Soziologie im Steilflug: Take-Off im Bachelor-Studium mit 350%

In diesem Semester gibt es in Innsbruck erstmals Soziologie als eigenständiges Studium. Trotz fehlendem Studierenden- und AbsolventInnen-Netz schrieben sich statt der erwarteten 65 Neustudierenden 3,5- mal mehr Studierende für das neue Studium ein.
Christian Fleck und Ilona Ostner mit Studierenden
Christian Fleck und Ilona Ostner mit Studierenden
Akademischer Start mit Fachrepräsentanz und Podiumsdiskussion
 

Das große Interesse am Fachgegenstand und Fach sollte gleich anfangs standesgemäß akademisch gewürdigt werden. So lud das Institut für Soziologie dieser Tage zu einer Podiumsdiskussion zu den aktuellen “Aufgaben der Soziologie”. Nicht nur die Neustudierenden kamen, sondern als geladene Gäste auch Prof. Ilona Ostner vom Vorstand der Deutschen Gesellschaft für Soziologie sowie Prof. Christian Fleck in Eigenschaft als Präsident der Österreichischen Fachgesellschaft.

 

Was sind die Aufgaben der Soziologie?

Während Fakultätsstudienleiter Prof. Günther Pallaver und Martina Geiger von der Fakultätsstudienvertretung einleitend die Ausbildungsrolle des Faches betonten, in einem Umfeld, wo es zuvor weder in Tirol noch gegenwärtig in Vorarlberg und dann erst wieder in Salzburg, München und Trient Soziologie-Studienprogramme gibt, unterstrich Dekan Prof. Fritz Plasser die Rolle der Soziologie auch in der akademischen Stärkung des “Wissensfeldes” der sozialwissenschaftlichen Fakultät.

 

Was ist Soziologie?

Ilona Ostner unterschied zwei Aufgabenbereiche: 1. Womit beschäftigt sich die Soziologie? 2. Was tun Soziologen? Auf der Makroebene erforscht Soziologie für Ostner erstens die Gesamtgesellschaft und immer mehr auch Gesellschaften im Vergleich. Auf der Mesoebene gilt das Augenmerk zweitens sozialen Institutionen als vermittelnden Instanzen. Eine dritte Aufgabe der Soziologie bleibt daneben, ihre Scheinwerfer ebenso auf die Mikroebene der sozialen Alltagsbeziehungen zu lenken.

 

Was tun Soziologinnen und Soziologen?

Bei der anschließenden Frage, was neben den Aufgaben der Soziologie die Aufgaben ihrer Akteure sind, gewann die Debatte Brisanz - und dies nicht allein, weil hier Christian Fleck durchaus eine andere Meinung einbrachte, sondern auch durch die Diskussionsbeiträge derjenigen, um die es vor allem ging: der Studierenden. Für Ostner, deren AbsolventInnen vielfach in die Politikberatung gehen, ist heute klar: Soziologie ist nicht Sozialarbeit und auch nicht Sozialreform. Soziologie muss vielmehr sehen, was ist. Ihre Aufgabe ist, das Vorhandene der Gesellschaft verstehen.

 

Was heißt ‘Studieren’ heute?

Für Prof. Fleck hingegen gibt es durchaus einen weiteren Moment. Zwar ist Soziologie auch für ihn zuerst Erkenntnis über die soziale Welt, die mitunter auch hart und nüchtern gegen die eigenen Vorurteile und Interessen Zusammenhänge aufdecken und erläutern muss. Aber: Der Soziologe bleibt für ihn nicht Schreibtischtäter und soll vielmehr Erkenntnisse auch in die Öffentlichkeit tragen - kein Wunder, dass sich leicht eine rege Debatte mit dem Publikum hat anschließen können.

In dieser setzte eine Studierende, die sich ihr Doppelstudium der Betriebswirtschaft und Soziologie selbst verdienen muss - was hier wichtig ist -, einen alle überraschenden Akzent: Wenn zuviel über Berufsaufgaben und -chancen, Jobs, Schlüsselqualifikationen und den Nutzen geredet wird, kann verloren gehen, worauf es für Zwanzigjährige doch zuerst ankomme: Bildung - die Uni als Lernchance, sich relevant auszukennen mit dieser Welt.