Armut ist vielfältig
Das Tiroler Armutsforschungsforum will nun dazu beizutragen, Armutsbetroffenheit gezielt zu verringern um damit die Armut im Land Tirol nachhaltig abzubauen.

Das Tiroler Armuts­for­schungs­forum

Gemeinsam mit dem Verein unicum.mensch hat die Universität Innsbruck eine Initiative gestartet. Das Thema Armutsforschung rückt wieder in den Vordergrund, denn in diesem Jahr teilen sich eine Forscherin und zwei Forscher den diesjährigen Wirtschaftsnobelpreis.

Abhijit Banerjee, Esther Duflo und Michael Kremer werden ausgezeichnet „für ihren experimentellen Ansatz zur Linderung der weltweiten Armut“. So haben die Forscher gezeigt, wie sich die Schulbildung und die Gesundheit von Kindern mit kleinen, präzisen Schritten verbessern lasse. Auch in Tirol wurde Ende September eine neue Initiative in diese Richtung aus der Taufe gehoben, nämlich das Tiroler Armutsforschungsforum. Mit Unterstützung der Landesrätin Gabriele Fischer und in Kooperation mit dem gemeinnützigen Verein unicum:mensch konnte Andreas Exenberger am Freitag, den 27. September mehr als 40 interessierte Menschen im Haus der Begegnung in Innsbruck zu einem Abend „zum Mutmachen“ begrüßen. Dabei diskutierten zwei Wissenschaftler*innen, Claudia GLOBISCH (Nürnberg) und Irene GÖTZ (München), gemeinsam mit Michael HENNERMANN (Verein für Obdachlose) und Elena HÖRMANSEDER (Arbeit plus - soziale Unternehmen Tirol) über die Situation der armutsbetroffenen Menschen in Tirol. Denn es gibt auch hierzulande Menschen, denen vor dem Monatsende das Geld fürs Essen ausgeht, die ihren Kindern oder Enkelkindern keine Geschenke machen können und die sich das für alle anderen Selbstverständliche nicht erlauben dürfen. Und in diesem Mangel an Teilhabe liegt sicher der Schlüssel zum Verständnis von Armut in einem reichen Land wie Tirol.

Gemeinsam diskutieren

Das Tiroler Armutsforschungsforum will nun dazu beizutragen, Armutsbetroffenheit gezielt zu verringern um damit die Armut im Land Tirol nachhaltig abzubauen, die leider in den letzten Jahren eher zugenommen als abgenommen hat. Dass die aktuellen gesetzlichen Vorgaben dabei nicht unbedingt hilfreich sind, macht die Aufgabe nicht einfacher. Darauf zu warten, dass das Problem von selbst verschwindet, wird sicher nicht ausreichen, vielmehr braucht es konsequente Schritte der konkreten Verbesserung. Anknüpfungspunkte dafür gibt es viele. Personen mit „Migrationshintergrund“ sind z.B. stärker von Armutsgefährdung betroffen. Es wird aber nicht helfen, so zu tun, als würden sie deshalb nicht hierher gehören. Auch Menschen mit Alkohol- oder Drogenproblemen sind stärker betroffen. Es wird aber nicht helfen, sich zu fragen, wer daran „Schuld“ ist. Viele Betroffene schaffen es außerdem irgendwie, dass man die Armut nicht bemerkt, vor allem ältere Frauen in ländlichen Regionen oder Alleinerzieherinnen. Es wird nicht helfen, das scheinbar Unsichtbare einfach auszublenden. Es reicht nicht, sich auf den Schultern der Betroffenen auszuruhen. In Österreich haben wir durch jahrzehntelange Aufbauarbeit heute einen einigermaßen funktionierenden Sozialstaat, der dem Ziel verpflichtet ist, niemanden zurückzulassen. Aber meistens sind es letztlich die Leistungen der Betroffenen selbst, die Armut irgendwie erträglich machen, ihre tägliche, kompetente Lebensführung. Und wo wäre dieser Sozialstaat ohne die vielen Sozialeinrichtungen? Oft sind sie die notwendigen Vermittler zwischen einer anonymen Bürokratie und den betroffenen Menschen. Oft können sie helfen, aber natürlich nur im Rahmen ihrer Möglichkeiten. Ein funktionierender Sozialstaat darf da nicht einfach wegschauen und schon gar nicht einfach abschieben, weder Menschen noch Verantwortung. Ein funktionierender Sozialstaat muss vielmehr unterstützen, wo immer es nötig ist, und stärken und befähigen, wo immer es möglich ist.

Armut ist kein unabwendbares Schicksal. Vielmehr ist es die Aufgabe jeder menschlichen Gesellschaft, die diesen Namen verdienen will, ein menschenwürdiges Dasein für alle ihre Mitglieder zu garantieren. Das Tiroler Armutsforschungsforum hat sich zum Ziel gesetzt, dafür einen Beitrag zu leisten, indem konkrete Forschungs- und Bildungsprojekte umgesetzt und eine tragfähige Brücke in die tägliche Praxis der Sozialeinrichtungen erreichtet wird Dort kann dann die Expertise in beide Richtungen fließen, um den notwendigen Maßnahmen der Zukunft eine stabile Basis zu geben.

Bei Interesse können Sie sich gerne bei Andreas Exenberger (andreas.exenberger@uibk.ac.at) oder auch bei unicum:mensch (http://unicummensch.org/) melden.

(Andreas Exenberger)

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