Neues Werkzeug zur Erforschung von Antibiotika-Resistenzen

Chemiker um Ronald Micura vom Institut für Organische Chemie haben einen Weg gefunden, „Designer-Komplexe“ aus RNA und Peptiden herzustellen, die als wertvolles Werkzeug zur Erforschung von Resistenzbildung bei Antibiotika dienen können. Ihre Arbeit wurde als „Very important paper“ in der renommierten Fachzeitschrift „Angewandte Chemie“ eingestuft und jetzt veröffentlicht.
Das Team um Prof. Ronald Micura hat nun einen Weg gefunden, „Designer-Komplexe“ aus R …
Das Team um Prof. Ronald Micura hat nun einen Weg gefunden, „Designer-Komplexe“ aus RNA und Peptiden herzustellen, die als Werkzeug zur Erforschung von Resistenzbildung dienen können.

Die kontinuierliche Produktion von Proteinen ist für Bakterien, wie für alle anderen Lebewesen, notwendig für Wachstum, Vermehrung und für alle anderen Lebensvorgänge. Einen „Baustopp“ herbeizuführen ist daher Ziel der meisten Antibiotika: Sie greifen am Ribosom der Bakterien an, an deren Proteinfabrik. Makrolid-Antibiotika wie beispielsweise Erythromycin, Clarithromycin oder Roxithromycin blockieren gezielt das Anfügen neuer Proteinbausteine, der Aminosäuren, und verhindern dadurch die Fertigstellung des Proteins. Die gutverträglichen Substanzen helfen gegen bakterielle Atemwegsinfektionen und Geschlechtskrankheiten und werden generell bei akuten Infektionen eingesetzt. Allerdings haben sie einen gravierenden Nachteil: Bakterien bilden leicht Resistenzen gegen diese Mittel. Das Team um Prof. Ronald Micura hat nun einen Weg gefunden, „Designer-Komplexe“ aus RNA und Peptiden herzustellen, die als Werkzeug zur Erforschung von Resistenzbildung dienen können.

 

Ribosomen, die Proteinfabriken der Zelle, übersetzen den genetischen Code der RNA in einem Vorgang namens Translation in eine Abfolge von Aminosäuren – den Grundbausteinen der Proteine. Die „Fabriken“ sind aus demselben Stoff gemacht, wie ihre Produkte und deren Vorlagen: Ribosomen sind selbst Molekülkomplexe aus RNA und aus Proteinen. Sie bestehen aus zwei Untereinheiten, wovon die kleinere für die Interpretation des genetischen Codes verantwortlich ist. Die große Untereinheit fügt neue Aminosäuren an eine wachsende Aminosäurenkette, ein Peptid, aus dem schließlich das fertige Protein wird. Es handelt sich also um ein äußerst komplexes Zusammenspiel aus RNAs und Peptiden.

 

Modelle für Resistenzbildung

Wie Bakterien Resistenzen gegen Makrolide bilden, ist noch nicht geklärt. Sicher ist allerdings, dass die Herstellung kurzer Aminosäureketten, sogenannter Resistenzpeptide, dabei eine wichtige Rolle spielt. Die Makrolide binden am katalytischen Zentrum des Ribosoms, dort wo die Aminosäuren verknüpft werden, und stoppen ein Weiterwachsen der längerwerdenden Ketten. Die Bildung der kurzen Resistenzpeptide ist allerdings dennoch möglich. Eine denkbare Erklärung für die Resistenzbildung ist, dass die Peptide das Antibiotikum einfach mitnehmen, wenn sie das Ribosom verlassen. Auf diese Weise könnten sie die Proteinfabrik wieder funktionstüchtig machen – und das Antibiotikum wirkungslos.

 

Um den komplexen Vorgang der Resistenzbildung „nachzustellen“, sind Modelle wichtig, an denen sich das Zusammenspiel zwischen Ribosom, Peptid und RNA untersuchen lässt. Micura und seine Partner haben nun ein Verfahren entwickelt, mit denen vielseitige und stabile chemische „Modelle“ hergestellt werden können. Es handelt sich dabei um RNA-Peptid-Konjugate, mit denen das Freisetzen des Makrolidantibiotikums aus dem Ribosom wie in einem Modellbaukasten nachgespielt und im Detail untersucht werden kann. Der große Vorteil zu bisherigen Versuchen besteht darin, dass die Peptidsequenz sehr variabel ist - und daher so naturgemäß wie möglich gewählt werden kann.

 

Die Forschungsarbeiten wurden vom Wissenschaftsministerium im Rahmen des GEN-AU Projekts „Non-coding RNAs“ und vom Wissenschaftsfonds FWF gefördert.

(ip)