Uni-Wissenschaftler gaben Einblicke in die Raumfahrt

Am 2. März 2004 startete mit einer Ariane-5-Rakete die Raumsonde Rosetta. Sie ist auf dem Weg zum Kometen Tschurjumow-Gerasimenko. Prof. Ronald Weinberger (Institut für Astro- und Teilchenphysik) und Ass.-Prof. Hermann Lehar (Institut für Bauingenieur­wissenschaften) gaben am vergangenen Freitag an der Baufakul­tät interessante Einblicke.
v.l.: Prof. Weinberger und Prof. Lehar
v.l.: Prof. Weinberger und Prof. Lehar

Im Juli des Jahres 1799 fanden Napoleons Soldaten nahe der ägyptischen Stadt Rosetta einen Stein, der einen Gesetzestext in drei verschiedenen Sprachen enthält. Mit dessen Hilfe gelang es 1822 dem französischen Forscher François Champollion die ägyptischen Hieroglyphen zu entziffern. Wichtiger Schlüssel für diese Arbeit war der Obelisk von Philae, der erst die Zuordnung der Schriftzeichen möglich machte. Damit eröffnete sich der Welt eine der ältesten Kulturen und erlaubt ihre ausführliche Erforschung, vermittelt durch die Schriftsprache.

Mehr als 180 Jahre später ist Rosetta – mit dem Lander Philae -   der erste Kometen-Orbiter mit dem Ziel, den Kometen Tschurjumow-Gerasimenko längeren Zeitraum hinweg zu begleiten und zu erforschen. Er wird Informationen darüber liefern, wie das Material, aus dem unser Sonnensystem vor etwa 4,5 Milliarden Jahren entstand, beschaffen war. Fundamentale Fragen der Wissenschaft zur Entwicklung der Erde und des Lebens könnten beantwortet werden - ganz ähnlich wie der Stein von Rosetta die Erforschung der ägyptischen Kultur forcierte. „Dieses Urmaterial ist ein Schlüssel für das Verständnis des Aufbaus aller Körper unseres Planetensystems, sowie möglicherweise auch für den Ursprung des Lebens auf der Erde“, so Prof. Ronald Weinberger.

 

Kometen sind Urmaterial des Sonnensystems

„Kometen sind meist einige Kilometer große, unregelmäßig geformte „schmutzige Schneebälle“, die die Sonne umfliegen und dabei in Sonnennähe durch einen leuchtenden Schweif aus Staub und Gasen auffallen“, so Weinberger. Nach heutigen Erkenntnissen bestehen Kometen aus einer Mischung von Staubteilchen und Gesteinsbrocken und lockerem Wassereis. Bei Annäherung an die Sonne führt dies zum Ausgasen der flüchtigen Elemente und damit zur Bildung des oft mehrere Millionen Kilometer langen Schweifs. „Kometen stellen praktisch „unverändertes“ Material aus der Zeit vor 4,6 Milliarden Jahren dar. Es handelt sich um Baumaterial des Sonnensystems. Mit der Rosettamission ist auch ein Zugriff auf chemische und physikalische Bedingungen der Milchstraße in dieser Periode möglich“, erklärt Weinberger.  

 

Europäisches Teamwork auf höchsten Niveau

Rosetta gehört zu den größten, komplexesten und technisch und wissenschaftlich anspruchsvollsten Missionen, die je in Europa gestartet wurde. „Die gesamte Mission wird inklusive ihrer 10jährigen Reise durchs All mehr als 1 Milliarde Euro kosten“, sagte Prof. Hermann Lehar. Er betonte weiters: „Die Rosetta-Mission ist im positivsten Sinne europäisch: zentrale Vergabe in Frankreich, getrennte Berechnung und Fertigung unter Einbindung zahlreicher europäischer Länder, Unternehmen und Wissenschafter. Sie ist auch Bestätigung für die präzise Zusammenarbeit der einzelnen Partner.“

Das beweist auch die Kooperation des Unternehmens MT-Aerospace mit dem Institut für Grundlagen der Bauingenieurwissenschaften, Arbeitsbereich für Festigketislehre, Baustatik und Tragwerkslehre an der Baufa­kultät der Universität Innsbruck:   mehrere Absolventen der Baufakultät arbeiten bei MT-Aerospace und sind teilweise als Lehrbeauftragte an der Baufakultät tätig. MT-Aerospace war an der Ariane-5 Entwicklung und Fertigung bei der Hauptstufe, den Boostern und dem Antriebssystem beteiligt. Insbesondere zeichnete MT-Aerospace für das sogenannte Front Skirt verantwortlich. Über das Front Skirt wurden die enormen Schubkräfte der beiden Boos­ter (zusammen etwa 1400 to Schub in der Startphase, das sind etwa 90% des notwendigen Gesamtschubs), die nach 130 sec von der Hauptstufe abgetrennt wurden, in die Haupt­stufe eingeleitet.

 

Berechnungen mit 1,6 Millionen Unbekannten

Der Arbeitsbereich für Festigkeitslehre, Baustatik und Trag­werkslehre übernahm in enger Zusammenarbeit mit MT-Aerospace die Nachbeulanalysen des Front Skirt. „Das Front Skirt ist in den ersten zwei Minuten nach dem Start extremen Belastungen ausgesetzt. Belastungen sind der Tankdruck, thermische, aerodynamische und mechanische Lasten. Hält dieser Teil nicht, ist die Rakete verloren“, erklärt Prof. Lehar. Diese Lasten lassen sich berechnen und für diese Berechnungen im nicht linearen Gleichungssystem gab es 1,6 Millionen Unbekannte. D.h., Lehar und seine Kollegen von MT-Aerospace mussten den rechnerischen Nachweiß erbringen, dass das Front Skirt den enormen Belastungen während der Startphase Stand hält. Mit dem erfolgreichen Start am 2. März 2004 wurde somit auch seine Arbeit bestätigt.

Die Rosetta-Mission wird 2014 mit der Landung auf dem Kometen einen weiteren Höhepunkt erleben. Aber bis dahin, wird sie noch viele Millionen Kilometer im Weltraum hinter sich bringen müssen…