Chancengleichheit für Physikerinnen

Die internationale Vereinigung für Physik und angewandte Physik (IUPAP) veranstaltete Anfang März in Paris die erste internationale Konferenz zum Thema "Frauen in der Physik". Obwohl 20 Prozent der Physik-Studierenden weiblich sind, ist der Anteil der Frauen in gehobenen wissenschaftlichen Position sehr gering. Nun soll ein europäisches Physikerinnen-Netzwerk gegründet werden.
Chancengleichheit für Physikerinnen
Chancengleichheit für Physikerinnen
Im eindrucksvollen Ambiente des UNESCO Gebäudes versammelten sich mehr als 300 Physikerinnen aus 67 Ländern, um der Frage nachzugehen, warum Physikerinnen weltweit unterrepräsentiert sind und wie Frauen verstärkt für den Beruf Physikerin motivieren werden können. Aus Österreich nahmen unter der Leitung von Dr. C. Ambrosch-Draxl (Universität Graz, Vorsitzende des Arbeitskreises Frauen und Physik der ÖPG) vier Wissenschafterinnen an der Konferenz teil. Sie präsentierten die Ergebnisse einer Untersuchung über die herrschende Situation an den österreichischen Universitäten.

Global betrachtet stellte sich unabhängig von Religion, Gesellschaftssystem oder sozialem Netz heraus, dass ab dem ersten akademischen Grad (z.B. Magistra) die Anzahl der Frauen, welche die Karriereleiter höher klettern (z.B. Doktoratsstudium), stark abnimmt. Deshalb sind Frauen sehr selten in Führungspositionen zu finden. Österreich liegt im europäischen Durchschnitt in Bezug auf den Frauenanteil bei den Universitätsbediensteten im unteren Drittel. Obwohl rund 20% der Physik-Studierenden weiblich sind, gibt es in Österreich eine einzige Frau, die einen ordentlichen Lehrstuhl in der Physik innehat: Dr. M. Ritsch-Marte (Universität Innsbruck, ebenfalls im österreichischen Team und stellvertretende Vorsitzende des Arbeitskreises Frauen und Physik der ÖPG).

Da Wissenschaft und Forschung in Zukunft nicht auf das weibliche Potential verzichten können, wurden im Rahmen der IUPAP Konferenz in insgesamt sechs Diskussionsgruppen Ideen und Vorschläge gesammelt, um die Chancengleichheit für Physikerinnen zu verbessern. Es wurde gefragt, wie Schülerinnen effektiv zum Physikstudium motivieren werden können, was die Grundlagen für eine erfolgreiche Karriere als Physikerin sind, wie Institutsstrukturen und -klimen für Frauen verbessern werden können, wie Familie und Karriere verbunden werden können, wie Frauen verstärkt in wissenschaftliche Führungsstrukturen eingebunden werden können und was aus den regionalen Unterschieden gelernt werde kann. Die Ergebnisse dieser Diskussionsforen wurden in Resolutionen zusammengefasst, welche an verschiedenste Institutionen (Schulen, Universitäten, Regierungen, wissenschaftliche Gesellschaften, Sponsoren, Industrie, IUPAP) gerichtet sind. Unter anderem wird dazu aufgefordert, dass Mädchen in Schulen gleichermaßen für Physik motiviert werden wie Burschen, Auswahlkriterien und -verfahren für die Vergabe von Stipendien, Geldmitteln, Lehrstellen transparent sind und Frauen dabei gleichberechtigt behandelt werden, Frauen auch in jene Gremien aufgenommen werden, welche über die Vergabe von Stipendien und Förderungen bestimmen, an Physikinstituten mit starker Unterrepräsentation verstärkt Frauen angestellt werden, auch in Führungspositionen, Frauen gleichen Zugang zu universitären Einrichtungen und Finanzierungen haben, flexible Arbeitszeiten für beide Geschlechter eingeführt werden, um die Aufgabe der Kinderbetreuung zu erleichtern, verstärkt Ganztages-Kinderbetreuungseinrichtungen in der Nähe des Arbeitsplatzes eingerichtet werden, in jeder wissenschaftlichen Gesellschaft Arbeitsgruppen geschaffen werden, welche Frauen fördern und unterstützen und Regierungen nur jene Organisationen und Institute fördern, welche eine absolute Gleichstellungspolitik verfolgen.

Die Relevanz und Brisanz dieser Themen wurden nicht alleine durch die beeindruckende Anzahl von Teilnehmerinnen aus 67 Ländern unterstrichen, sondern auch durch die aktive Mitarbeit von vielen Männern, darunter Burton Richter (Präsident der IUPAP), W. Erdelen (assistierender Generaldirektor für Naturwissenschaften der UNESCO) sowie Philippe Busquin (Kommissar für Forschung der Europäischen Union). Ein weiteres Indiz dafür ist, dass das sehr angesehene Journal "Physics World" die Titelseite den Frauen in der Physik gewidmet hat.

Als Konsequenz dieser internationalen Konferenz soll nun ein europäisches Physikerinnen-Netzwerk entstehen, das die Teilnahme von Physikerinnen und Physikern sehr willkommen heißt. Die Länderteams werden weiterhin an der Sammlung von Daten und der Erstellung von Statistiken zur genauen Analyse der Frauenverteilung in der Physik arbeiten. Die Berichte aller Teams sowie die Zusammenfassung und Erkenntnisse der Diskussionsforen erscheinen in einem Proceedingsband, der vom American Institute of Physics (AIP) herausgegeben wird.