Der Geist des Kapitalismus

Auf Einladung von Prof. Dr. Albrecht Becker und MMag. Martin Messner (Institut für Rechnungswesen, Steuerlehre und Wirtschaftsprüfung) hielt Prof. Eve Chiapello von der HEC School of Management in Paris am 27. März 2006 an der Fakultät für Betriebswirtschaft einen Gastvortrag zum Thema „Spirits of Capitalism - Modes of Management“.
v.l.: Prof. Eve Chiapello (HEC Paris), Prof. Alan Scott (LFU Innsbruck)
v.l.: Prof. Eve Chiapello (HEC Paris), Prof. Alan Scott (LFU Innsbruck)

Prof. Chiapello beschäftigt sich seit mehreren Jahren mit der historischen Entwicklung des Kapitalismus und mit der Genese von Management-Methoden, die mit dieser Entwicklung korrelieren. Gemeinsam mit Luc Boltanski hat sie 1999 das viel beachtete Buch ‚Le nouvel esprit du capitalisme’ (Der neue Geist des Kapitalismus) verfasst. Die zentrale These dieses Buches lautet, dass die Entwicklung des Kapitalismus nur dann zu verstehen ist, wenn man die Kritik am Kapitalismus mitberücksichtigt.

 

Chiapello und Boltanski zeigen, wie unterschiedliche Wellen von Kritik den Kapitalismus und seine Legitimationsbasis, insbesondere in Frankreich, sukzessive mitgeprägt und transformiert haben. Insbesondere unterscheiden sie zwischen einer konservativen Kritik (ab ca. 1870), einer Sozialkritik (ab ca. 1890), einer ‚artistic critique’, die sich im Rahmen der Studentenbewegung entwickelte, (ab ca. 1968) und einer ökologischen Kritik (ab ca. 1990). Wenn die Kritik eine kritische Masse’ annimmt und nicht mehr ignoriert werden kann, dann kommt es zu einer Veränderung des ‚Geistes’ des Kapitalismus, d.h. es werden neue Formen kapitalistischer Arbeits- und Organisationsweise begründet. Gegenwärtig lässt sich beispielsweise ein hohes Maß an Projekt-basierter Arbeit, ein Plädoyer für Self-Management und ‚entrepreneurship’ sowie das Aufkommen neuer netzwerkartiger Organisationsformen beobachten. Dies lässt sich, so Chiapello, auch und wesentlich als Antwort auf die ‚artistic critique’ seit Ende der 1960er Jahre interpretieren.

 

Prof. Alan Scott vom Institut für Soziologie kommentierte anschließend den Vortrag von Prof. Chiapello, indem er die Arbeit von Chiapello und Boltanski in den Kontext der klassischen Gesellschaftsdiagnose von Max Weber stellte.

 

Der Gastvortrag war eine der ersten Veranstaltungen im Rahmen des beantragten interdisziplinären Forschungsschwerpunktes „Organization Studies“. Unterstützt wurde die Veranstaltung vom Frankreich-Schwerpunkt der LFU Innsbruck, von MLP Vermögensberatung AG und vom uni-management club innsbruck.

 

Prof. Chiapello präsentierte darüber hinaus am 28. März ein Arbeitspapier mit dem Titel „Searching for the accounting features of capitalism: An illustration with the economic transition process in China“ im Rahmen des Kolloquiums des ebenfalls in der Beantragung stehenden Forschungsschwerpunkts "Accounting Theory & Research".