Wassermangel in der Cordillera Blanca

Wie dramatisch sich Klimaänderungen auf das Rio Santa Tal in Peru auswirken könnten, zeigt ein Gletscherabflussmodell von Irmgard Juen und Georg Kaser vom Institut für Geographie, das auf einer 44-jährigen Messreihe von Monatsdaten des Niederschlags und der Temperatur basiert.
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Gletscher Chinchey auf der Ostseite des Gebirges (ca. Auf der Höhe von Huaraz) Blick nach Westen auf den Gipfel Nevado Chinchey 6309 m über Meeresspiegel. Aufnahme: Irmgard Juen, Juni 2002

Die Auswirkungen von Klimaänderungen zeigten sich im Frühjahr in katastrophalem Ausmaß durch die Überschwemmungen in Osteuropa. Aber nicht nur Europa muss auf veränderte Klimabedingungen reagieren, sondern auch der Rest der Welt. Einen Teil der Erde betrachten Innsbrucker Geographen schon seit über 70 Jahren: Bereits in den 30-er Jahren hatte Prof. Hans Kinzl Forschungsexpeditionen in die Cordillera Blanca in Peru unternommen. Diese Tradition wird nun von der Tropical Glaciology Group unter der Leitung von Georg Kaser fortgeführt. Das 180 km lange Gebirge der Cordillera Blanca ist das am intensivsten vergletscherte Tropische Hochgebirge, ein Viertel aller tropischen Gletscher sind hier konzentriert.

 

44-jährige Messreihen

Das Klima in der Cordillera Blanca weist kaum schwankende Temperaturen im Jahresverlauf auf. Sommer und Winter wie wir sie kennen, gibt es dort also nicht. Die Jahreszeiten sind geprägt von intensivem Regenmonaten von Oktober bis April und ausgedehnten Trockenzeiten von Mai bis September. Die Gletscher wirken im Jahresverlauf ausgleichend auf die Wasserverfügbarkeit. Das bedeutet, dass die Gletscher in der feuchten Zeit die Niederschläge in Form von Schnee und Eis binden. In der Trockenzeit sind sie die wichtigste und vielfach einzige Quelle an Trink- und Nutzwasser für das stark besiedelte Santa Tal mit seinem fast 150.000 Einwohner zählenden Hauptort Huaraz, aber auch für die Küstenregion rund um Chimbote. Irmgard Juen vom Institut für Geographie verwendete 44-jährige Messreihen von Niederschlag und der Temperatur aus dem stark vergletscherten Einzugsgebiet Llanganuco, um ein Gletschermassenbilanzmodell zu eichen und damit den Schmelzwasserabfluss aus diesem Teilgebiet der Cordillera Blanca zu simulieren. Die Schwankung des Abflusses im Jahresverlauf wird im Modell sehr gut wiedergegeben.

 

Ein Blick in die Zukunft der Gletscher

Anhand dieses aktuellen Simulationsmodells kann Juen aber auch in die Zukunft blicken und sie spielte verschiedene Abflusssituationen für die prognostizierten Klimaszenarien der Jahre 2050 und 2080 durch. Die vorausgesagte Zunahme der Lufttemperatur und des Niederschlages entnahm sie dem IPCC-Bericht (Intergovernmental Panel on Climate Change, 2001) der WMO/UNEP (World Meteorological Organization and United Nations Environment Programme). Es zeigt sich, dass der Gesamtjahresabfluss bei allen Szenarien beinahe unverändert blieb. Dramatische Veränderungen ergeben sich jedoch beim Jahresgang der verfügbaren Wassermenge, und das schon bei einer Temperaturerhöhung von nur einem Grad: In der niederschlagsreichen Zeit erhöht sich der Abfluss der Gletscher um bis zu 25% und in der Trockenzeit verringert sich die Wassermenge um 10-20%. Diese gewaltigen Veränderungen im Abfluss ergeben sich durch die Form der Gletscher, denn diese tropischen Gletscher besitzen keine Gletscherzungen und erstrecken sich beginnend mit ca. 4.800 Meter über weite Flächen.

 

Dramatische Verschlechterung der Wassersituation

Die Konsequenzen für die Menschen im Tal wären gravierend: In der Trockenzeit wird es zu Wasserknappheit im Siedlungsbereich, aber auch in der Landwirtschaft und Bergbau, sowie bei der Energiegewinnung kommen. Damit ist ein enormes soziales Konfliktpotential zu erwarten. Die Vorhersagemodelle dienen somit nicht nur wissenschaftlicher Erkenntnis sondern auch den entsprechenden Entscheidungsträgern als Grundlagen für zukünftiges Management. Vor wenigen Wochen ist die Weltbank an die Innsbrucker Arbeitsgruppe herangetreten, um an weiteren Prognosen im Modellfall Cordillera Blanca /Santa Tal, aber auch darüber hinaus in anderen tropischen Andenregionen zu arbeiten.

Irmgard Juen ist zur Zeit wieder im Forschungsgebiet in der Cordillera Blanca, um die meteorologischen und glaziologischen Messungen weiterzuführen, aber auch um die örtlichen Behörden auf die für das Tal schwerwiegenden Auswirkungen eines Klimawandels aufmerksam zu machen.

Silvia Prock, 17. Mai 2006

 

Link: Forschungsprojekt Gletschermassenbilanz und Klimaforschung in der Tropischen Cordillera Blanca, Peru - http://www.uibk.ac.at/geographie/forschung/klima-eis/tropic/research/cblanca/