Einleitung
Die obengenannte Fundstelle wurde im Zuge von Bauarbeiten für den neuen katholischen Friedhof von Königsbrunn 1975 entdeckt. Sie befindet sich westlich von Königsbrunn und etwa 1300 Meter westlich der Via Claudia.In den Jahren 1976 und 1977 wurde in der römischen Ansiedlung in Königsbrunn insgesamt fünf Monate gegraben. Dabei konnten 8 Gebäude untersucht werden.
Die einzelnen Gebäude
Bei Gebäude 1 handelt es sich um einen gemauerten Keller,
der wohl ursprünglich einen Holzboden hatte. In den Kellerraum führten
mehrere Holzstufen. Mangels eines Befundes kann keine Aussage über
den Charakter des sich darüber befindlichen Gebäudes gemacht
werden. Im Treppenbereich des Kellers fanden sich zahlreich bemalte Wandputzfragmente
sowie Estrichstücke zweier verschiedener Stärken. Es ist ebenfalls
unklar, aus welchem Wohngebäude sie stammen.
Gebäude 2 mit seinen geringen Ausmaßen von 4,6
x 3,9 Metern war mit einer Hypocaustheizung und einem Estrich ausgestattet.
Gebäude 3 ist etwas größer. Es hatte wohl
zwei Räume, einer davon mit Hypokaustum und Estrich, einer ohne. In
den beiden letztgenannten Gebäuden wurde bemalter Wandputz gefunden.
Auch Gebäude 4 hatte dieselbe Ausstattung. Das südlich
davon gelegene ältere Bauwerk (4a) besitzt nur einen Estrich, jedoch
kein Hypokaustum.
Schwierig ist die Deutung für diese sehr kleinen beheizbaren
Räume mit Estrich. Um Darren kann es sich aufgrund des Estrichs nicht
handeln. Eine mögliche Deutung wäre die als Badegebäude.
Einräumige beheizte Wohnräume sind bisher nicht nachgewiesen.
Denkbar wäre eventuell noch eine gewerbliche Nutzung.
Gebäude 6 ist mit den Außenmaßen von 17,4
x 11,45 Metern das größte. Es handelt sich um einen Steinbau.
Ein Estrich hat sich nur im NO-Eck erhalten. Aus dem Inneren stammen nur
wenige Wandputzfragmente. Auffallend sind die Mauerverstärkungen bzw.
Pfeilerfundamente an der West- und Ostmauer (bei der Ostmauer an der Aussenseite,
an der Westmauer an der Innenseite). Die Wandverstärkungen sprechen
für eine mögliche Zweistöckigkeit. In der West- bzw. Ostmauer
befand sich je eine 30 cm breite Lücke. Diese Öffnungen sind
auf jeden Fall zu schmal für Eingänge, geschweige denn für
Einfahrten. Vielleicht handelt es sich um einen Wirtschaftsbau, evtl. einen
Speicher, der teilweise auch bewohnt war. Leider haben sich aber keine
Spuren von etwaigen Trennwänden im Inneren des Gebäudes erhalten.
Gebäude 7 ist sehr schlecht erhalten. Es gab nur noch
spärliche Mauerreste aus einzelnen Tuffsteinen erhalten. An der SO-Ecke
schließt an das Gebäude eine 50 cm breite Mauer an, die fast
5 Meter nach Osten reicht. Bei diesem Bau handelt es sich ziemlich sicher
um kein Wohngebäude, sondern um ein Wirtschaftsgebäude.
Gebäude 8 ist ein holzverschalter Erdkeller. Im Osten
lag der ursprüngliche Eingang, zudem man über fünf hölzerne
Stufen gelangte. Auch der Kellerboden bestand aus Holz. Von einem darüberliegenden
Gebäude konnte nichts mehr nachgewiesen werden.
Abb.1: Gesamtfoto Königsbrunn
Abb.3: Gesamtplan, Königsbrunn.
Das Mithräum (Gebäude 5)
Dieses West-Ost orientierte Gebäude mit den Aussenmaßen von
9,8 x 9,1 Metern kam ganz im Südosten des Grabungsgeländes zum
Vorschein. Es ist das einzige, das aufgrund seiner Form in seiner Funktion
fast sicher als Mithrasheiligtum angesprochen werden kann. Insgesamt hat
es 6 Räume. Der Eingangsbereich (R1) befindet sich im Norden. Dieser
besitzt ebenso wie der Mittelraum (R4) einen Estrichboden. Im Mittelraum
fanden sich zahlreiche Fragmente von farbigem Wandputz, ausschließlich
mit geometrischen Motiven. Im Raum 4 mit den Maßen von 7,3 x 2,25
Metern wurden insgesamt 96 Münzen gefunden. Im Norden bzw. Süden
schließen zwei sehr schmale und längliche Räume (R II und
VI) an. Am Westende des Gebäudes springt deutlich Raum III aus der
Front hervor, der ebenfalls bemalt war. Er weist zum Mittelraum einen Niveauunterschied
von 60 cm auf.
Für eine Interpretation des Bauwerks als Mithräum spricht
vieles. Der so typische Grundriß ist hier eindeutig festzustellen.
Raum IV ist als eigentlicher Kultraum (speläum) anzusprechen, Raum
II und VI als Podien oder Bänke, Raum III als Apsis oder exedra, wo
ursprünglich das Kultbild stand. Die weiteren Räume könnten
als apparatorium gedient haben, wo die Kultgefäße verwahrt und
die Kultmahlzeiten vorbereitet wurden.
Im vorliegenden Fall fehlt das Kultbild. Auch an anderen Orten reicht
für die Deutung als Mithrastempel der charakterische Grundriß
aus wie z.B. in Saarbrücken, in Nida-Heddernheim (Mithräum 4)
oder in Riegel. Das völlige Fehlen des Kultbildes kann auf eine planmäßige
Räumung hindeuten.
Unter den Funden aus Gebäude 5 in Königsbrunn fällt
besonders eine Häufung von kugeligen Sigillatabechern der Form Drag.
54 oder Niederbieber 24a auf. Dieses Phänomen kennt man auch aus Pons
Aeni oder Zillis. Diese Gefäßform ist in Siedlungsschichten
sehr selten. Sie diente wahrscheinlich eher kultischen Zwecken. Der Fund
einer eisernen Pfeilspitze könnte evtl. als Beleg für das Ritual
des dritten Weihegrades, nämlich den des miles (Soldaten), hinweisen.
Ein Schleifstein steht wohl in Zusammenhang mit Tieropfern im Rahmen des
Kultes. Die 96 Münzen aus Gebäude 5 waren fast alle im Mittelraum
IV verstreut. Auffallend ist, daß die Masse der Münzen aus dem
4. Jh. stammt, wobei die Münzreihe mit einer Prägung des Gratianus
(367/75) endet. Größere aber auch kleinere Münzreihen kennt
man aus vielen Mithräen, wobei sie bevorzugt im eigentlichen Kultraum
verstreut lagen.
Abb. 3: Mithräum, Königsbrunn.
Zur Deutung und Entwicklung der Gesamtanlage
Villa oder Straßenstation?
Sowohl eine Deutung als Villa aber auch als Straßenstation wurden schon in Erwägung gezogen. Das Problem bleibt immer das fehlende Hauptgebäude. Ungewöhnlich für eine Villa erschien der Charakter der Gebäude 2,3 und 4 (alle mit Estrich und Hypocaustum), bei denen es ich keine Wirtschaftsbauten handeln kann. Einräumige Wohnbauten oder Bäder sind bisher noch nicht nachgewiesen. Nebenwohngebäude sind normalerweise viel größer und mehrräumig. Ein Mithräum innerhalb der Anlage spricht nicht gegen eine Villa. Man kennt Villen mit Mithräum aus Mundelsheim (Baden-Württemberg), Rockenhausen oder Orbe-Boscéaz (Schweiz). Es gibt aber auch eine Straßenstation mit Mithräum: z.B. in Immurium (Moosham). Die römische Ansiedlung in Königsbrunn liegt ca. 1300 m westlich der Via Claudia, also nicht mehr in der direkten Nähe der Fernstraße. Dieser Umstand erscheint eher ungewöhnlich für eine Mansio.
Gräberfeld und Zufahrtsstraße
Das Gräberfeld zur römischen Ansiedlung wurde 1986 im Zuge der Anlage der neuen Wertachstraße entdeckt. Es handelt sich dabei um ca. 40 Brandgräber, die in drei Gruppen angelegt sind. Die Gräbergruppen befinden sich nur ca. 60 m östlich der Siedlung.1985 wurde im Bereich eines frühbronzezeitlichen Gräberfeldes im Luftbild eine römische Stichstraße erkennbar. Dieser Feldweg von ca. 5 m Breite war die Verbindung der Siedlungsstelle mit der Via Claudia.
Die zeitliche Entwicklung anhand der Funde
Die Gründung der Anlag fällt in flavische Zeit, da die frühesten
Funde (südgallische Reliefsigillata, Drag. 15/17, 1 Schälchen
Lyoner Ware vom Typ Hofheim 22 sowie eine kräftig profilierte Fibel
vom Typ Almgren 68), dementsprechend datieren. Der Schwerpunkt der Siedlungstätigkeit
fällt ins gesamte 2. und auch noch ins 3. Jh. Gebäude 4 bzw.
4a deutet auf eine Mehrphasigkeit hin, denn hier wurden die späteste
Rheinzaberner Reliefsigillata, späte glatte Sigillataformen, rheinische
Becher, die aus Gallien importierte céramique métallescente
sowie ein muschelförmiger Pferdegeschirrbeschlag (250-280) gefunden.
Es ist davon auszugehen, daß Gebäude 4 und das 1998 neu entdeckten
Gebäude nördlich des städtischen Friedhofs, in dessen Bereich
eine Zwiebelknopffibel und eine Münze des Maximinus II Daia gefunden
wurden, die jüngsten Bauwerke der Anlage darstellen.
Möglicherweise hat sich die Besiedlung im 4. Jh. in einen anderen
Teil der Anlage verlagert. Jedoch wäre zumindest das Mithräum
bis ins dritte Viertel des 4. Jhs. in Benützung gestanden. Die Funde
und Befunde des Jahres 1998 zeigen, daß die römische Ansiedlung
in Königsbrunn sich sowohl weiter nach Norden als auch nach Süden
weiter ausdehnt. Es handelt sich um eine äußerst großräumige
Anlage mit einer zeitlichen Benutzung vom letzen Viertel des 1. Jhs. bis
zum dritten Viertel des 4. Jhs., dessen Hauptgebäude noch auf die
Entdeckung wartet. Weitere geplante Grabungen im Norden des Friedhofs könnten
neue Erkenntnisse zu ungeklärten Fragen bringen.
Literatur:
B. Overbeck, Münzfunde aus der römischen Villa von Königsbrunn,
Ldkr. Augsburg, in: J. Bellot / W. Czysz / G. Krahe, Forschungen zur Provinzialrömischen
Archäologie in Bayerisch-Schwaben. Schwäbische Geschichtsquellen
und Forschungen 14 (Augsburg 1985) 281 ff.
W. Czysz, Das Umland von Augsburg in der römischen Kaiserzeit.
In: W. Pötzl / O. Schneider (Hrsg.), Vor- und Frühgeschichte,
Archäologie einer Landschaft. Der Landkreis Augsburg 2 (Augsburg 1996)
203 ff.
Publikation:
J. Polleres, Eine römische Ansiedlung mit Mithräum in
Königsbrunn, Landkreis Augsburg, Zeitschrift des Historischen Vereins
für Schwaben 95, 200, 7-26.
Kontakt: Julia.Polleres@uibk.ac.at
Für den Inhalt verantwortlich: die Verfasserinnen und Verfasser
der jeweiligen Arbeiten
© Institut für Archäologien / Klassische und Provinzialrömische Archäologie,
Universität Innsbruck, 2003