Tod oder Leben für die Zelle – die Proteinfamilie Bcl-2 entscheidet

Prof. Andreas Villunger vom Biozentrum der Medizinuniversität Innsbruck berichtete vergangenen Donnerstag im Zentrum für Molekulare Biowissenschaften (CMBI) über widerstreitende Proteine der Bcl-2-Familie: Je nachdem, welche Familienmitglieder dominieren, begeht die Zelle Selbstmord – oder sie überlebt.
Bei der normalen Embryonalentwicklung stirbt das Gewebe zwischen den Fingern ab. „Sch …
Bei der normalen Embryonalentwicklung stirbt das Gewebe zwischen den Fingern ab. „Schwimmhäute“ zeigen, dass der Zelltod nicht richtig funktioniert.

Zellen können auf verschiedene Weise sterben. Extreme Hitze, Kälte oder andere physikalische Einwirkungen führen zum „fremdverschuldeten“ Tod, zur Nekrose. Akuten Nährstoffmangel versucht die Zelle auszugleichen, indem sie eigene Bestandteile „aufisst“ – bis sie irgendwann an der Selbstverdauung (Autophagie) zugrunde geht. Andreas Villunger, Professor für Entwicklungsimmunologie am Biozentrum der Medizinuniversität Innsbruck, interessiert sich für die dritte Variante des Zelltods, die Apoptose. Dabei handelt es sich um ein gezieltes Selbstmordprogramm der Zelle. Villunger untersucht eine bestimmte Gruppe von Apoptose auslösenden Proteinen, die zur Bcl-2-Familie gehören.

 

 

Warum bringen sich Zellen selbst um? „Der programmierte Selbstmord ist in der Embryonalentwicklung wichtig“, erklärt Villunger. Ein typisches Beispiel ist die Bildung der Finger. Die winzige Hand des Embryos sieht zunächst aus wie ein Paddel – erst später sterben die Zellen der Zwischenräume ab, so dass einzelne Finger entstehen. Auch im erwachsenen Körper ist der Zelltod allgegenwärtig: Alte Zellen sind irgendwann verbraucht und müssen durch neue ersetzt werden. Apoptose auf der einen und die Neubildung aus Stammzellen auf der anderen Seite bilden ein sensibles Gleichgewicht.

 

 

Besonders wichtig ist das gezielte Zell-Sterben für das Immunsystem. So werden junge T- und B-Zellen einer genauen Kontrolle unterzogen und all jene, die sich gegen den eigenen Körper richten, in den Selbstmord geschickt. Ansonsten könnten Autoimmunerkrankungen entstehen. Auch der Krebsentstehung beugt die Apoptose vor: Zellen, die Erbgutfehler angehäuft haben, ziehen sich selbst aus dem Verkehr. Den Zelltod von Tumorzellen auszulösen ist daher auch Sinn und Zweck der meisten Krebstherapien, sei es durch Bestrahlung oder Chemotherapie.

 

 

Die molekularen Grundlagen des Apoptose-Programms wurden in den letzten Jahren immer besser aufgeklärt. Zwei Hauptsignalwege sind daran beteiligt. Der extrinsische Pfad wird von äußeren Signalen über sogenannte Todesrezeptoren angeschaltet. Dies geschieht beispielsweise, wenn eine T-Zelle eine virusinfizierte Zelle erkennt und ihren Selbstmord auslöst.

Entdeckt die Zelle hingegen selbst, dass „etwas mit ihr nicht stimmt“, wird der intrinsische Apoptoseweg beschritten. Hier kommen jene Moleküle ins Spiel, die Villunger erforscht. Bei der Familie der Bcl-2-Proteine handelt es sich um eine Gruppe von Signalmolekülen mit gegensätzlichen Eigenschaften: es sind „Überlebens- oder Todesproteine“, die sich gegenseitig regulieren. Je nachdem, welche Familienmitglieder dominieren, wird Zelltod ausgelöst oder verhindert. Die Familie ist nach ihrem prominentesten Mitglied, Bcl-2 (B-cell lymphoma 2), benannt, das das Überleben fördert und zur Krebsentstehung führen kann.

 

 

Zu den familieninternen Gegenspielern des Bcl-2 gehören die BH3-Proteine, die zur Apoptose führen.

Villunger untersucht vor allem die BH3-Proteine Puma, Bim und Bmf. Jüngst konnte seine Mitarbeiterin Verena Labi in Mäusen zeigen, dass Bmf für den Zelltod von B-Zellen wichtig ist. Fällt Bmf aus, sammeln sich diese in den lymphatischen Organen des Körpers an, was zur Krebsentstehung beitragen kann. Somit spielt Bmf eine Rolle als Tumorsuppressor. Derzeit untersucht Villungers Team, inwieweit Bim und Bmf beim Zelltod zusammenarbeiten. Die molekulare Wirkweise der BH3-Proteine aufzuklären, hat bereits dazu beigetragen, neue Krebsmedikamente zu entwickeln, die gegenwärtig in klinischen Studien erprobt werden.       

                                                             

Text: CMBI