Der Weg zu globaler Gerechtigkeit

Die britische Soziologin Fran Tonkiss begab sich gestern Abend in einem Vortrag auf die Suche nach den Möglichkeiten für ökonomische Gerechtigkeit in unserer Welt. Sie widersprach dabei sowohl Befürwortern als auch Gegnern der Globalisierung und betonte, dass es keine einfache Regel für ökonomische Gerechtigkeit gebe.
Trans Fair
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Für Fran Tonkiss, Lehrbeauftragte am Goldsmiths College der Universität London, sind heute Fragen globaler Gerechtigkeit in so fern stark präsent, solange es sich um internationales Recht oder Menschenrechte handelt. Die Bedingungen ökonomischer und sozialer Gerechtigkeit wurden hingegen im letzten Jahrzehnt durch kulturalistische Diskurse weitgehend verdrängt. Globalisierungsbefürworter als auch -gegner greifen diese Diskussion heute wieder verstärkt auf, simplifizieren ihre Argumente jedoch oft drastisch. Während die einen sich des freien Marktes zur Herstellung von Gerechtigkeit bedienen wollen, behaupten die anderen, dass es durch diese Form der Globalisierung keine Gerechtigkeit geben könne.

Um dieser Vereinfachung zu entgehen, schlägt Tonkiss eine Analyse in sechs konkreten Bereichen vor. Im Kampf um gerechten Handel ist ihrer Meinung nach eine Verschiebung von dezidiert antikapitalistischen, lokalen Fair-Trade-Initiativen hin zu Versuchen internationaler Regulierung auf makroökonomischer Basis zu beobachten. Der Erdölmarkt biete seit Jahrzehnten ein relativ erfolgreiches Beispiel eines selbstregulierten Marktes. Auch in der Kaffeeproduktion werde nun versucht, ein solches Modell zu etablieren. Interessant ist dabei, dass hier nicht die Staaten oder internationale Institutionen federführend sind, sondern die globalen Unternehmen, NGOs und die Produzenten selbst.

Die Schuldenpolitik, die ärmere Staaten oft jeder Handlungsmöglichkeit beraubt, das Feld der Arbeit, in dem Standortpolitik und Konsumentenboykott mögliche Antworten auf die Mobilität der Unternehmen sind oder die Steuerpolitik, die für den nationalen Wohlfahrtsstaat von zentraler Bedeutung war, sind weitere Konfliktfelder, in denen soziale Gerechtigkeit thematisiert werden muss. Gerade die Steuerflucht transnationaler Unternehmen könnte durch ein internationales Steuerregime leicht unterbunden werden. Die Kontrolle der globalen Finanzströme müsste sich nur derselben Mittel bedienen, wie sie der internationale Finanzmarkt für seinen schwungvollen Handel einsetzt. Wasser, Strom, Transport, Umwelt und andere öffentliche Dienstleistungen stehen unter einem hohen Liberalisierungsdruck. Das auch von der EU stark forcierte Freihandelsabkommen GATS (General Agreement on Trade and Services) fördert hier eine progressive Liberalisierung.

Was oft übersehen wird, so Tonkiss, sind die Bedingungen für eine Globalisierung von Chancen und Fähigkeiten. Wie der indische Nobelpreisträger Amartya Sen deutlich machte, ist der Zugang zu Wissen, Information und Innovation in unserer Welt sehr ungleich verteilt, gleichzeitig aber eine vitale Voraussetzung für soziale Gerechtigkeit. Am Beispiel der Urheberrechte zeige sich etwa, meint Tonkiss, dass Globalisierung nicht automatisch Liberalisierung bedeute. Hier werde vielmehr die Regulierung von geistigem Eigentum in den Vordergrund gestellt. Das selbe gilt für das GATS, dass letztlich durch Regulierung Liberalisierung erreichen will. Für Tonkiss ist es daher klar, das Globalisierung nicht einfach mit Liberalisierung gleichgesetzt werden darf. Die momentane Situation sei vor allem dadurch gekennzeichnet, dass einige Akteure in ihrem Interesse regulieren können und andere nicht. "Die Regulierungskapazitäten sind sehr selektiv verteilt. Handlungsfähig ist aber nur der, der über solche Kapazitäten verfügt," betont Tonkiss.

Fran Tonkiss ist derzeit Gastprofessorin am Institut für Soziologie und beschäftigt sich mit ökonomischer und politischer Soziologie sowie mit Stadtforschung.