Bohrkerne möglich“, verdeutlicht die Wissenschaftlerin, die Seen entlang eines bestimmten Höhengradienten untersucht. „Wir untersuchen verschiedene Seen beispielsweise auf 1.600 Metern Seehöhe und vergleichen die darin lebenden Arten miteinander. Dieses Vorgehen wiederholen wir dann für weitere Höhenstufen bis hin zu Seen auf 3.000 Metern Seehöhe im hochalpinen Raum“, so Koinig. Die vielen unterschiedlichen Arten von Zuckmücken bevorzugen andere Lebensräume und Temperaturen und kommen deswegen auch nur in Seen in einer bestimmten Höhenlage vor. „Manchen Arten ist ein hochalpiner See zu kalt, da sie wärmere Gewässer bevorzugen, oder umgekehrt“, so Koinig weiter. In Sedimentbohrkernen untersucht die Ökologin Schicht für Schicht die darin vorkommenden Arten und generiert daraus ein Datenset für jede Art. So kann das Temperaturoptimum festgestellt und die Temperaturbereiche abgegrenzt werden, in denen sich Zuckmücken wohl fühlen. „Wenn ich in einem See auf 2.800 Metern Seehöhe eine bestimmte Art entdecke und das mit einer Probe aus dem Sedimentbohrkern vergleiche, dann kann ich davon ausgehen, dass die Temperatur und die Umweltbedingungen sehr ähnlich waren“, erläutert die Forscherin.

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Die Forscher*innen erstellen Temperaturrekonstruktionen für den hochalpinen Raum anhand Zuckmücken. (Bild: Boris Ilyashuk)

Für alle zugänglich

Weltweit beschäftigen sich Forscherinnen und Forscher mit unterschiedlichen Methoden zur Rekonstruktion der Temperatur in den vergangenen 10.000 bis 12.000 Jahren. Die dafür verwendeten Organismengruppen werden an die Region, in der sich das Untersuchungsgebiet befindet, angepasst. Erstmals wird der Großteil der validierten Ergebnisse gesammelt und für alle zugänglich gemacht. Besonders Klimamodellierer erhalten mit dieser Zusammenfassung ein wichtiges Instrument, um ihre Modelle zu verbessern und um abschätzen zu können, ob die berechneten Szenarien realistisch sind oder nicht. „Vor allem die nun entstandene Vergleichbarkeit zwischen unterschiedlichen Paleo-Archiven, wie Meere oder Seen, eröffnet den unkomplizierten Zugang zu einer enormen Datenmenge“, erläutert Koinig, die auch für zukünftige Vergleiche in ihren Forschungen auf die Daten ihrer Kolleginnen und Kollegen zugreifen möchte. „Bei der Untersuchung von Ökosystemen spielen auch lokale Einflüsse eine große Rolle. Beispielsweise können Überschattungen die Temperatur wesentlich beeinflussen. Jetzt haben wir die Möglichkeit unseren eigenen Datensatz mit anderen zu vergleichen und in einem weiteren Schritt auch zu analysieren, woher Abweichungen kommen können“, so die Ökologin. Die nun allen frei zugänglich gemachten validierten Datensätze werden die Arbeit vieler Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler, besonders aber die Vergleichbarkeit von Ergebnissen, vereinfachen.

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