Preis für Forschung in extremen Lebensräumen

Gestern konnte die Arbeitsgruppe "Ökologie in Eis und Schnee" den Eduard-Wallnöfer-Preis 2003 für Forschungs- und Studienprojekte entgegennehmen. Projektleiterin Dr. Birgit Sattler, Mag. Anton Wille und Prof. Dr. Roland Psenner vom Institut für Zoologie und Limnologie beschäftigen sich mit "eiskalten" Lebensformen.
Prof. Psenner und Dr. Sattler bei der Übergabe des Preises
Prof. Psenner und Dr. Sattler bei der Übergabe des Preises
Die Gruppe um Birgit Sattler, der ersten Österreicherin am Südpol, untersucht mikrobielles Leben in extrem kalten und nährstoffarmen Lebensräumen wie Hochgebirgsseen, Schnee und Eis der Alpen oder Polargebieten. Dass Mikroben inmitten eines Eispanzers oder der Schneedecke überleben können und sogar noch wesentlich zum Stoffabbau von atmosphärisch deponierten Substanzen beitragen können und auch ein ganz wesentlicher Teil der Nahrungsgrundlage für höhere Organismen sind, ist noch nicht lange bekannt. In Innsbruck gelang erstmals der Nachweis, dass in der mehrere Meter dicken Winterdecke von Hochgebirgsseen Mikroorganismen am Gefrierpunkt gedeihen, durch eine außergewöhnliche Produktionsleistung gekennzeichnet und essentiell wichtig für den Stoffkreislauf von alpinen Ökosystemen sind. Diese Arbeit brachte auch den Beweis, dass die flächenmäßig riesigen Schneefelder der Alpen und anderer Gebirge als Ökosystem anzusehen sind, da sie von äußerst aktiven Mikroorganismen besiedelt sind, welche vom "Dreck in der Luft" leben können und diesen sogar noch abbauen.

Erstmals Nachweis von Leben in Wolken

Basierend auf den bisherigen Ergebnissen hat die Gruppe den Forschungsbereich "Extremlebensraum" noch einmal ausgeweitet. Nachdem im Schnee der Alpen und in Polargebieten mikrobielle Aktivität nachgewiesen werden konnte, stellte sich die Frage nach der Herkunft dieser Keime. Aus stark unterkühlten Wolkentröpfchen konnten metabolisch aktive Zellen isoliert und nachgewiesen werden. Dass diese Zellen selbst am Gefrierpunkt in den stark unterkühlten Wolkentröpfchen aktiv sind und auf den Transportkorridoren von Wolkenströmungen mitwandern sorgte in der Fachwelt für internationales Aufsehen. Die Zahl der Keime ist zwar sehr gering, doch können diese Zellen Schadstoffe in der Atmosphäre abbauen und als Eiskeime fungieren. Zudem konnte gezeigt werden, dass Zellen mit der Atmosphäre verbreitet werden und teilweise unter sehr lebensfeindlichen Umständen wie tiefe Temperaturen, Nährstoffarmut, hohe UV-Strahlung und geringer Druck nicht zugrunde gehen und so auch isolierte Lebensräume besiedeln können.

Gefrierschutzproteine für die Industrie

Als Konsequenz ihrer Arbeit halten die Innsbrucker Forscher ein völlig neues Bewusstsein über unser Ökosystem Alpen für notwendig: "Mikroorganismen kommen selbst in diesen widrigen Nischen vor, überleben, tragen zum Schadstoffabbau bei und sind wichtiger Bestandteil der alpinen Nahrungsketten. Diese Lebensgemeinschaften sind äußerst sensibel und dienen längerfristig in Gebirgs- und Polarregionen als zuverlässige Indikatoren für Umweltveränderungen," so Birgit Sattler. "Eissysteme in den Alpen und den Polregionen werden als Analog zu potenziellem Leben auf anderen Planeten untersucht." Kälte liebende Mikroorganismen besitzen so genannte Gefrierschutzproteine, die auch für die Biotechnologie, die Lebensmittelindustrie oder die Waschmittelindustrie von großer Bedeutung sein können. (cf)