Die Zeitschrift „Der Brenner“ geht online

Ein vor mehreren Jahren noch visionär anmutendes Editionsprojekt, das vom ehemaligen Präsidenten der Österreichischen Akademie der Wissenschaften Prof. Werner Welzig initiiert wurde, ging nun durch die Ziellinie: Seit dem 30. 10. 2007 gibt es eine digitale Internet-Edition eines der bedeutendsten kulturkritischen Blätter des 20. Jahrhunderts Österreichs, der Zeitschrift "Der Brenner“.
Prof. Werner Welzig bei der Präsentation des Brenner online
Prof. Werner Welzig bei der Präsentation des Brenner online.

Diese digitale Edition wurde durch das "AAC-Austrian Academy Corpus" der Österreichischen Akademie der Wissenschaften (ÖAW) unter der Leitung von Dr. Evelyn Breiteneder in Kooperation mit dem Brenner-Archiv der Universität Innsbruck entwickelt. Die Edition bietet nicht nur Forschung und Wissenschaft, sondern auch kulturgeschichtlich Interessierten einen Zugang zum gesamten Text der Zeitschrift sowie zu den Faksimiles der einzelnen Heftseiten und ermöglicht die quelleneditorisch korrekte Zitierung aller Texte.

 

Ein innovatives Navigationsmodul wurde implementiert, mit dessen Hilfe nicht nur von Seite zu Seite, von Heft zu Heft oder von Jahrgang zu Jahrgang navigiert werden kann, sondern auch zu im jeweiligen Zusammenhang relevanten Textpassagen. Die graphische Umsetzung kompensiert das Fehlen jener haptischen und visuellen Informationen, die nur durch die physische Präsenz des gedruckten Magazins gegeben sind, und schafft so einen Mehrwert der digitalen Edition.

Neben den Möglichkeiten der Volltextsuche und der Suche nach Wortformen bietet der digitale „Brenner“ eine Namendatenbank, in der Metadaten über sämtliche reale und fiktionale Personen, die im „Brenner“ genannt werden, zur Verfügung stehen. Somit können Querverbindungen zwischen den in der Zeitschrift vorkommenden Autoren und anderen realen Personen sowie allen fiktiven Personen aufgezeigt werden. Die trotz raffinierter Suchmöglichkeiten einfache Handhabung und Lesbarkeit der Online-Version des „Brenner“ wurde durch die Beamer-Projektion von Dr. Hanno Biber und Dr. Karlheinz Mörth anschaulich gemacht.

 

Die Zeitschrift „Der Brenner“

Ludwig von Ficker hat von 1910 bis 1954 mit zeithistorisch bedingten Unterbrechungen 104 Brenner-Hefte in Innsbruck herausgegeben. Die Lyrik Georg Trakls, Fickers wichtigster literarischer Entdeckung, gab der Zeitschrift von 1912 bis 1914 eine besondere Prägung.

Vorbild des  „Brenner“ war „Die Fackel“ von Karl Kraus. Mit Beiträgen von Carl Dallago, Max von Esterle, Hugo Neugebauer, Karl Röck, Ludwig Seifert und Arthur von Wallpach wie auch von Autorinnen und Autoren aus dem gesamten deutschen Sprachraum, u. a. Else Lasker-Schüler, versuchte die Zeitschrift, den erstarrten bürgerlichen und provinziellen Kulturbetrieb Tirols aufzubrechen. Bis zum Ersten Weltkrieg hatte sich „Der Brenner“ bereits zu einem brisanten kulturkritischen Blatt mit teilweise expressionistischem Einschlag entwickelt. Der Erste Weltkrieg führte zu einer intensiven Auseinandersetzung um Christentum und Kirche und damit zu einem neuen programmatischen Schwerpunkt. Nach 1926 widmete sich die Zeitschrift der Erörterung theologischer Zeitfragen. Aus einem Blatt der literarischen Avantgarde war eine Plattform einer auf christliche Erneuerung bedachten Avantgarde geworden. Führende Autoren dieser Phase waren Ferdinand Ebner, Theodor Haecker (auch als Übersetzer Sören Kierkegaards) und John Henry Kardinal Newman.
Nach dem Zweiten Weltkrieg erschienen Beiträge poetischer und essayistischer Art, aber auch Rückblicke auf die erst jetzt im vollen Ausmaß erkannte Bedeutung der Beziehungen des „Brenner“ zu Trakl, Dallago, Rilke, Wittgenstein und Ebner.