Aus welchen Bausteinen besteht die Welt?

Zu einem Forschungs- und Evaluierungsgipfel traf am 27. und 28.3. eine international besetzte Kommission in Innsbruck ein. Ziel dieses Treffens, an dem auch Generaldirektoren aus weltweit führenden Forschungseinrichtungen teilnahmen, war es in erster Linie, die Hochenergiephysik in Österreich zu evaluieren.
Aymar goes Internet
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Nicht nur die Evaluierung der Forschungstätigkeit aller Forschungsgruppen, die in Österreich auf dem Gebiet der Hochenergiephysik (ein Zweig der Quantenphysik) tätig sind, stand an diesem Wochenende an der Tagesordnung: gleichzeitig bot sich für die Generaldirektoren Dr. R. Aymar vom Europäischen Forschungszentrum CERN in Genf, Prof. A. Wagner vom deutschen Beschleunigerzentrum DESY in Hamburg und Prof. A.N. Skrinsky vom Forschungszentrum INP in Novosibirsk auch die Gelegenheit, mit dem stellvertretenden Vorsitzenden des Österreichischen Rats für Forschung und Technologie Prof. Günther Bonn und dem Vertreter des bm:bwk, Dr. Daniel Weselka, Informationen auszutauschen. Weiters wurde an beiden Tagen die Anwesenheit hochkarätiger Forscher für mehrere Meetings zum Thema „weltweite Entwicklung der Hochenergiephysik“ genutzt.Die Evaluierung der Hochenergiephysik wird durch eine Kommission, die von je einem Vertreter der Mitgliedsländer des Europäischen Forschungszentrums CERN beschickt wird, in regelmäßigen Abständen in allen CERN- Mitgliedsländern durchgeführt. Dies geschieht einerseits, um die Leistungsfähigkeit des CERN selbst auf höchstmöglichem Stand zu halten und andererseits, um eine bestmögliche Nutzung der CERN-Mitgliedschaft in den Mitgliedsländern zu gewährleisten.Die Veranstaltung wurde von Vizerektor Dr. Martin Wieser in Vertretung des Vizerektors für Forschung, Tilmann Märk, sowie vom Koordinator für Internationale Angelegenheiten der Leopold-Franzens- Universität, Univ.-Prof. Dr. Erich Thöni, eröffnet. Die Kommission hat sich bei ihrem Besuch in Österreich als Tagungsort nicht wie üblich, die Hauptstadt des besuchten Landes, sondern Innsbruck, ausgewählt und damit dem Entdecker der kosmischen Strahlung und Nobelpreisträger Victor Franz Hess eine Reverenz erwiesen. Deshalb war auch eine Fahrt auf das Hafelekar, wo die originalen Apparaturen von Hess noch besichtigt werden können, ein besonders gelungener Abschluss des Treffens.

Innsbrucker Forscher am CERN aktiv beteiligt Österreich hat eine lange Tradition auf dem Gebiet der Teilchenphysik: Österreichische Forscher wie Schrödinger und Pauli leisteten ganz entscheidende Beiträge zur Quantenmechanik, auf der die Physik der Elementarteilchen und damit die Hochenergiephysik aufbaut. So war es naheliegend, dass Österreich 1959 dem CERN beitrat und in Wien ein eigenes Akademieinstitut für Hochenergiephysik schuf. Aber auch in Innsbruck ließ man die auf Victor Franz Hess zurückgehende Tradition weiterleben: seit 1967 ist am Institut für Experimentalphysik eine Arbeitsgruppe unter der Leitung von Univ.-Prof. Dr. Dietmar Kuhn sehr erfolgreich an CERN- Experimenten beteiligt. Nebenbei ist dies die einzige Universitätsgruppe in Österreich, die experimentell am CERN mitarbeitet, während die anderen Universitätsgruppen sich mit der Theorie der Teilchenphysik befassen.

Innsbrucker Nobelpreisträger legte mit der Entdeckung der kosmischen Strahlung einen Grundstein zur Hochenergiephysik. Die Hochenergiephysik versucht zu erforschen, aus welchen Bausteinen unsere Welt letztlich aufgebaut ist und welche Kräfte diese zusammenhält. Sie ist damit als ein Zweig der Quantenphysik zunächst ein Gebiet der reinen Grundlagenforschung.Eine Eigentümlichkeit dieser Forschungsrichtung besteht aber darin, dass um so gewaltigere Apparaturen erforderlich sind, je kleiner die Dimensionen sind, in die man vorstoßen will, da man die Bewegungsenergie kollidierender Teilchen in die Materie von Teilchen- und Antiteilchenpaaren umformt.Zunächst standen die hierfür erforderlichen enormen Teilchenenergien nur in der kosmischen Strahlung zur Verfügung, für deren Entdeckung der in Innsbruck tätige Prof. V. F. Hess 1936 den Nobelpreis erhielt. Ab der Mitte des vorigen Jahrhunderts war man aber dann in der Lage, die entsprechenden Energien auch in den Forschungslabors mit den so genannten Teilchenbeschleunigern zu erreichen.

Forschungszentrum CERN in Genf
Wegen der hohen Kosten dieser Teilchenbeschleuniger und der benötigten riesigen Detektoren haben sich 1954 mehrere europäische Staaten zusammengeschlossen, um für diese Forschungsrichtung gemeinsam das Europäische Forschungszentrum CERN in Genf aufzubauen. Mittlerweile sind es insgesamt 20 europäische Mitgliedsstaaten, die in wissenschaftlichem Wettstreit mit ähnlichen Zentren in den USA, Russland und Japan stehen. Die wissenschaftlichen Ergebnisse sind spektakulär und wurden durch zahlreiche Nobelpreise an CERN- Forscher honoriert: Schritt für Schritt konnte durch den Bau ständig größerer Beschleuniger der Aufbau der Materie aus so genannten Quarks und Leptonen enträtselt werden. Zahlreiche Elementarteilchen, die die Kräfte zwischen diesen Bausteinen übermitteln, wurden beobachtet, aber die letzten Stücke in diesem Puzzle fehlen noch und sollen nun durch den so genannten "Large Hadron Collider LHC", einem ringförmigen Beschleuniger, der derzeit in einem 27 km langen Tunnel gebaut wird, aufgespürt werden.

Neuartige Rechnernetze (GRIDs) liefern die enorme Rechnerleistung Weil die Datenmengen, die bei den modernen Hochenergie-Experimenten anfallen, enorm hoch sind, sind nun unter der Federführung des CERN entsprechende weltweite Rechnernetze, so genannte GRIDs, im Aufbau. Diese zusammengefassten virtuellen Rechner- Organisationen sollen den Zugriff auf Daten in ganz Europa, Amerika und Asien jederzeit ermöglichen. Auch in diesem Bereich ist die Innsbrucker Hochenergiegruppe initiativ und wurde auf Empfehlung des Rates für Forschung und Technologie schon vor 2 Jahren mit einem GRID-Pilotprojekt betraut.

Auch auf anderen Gebieten hat die Hochenergiephysik starke Ausstrahlung auf benachbarte Forschungsgebiete und auf praktische Anwendungen wie z.B. in der Medizin: von den 10.000 weltweit existierenden Beschleunigern werden mehr als die Hälfte in der Medizin für Therapie und Diagnose angewendet! (dk/bb)