Die Bioinformatik – eine Schlüsseltechnologie der modernen Life Sciences – bietet große Chancen für Tirol

Mehr als 70 Gäste nahmen am 27. Juni 2006 an dem schon traditionellen „Life Science Circle“, diesmal zum Thema „Bioinformatik“, im Innsbrucker Rathaus teil. Drei hochrangige Referenten aus Wirtschaft und Forschung boten den ZuhörerInnen einen spannenden Überblick über die Anwendungsmöglichkeiten und Trends der noch relativ jungen Disziplin für die „Life Sciences“.
Life Science Circle
v.l. Martin Spatz (aws), Christian Mathes (CAST), Klaus Heumann(Biomax), Armin Graber (Biocrates), Raimund Vogl (HITT), Philipp Unterholzner (Tiroler Zukunftsstiftung)

Veranstalter der überaus gut besuchten Diskussionsrunde waren LISA (Life Science Austria), ein Schwerpunktprogramm der Austria Wirtschaftsservice GmbH, CAST (Center for Academic Spin-Offs Tyrol), das Gründerzentrum der Innsbrucker Universitäten und das Kompetenzzentrum HITT (health information technologies tirol).

Die Bioinformatik befasst sich mit der Akquisition, Speicherung und Analyse biologischer Daten. Die Anwendung von Methoden der Informatik in den Life Sciences ist dabei nahe liegend, besteht doch der genetische Code selbst aus exakt vier definierten Informationseinheiten, deren Input („die Sequenz“) immer einer bestimmten Funktion (einem „Output“) zugeordnet ist – sehr ähnlich also dem unktionsprinzip eines Computers.

Doch erst die Etablierung von Chip basierten Hochdurchsatzverfahren in Verbindung mit der vollständigen Sequenzierung des menschlichen Genoms („Genomics“) und dem rasanten Anstieg der Rechnerleistungen bildeten die Grundlage für die Arbeit der Bioinformatiker wie Prof. Zlatko Trajanoski von der TU Graz in seinem einführenden Referat hervorhob. Besondere Bedeutung käme der Bioinformatik als Werkzeug für Datenmanagement und Datenanalyse in der molekularen Medizin zu, wobei sie unter Erfassung der gesamten, äußerst umfangreichen genetischen Information erstmals die Erforschung komplexerer Krankheiten und deren molekularer Mechanismen ermöglichen könnte. Fernziel wäre es laut Trajanoski, mit Hilfe der Bioinformatik von den zurzeit nur zu etwa 10% genutzten „molekularen Zielen“ zur Behandlung von Krankheiten auf das volle Potential von ca. 5.000 solcher „Targets“ aufzuschließen.

Die zunehmende Bedeutung der Bioinformatik unterstreichen eindrucksvoll die zweistelligen Wachstumsraten, die Studien dieser Disziplin vorhersagen. So sieht eine aktuelle Studie aus dem Jahr 2005 den weltweiten Markt für bioinformatische Tools bei U$ 1.4 Mrd. und rechnet mit einem jährlichen Anstieg von knapp 16% bis zum Jahr 2010. Doch wie können Unternehmen davon tatsächlich profitieren?

Dr. Klaus Heumann Vorstand der Münchner Biomax Informatics AG, einem Anbieter bioinformatischer Softwarelösungen, brachte es auf den Punkt: „Bioinformatik ist eine klassische 'enabling technology', die es Unternehmen ermöglicht, die Abläufe in der pharmazeutischen Entwicklung, insbesondere auch die langwierige und äußerst kostspielige Entwicklung von Arzneimitteln, effizienter und effektiver zu gestalten“. Analog zur Leistung der „klassischen“ Informatik in den 90er Jahren, sollte dadurch ein echter „return on investment“ für die Unternehmen sichtbar werden. Wesentlich wäre jedoch seiner Meinung nach die mittelfristige Herausbildung verbindlicher Standards für „content“ Anbieter sowie eine stärkere Benutzerfreundlichkeit der Anwendungen, die in vielen Fällen noch „von Bioinformatikern für Bioinformatiker“ geschrieben würden.

Ein Unternehmen, das sich seit seiner Gründung im Jahr 2002 intensiv mit der Entwicklung neuartiger diagnostischer Kits unter Zuhilfenahme bioinformatischer Tools, insbesondere für die statistische Analyse und biochemische Interpretation von Stoffwechseldaten bedient, ist die Innsbrucker Biocrates Life Sciences GmbH. Dr. Armin Graber, Geschäftsführer von Biocrates, entwarf das Szenario einer allmählichen Entwicklung von den heutigen Versorgungsstandards hin zu einer maßgeschneiderten „personalisierten Medizin“, die nicht nur bessere Früherkennung und präsymptomatische Behandlung erlauben soll, sondern ein lebenslanges Monitoring der „PatientInnen“. Ein Fernziel, das auf Grund der enormen damit verbundenen Datenmenge ohne bioinformatische Hilfsmittel nicht mehr zu bewältigen sein wird.

Eine Podiumsdiskussion, die im Anschluss an die Vorträge der Referenten stattfand, nutzte Philipp Unterholzner von der Tiroler Zukunftsstiftung, um die Ergebnisse einer aktuellen Studie der  Zukunftsstiftung zum Thema Bio/Medizininformatik vorzustellen. Wichtige Empfehlungen der Studie sind die Schaffung einer Stiftungsprofessur „Bioinformatik“, die Gründung eines „Centers for Translational Research“ als zukünftiges Bindeglied zwischen Wissenschaft und Wirtschaft sowie die Etablierung eines postgraduellen Lehrgangs „Bioinformatik“ für BiologInnen, MedizinerInnen und PharmazeutInnen. Großes Lob für die Ausführung Herrn Unterholzners kam von Klaus Heumann: „Aus heutiger Sicht würde uns die Wahl zwischen München und Innsbruck als Unternehmensstandort nicht leicht fallen“ meinte Dr. Heumann. Die Attraktivität des Standortes Tirol habe sich in den letzten Jahren jedenfalls entscheidend verbessert.

Life Science Circles finden in periodischen Abständen statt und bieten UnternehmerInnen und ForscherInnen aus den Life Sciences die Gelegenheit zum Erfahrungs- und Meinungsaustausch in ungezwungener Atmosphäre.