Kulturwissenschaften im Fokus

Kulturbegegnungen und Kulturtransfer standen heuer im Zentrum des Tiroltages, der offiziellen Eröffnung des Europäischen Forums Alpbach 2009. Am Sonntag gab diese Auftaktveranstaltung – in enger Zusammenarbeit zwischen dem Land Tirol, dem Kuratorium Alpbach und der Uni Innsbruck gestaltet – Einblicke in die erfolgreiche Forschung an der Philologisch-Kulturwissenschaftlichen Fakultät.
Rektor Karlheinz Töcherle bei der Begrüßung zum Tiroltag 2009
Rektor Karlheinz Töcherle bei der Begrüßung zum Tiroltag 2009

Die Philologisch-Kulturwissenschaftliche Fakultät betreibt – gebündelt und vernetzt in Forschungsschwerpunkten – eine Vielzahl historisch, kulturwissenschaftlich und medienwissenschaftlich ausgerichteter Forschungen, die sich mit kulturellen Transferprozessen sowie mit  kulturellen Kontaktphänomenen und deren unterschiedlichen Repräsentationen auseinandersetzen. Das betonte Rektor Prof. Karlheinz Töchterle, der in seiner Eröffnungsrede auf die historischen und ideengeschichtlichen Entwicklungen der Philologie als Wissenschaft einging und ihren Wert für eine moderne multimediale Gegenwart und Zukunft unterstrich. Dazu gehören auch Prozesse der Vermittlung und des Übersetzens, etwa eines Mediums in ein anderes zum Beispiel bei Literaturverfilmungen oder einer Epoche in eine andere, wie beim Umgang mit dem Mythos Andreas Hofer. Solche Fragestellungen und Ergebnisse sind in hohem Maße gesellschaftlich relevant und bereichern nicht zuletzt die Sprach- und Migrationspolitik, gerade in einer multilingualen Region wie Tirol. „Ich freue mich, dass  die Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler unserer Fakultät beim  diesjährigen Tiroltag die Möglichkeit haben, ihr breites Spektrum an Forschung zu präsentieren, denn Forschung ist nicht nur an und für sich  wichtig – es kommt auch darauf an, sie in der Gesellschaft zu  kommunizieren und (z. B. politische) Impulse damit zu geben“, so Prof. Waltraud Fritsch-Rößler, Dekanin der Philologisch-Kulturwissenschaftlichen  Fakultät.

 

Landeshauptmann Günther Platter unterstrich ebenfalls die Notwendigkeit dieser Vermittlungsarbeit, da diese wichtige Antworten für die aktuellen politischen Fragestellungen liefern könne: „Die Migration nimmt zu, ob wir wollen oder nicht. Und wenn wir die Integration nicht schaffen, dann werden wir scheitern.“ Weiters forderte der Landeshauptmann, die positiven Aspekte dieser Migration und den damit verbundenen kulturellen Mehrwert deutlicher als bisher zu betonen und die positiven Aspekte stärker zu unterstützen.

 

Landesrätin Sabina Kasslater-Mur, offizielle Vertreterin von Südtirols Landeshauptmann Luis Durnwalder und ebenfalls Absolventin der Universität Innsbruck, ging auf die Chancen ein, die das Gedenkjahr und sein Motto: „Geschichte trifft Zukunft“, bieten. Erstmals sei es gelungen, alle drei Südtiroler Sprachgruppen, die deutsche, die ladinische und die italienische, in die Landesausstellung in Franzensfeste einzubinden und eine breite Diskussion rund um die Geschichte Südtirols zu führen.

 

Raum für Kultur

Den Auftakt zum ersten Block mit dem Titel „Kultur-Räume“ machte die freie Autorin und  Absolventin der Universität Innsbruck, Mag. Sabine Gruber, mit einem  Vortrag zur Literatur in Südtirol, Österreich und Italien. Im Anschluss  setzte sich der klassische Philologe, Prof. Martin Korenjak, mit dem grundlegenden Wandel in der Einstellung des Menschen zum Gebirge – von der  gefürchteten Gegend zur Erholung bringenden Ideallandlandschaft –  auseinander.  Ein weiterer  Absolvent der Universität Innsbruck, Prof. Gerald Stieg, Professor  emeritus für Germanistik an der Universität Sorbonne Nouvelle in Paris, beendete den ersten Block mit seinem Vortrag "Eingemeindung durch Übersetzung am Beispiel von Rilke".

 

Der Nachmittag stand unter dem Motto „Wanderungen. Wege der Forschung“ und setzte sich mit den verschiedensten Arten des Kulturtransfers auseinander.  Eröffnet wurde dieser Block von der  Professorin für Französische und Spanische Literaturwissenschaft am Institut für Romanistik, Prof. Ursula Moser, die sich in ihrem Referat  „Literatur als Lebenswissen – Migration als Chance“ mit dem Thema Migrationsliteratur auseinandersetzte. Prof.  Wolfgang Pöckl, Leiter des Instituts für Translationswissenschaft, erörterte im Anschluss die Frage „Literaturübersetzungen: Bastarde oder Kulturbotschafter“ und Dr. Andrea Abel, Koordinatorin  am Institut für Fachkommunikation und Mehrsprachigkeit an der EURAC Bozen, stellte die „Didaktik der  Mehrsprachigkeit“ ins Zentrum ihres Vortrages. Mit neuesten Entwicklungen beim Spracherwerb und bei der SprachlehrerInnenausbildung setzte sich anschließend Prof. Wolfgang Stadler vom Institut für Slawistik in seinem Referat „Russisch goes Tirol“ auseinander, bevor Dr. Ruth  Esterhammer, Wissenschaftliche Mitarbeiterin am Institut für Germanistik,  Einblicke in Entstehung, Betrieb und aktuellen Arbeitsalltag des  Innsbrucker Zeitungsarchivs – einem modernen Dokumentations- und  Forschungszentrum zur deutsch- und fremdsprachigen Literatur – gab. Prof. Johann Holzner, Leiter des Forschungsinstitutes Brenner-Archiv, setzte ich in seinem abschließenden Vortrag mit einschlägigen Texte und künstlerischen Aufarbeitungen rund um den Mythos Andreas Hofer von Heinrich Heine über Karl Schönherr bis zu Julian Schutting auseinander.

 

Ein Fenster in die  Universität

Der Tiroltag ist der  offizielle Start des Europäischen Forums Alpbach und wurde heuer bereits zum  fünften Mal vom Vizerektor für Forschung der Universität Innsbruck, Prof.  Tilmann Märk, in Zusammenarbeit mit dem Land Tirol und dem Kuratorium des  Forums Alpbach organisiert. „Seit 2005 haben wir die Möglichkeit, unsere  wissenschaftliche Leistungsfähigkeit im Rahmen der Eröffnung des weit über  die Grenzen hinaus bekannten Forums Alpbach zu präsentieren. Eine Chance,  die für alle Beteiligten eine Bereicherung darstellt“, betont VR Tilmann  Märk die Bedeutung der Veranstaltung.   Der Fokus der  wissenschaftlichen Vorträge wechselt jährlich. Bisher wurden die  herausragenden Forschungsleistungen der Physik an der Universität  Innsbruck (2005), die Standortstärke im Bereich der Biowissenschaften,  gemeinsam mit der Medizinischen Universität und der UMIT (2006), die  gesellschaftliche Relevanz der renommierten Forschungsaktivitäten der  Philosophisch-Historischen Fakultät, insbesondere auch im Hinblick auf die  Tiroler Geschichte (2007) und die Forschungsarbeit der  Wirtschaftswissenschaftlichen Fakultäten (2008)  beleuchtet. 

 

(sr/ us)