Das Jahr 1809 in historischer Perspektive

Beim Symposion "Martyrium als religiös-politische Herausforderung" skizzierte die Historikerin Prof. Brigitte Mazohl in einem zeitlich wie thematisch weit ausgreifenden Vortrag das Thema "Das Jahr 1809 in historischer Perspektive" und bot damit eine verantwortete historische Verortung des Erinnerungsortes 1809 in seinem historischen Kontext und eine Analyse der Rezeption der Ereignisse.
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Prof. Brigitte Mazohl (Foto: Stocker)

Dabei wurde in einem ersten Schritt von ihr herausgearbeitet, dass die Tiroler Ereignisse im Umfeld der Erhebung von 1809 keinesfalls so einzigartig waren, wie das im regionalen Bewusstsein gerne angenommen wird. So dienten die Aufstände spanischer Bauern gegen den bonapartistischen Staat von 1808/09 in mehrfacher Hinsicht als Initialzündung und Vorbild der gewalttätigen Auflehnung der Tiroler gegen die als ungerecht empfundene bayerische Herrschaft. So nutzte die kaiserliche Politik in Wien die Bindung französischer Truppen in Spanien und forcierte die Bewaffnung breiterer Bevölkerungsschichten, um damit den Aufstand gegen französisch-bayerische zu ermöglichen.

 

Darüber hinaus standen die Tiroler Ereignisse generell in engem Zusammenhang mit der fundamentalen Epochenschwelle zwischen der Französischen Revolution 1789 und dem Wiener Kongress von 1814/15, die zu einer umfassenden Territorialisierung und politischen Modernisierung führten und ein erneuertes Menschen- und Weltbild hervorbrachte. Die alte ständische Ordnung wurde durch die Prinzipien des nationalen Staates und der allen Menschen von Geburt zustehenden Rechten von Freiheit und Gleichheit sukzessive aufgelöst.

 

Andreas Hofer, der nach den Schlachten des Jahres 1809 sozusagen zufällig – ohne legale Ernennung durch den Kaiser oder durch Wahl durch die nicht mehr existierenden Landstände – in den Mittelpunkt der Macht in Tirol geriet, spielte seine Rolle als Märtyrer schon bald nach seiner Hinrichtung in der kollektiven Erinnerung. Bekannt ist die Bemerkung von Probst Manifesti, der ihm eine Märtyrerhaltung im Angesicht des Todes konstatierte. Massiv vorwärtsgetrieben wurden solche Entwicklungen während des weiteren Verlaufs des 19. Jahrhunderts; besonders wirkmächtig sollte die Deutung der Ereignisse des Jahres 1809 durch das religiöse Symbol des Kreuzes werden, wie es sich besonders im Gemälde „Das Kreuz“ von Albin Egger-Lienz von 1898/1901 zeigte und bis heute – zumindest bis zu einem gewissen Grad – im Symbol der Dornenkrone nachwirkt. Diese Dimension ist bis heute mindestens teilweise präsent, hat allerdings im Gedenkjahr 2009 nur mehr eine nachrangige Rolle gespielt, nicht zuletzt, weil die Kirchen sich gegen eine derartige Instrumentalisierung des Kreuzes zunehmend verwahrten.

 

Das Symposion wurde am 8. Oktober unter Anwesenheit des Rektors der Universität Innsbruck, Karlheinz Töchterle, der Rektorin der Kirchlichen Pädagogischen Hochschule, Regina Brandl, und dem Präsidenten des Tiroler Landtages, Herwig van Staa, eröffnet. Der Rektor hob die Beutung der Inititative der Theologischen Fakultät für das Gedenkjahr 2009 hervor. Sie zeige innovative Wege, wie man sich mit der Vergangenheit in verantworteter Weise auseinandersetzen kann. Die Kooperation mit der Gemeinde Telfs unter der Einbeziehung der islamischen Gemeinde vor Ort eröffnete zugleich neue Wege des Dialogs, die von der Theologischen Fakultät bereits seit vielen Jahren gepflegt werden.

(ip)