RNA-Chemiker verraten ihr „Kochrezept“ in „nature protocols“

Künstliche Riboschalter und andere synthetische RNA-Moleküle sind derzeit sehr gefragt. Sie maßgeschneidert herzustellen ist allerdings eine hohe Kunst, die nur wenige Labors auf der Welt beherrschen. Die Anleitung dazu geben Ronald Micura und seine Mitarbeiterin Kathrin Lang vom Institut für Organische Chemie in einer aktuellen Veröffentlichung.
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Micura und seine Mitarbeiter haben in den letzten Jahren ein raffiniertes Verfahren entwickelt, mit dem sie chemisch synthetisierte RNA-Teile nach Belieben kombinieren können.

In Medizin und Biologie boomt die RNA-Forschung. Kleine RNA-Moleküle, so stellte man vor kurzem überrascht fest, übernehmen weit mehr Aufgaben in der Zelle als man früher dachte. Sie sind sogar an der zentralen Steuerung der Lebensvorgänge, an der Genregulation, beteiligt. Zu diesen regulatorischen RNA-Molekülen zählen die Riboschalter, die bei Bakterien besonders weit verbreitet sind. Mit ihrer Hilfe passen die Bakterien ihre Produktionsmaschinerie dem aktuellen Bedarf an. Riboschalter sind gleichzeitig Sensoren und Schalter, weil sie das Vorhandensein eines Biomoleküls aufspüren und seine weitere Herstellung abbrechen können.

 

Die Funktionsweise ist verblüffend einfach: Der Riboschalter sitzt am Ende einer Boten-RNA, die die Anweisung zur Herstellung eines Biomoleküls transportiert. Er verfügt über eine spezifische Bindungsstelle für eben jenes Biomolekül. Bekommt er eines zu fassen, faltet er sich blitzschnell um. Diese Strukturänderung der RNA verhindert, dass die auf ihr gespeicherte Information weitergegeben wird – das Biomolekül wird nicht mehr hergestellt.

 

Riboschalter gelten als interessante Ziele der Antibiotikaforschung. Die Strategie ist naheliegend: Man versucht ein Molekül zu designen, das statt des eigentlichen Liganden an den Riboschalter bindet. Somit wird dem Bakterium vorgegaukelt, es habe bereits eine ausreichende Menge des Liganden hergestellt, und es stellt die weitere Produktion ein. Wenn dieses Molekül aber für das Bakterium lebenswichtig ist, geht es an dem Mangel zugrunde.

 

Um derartige Wirkstoffe in Zukunft maßschneidern zu können, ist es wichtig, den Umfaltungsprozess der Riboschalter-RNA genau zu verstehen. Da es sich dabei aber um extrem schnelle und komplexe Vorgänge handelt, sind diese im natürlichen Organismus nicht zu entschlüsseln. Es gilt vielmehr vereinfachte, künstliche Riboschalter herzustellen und diese an den entscheidenden Stellen mit „Sonden“ zu markieren. Das erleichtert externe Untersuchungsverfahren wie Kristallstrukturanalyse, Fluoreszenzspektroskopie oder NMR-Spektroskopie.

 

Die Herstellung markierter Riboschalter wird dadurch erschwert, dass RNA ein sehr instabiles Molekül ist, dessen Strang leicht bricht. Mit üblichen Syntheseverfahren ist es kaum möglich, mehr als 50 Basenbausteine gezielt zusammenzusetzen. Micura und seine Mitarbeiter haben in den letzten Jahren ein raffiniertes Verfahren entwickelt, mit dem sie chemisch synthetisierte RNA-Teile nach Belieben kombinieren können. Sie greifen dabei auf einen Trick der Natur zurück: Bestimmte Enzyme, sogenannte Ligasen, können RNA-Strangbrüche „flicken“, indem sie die Teile durch chemische Bindungen wieder aneinanderfügen. Bietet man den Ligasen nun künstlich hergestellte RNAs an, knüpfen sie auch daraus lange Ketten. Die Schwierigkeit ist dabei, die Teilstücke so geschickt auszuwählen, dass die Ligasen sie in der richtigen Reihenfolge und Orientierung verbinden und dass am Ende auch die dreidimensionale Struktur des zusammengesetzten Moleküls stimmt. Wie dies funktioniert und worauf man dabei achten muss, verraten die Wissenschaftler nun in ihrer jüngsten Publikation.

 

Ihr Verfahren zur gezielten Herstellung langer, chemisch modifizierter RNAs, dürfte breite Anwendung finden: Es ist nicht nur für Riboschalter geeignet, sondern für jede Sorte künstlicher RNA. So könnte die wachsende Nachfrage nach diesen vielseitigen Molekülen in Zukunft besser gedeckt werden.

 

(ip)