“The Future of Infant Nutrition” im Universitäts-Zentrum Obergurgl

Vom 15. bis 19. Jänner 2005 trafen sich im Universitäts-Zentrum Obergurgl 35 Wissenschafter aus 13 europäischen Ländern und den USA, um über aktuelle Erkenntnisse zu den Auswirkungen der Säuglingsernährung auf die kindliche Gesundheit sowie über zukünftige Herausforderungen für die Forschung zu diskutieren. Veranstaltet wurde die Tagung von der gemeinnützigen Stiftung Kindergesundheit in Kooperation mit dem Dr. von Haunerschen Kinderspital der Universität München.
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Eine in den letzten Jahren stark angewachsene Zahl von wissenschaftlichen Studien zeigt ausgeprägte Auswirkungen der frühkindlichen Ernährung auf die kindliche Gesundheit und Entwicklung. So belegt eine Reihe von Untersuchungen, dass Stillen nicht nur eine adäquate Nährstoffversorgung und ein normales Wachstum im Säuglingsalter unterstützt, sondern durch eine vielfältige Beeinflussung des kindlichen Immunsystems auch die Zahl von Infektionen, vor allem im Magen-Darm-Trakt und in den Atemwegen, reduziert.

Besonders eindrucksvoll sind belegte Langzeitwirkungen des Stillens auf die Gesundheit im Adoleszenten- und Erwachsenenalter. Eine Arbeitsgruppe an der Universität München zeigte in einer großen Studie bei mehr als 9000 bayerischen Kindern, dass Stillen das Risiko für späteres Übergewicht und Adipositas (schwere, krankhafte Form des Übergewichtes) vermindert, wobei der Schutzeffekt mit längerer Stilldauer zunimmt.

Diese Ergebnisse wurden in verschiedenen Untersuchungen auch in anderen Regionen der Welt bestätigt, die in einer kürzlich durchgeführten Meta-Analyse zusammengefasst wurden. Hier zeigt sich durch Stillen nach der Geburt ein im Mittel um 22 % vermindertes Risiko für Übergewicht im späteren Lebensalter. Auch das Risiko für spätere Autoimmunerkrankungen wie Diabetes Typ I und chronisch entzündliche Darmerkrankungen vom Typ des Morbus Crohn sowie das Risiko für kardiovaskuläre Erkrankungen wie Herzinfarkt und Schlaganfall sind bei früher gestillten Personen vermindert. Einige Untersuchungen zeigen sogar, dass gestillte Kinder nach Ausschluss anderer Faktoren mit einem im Mittel um 3 bis 5 Prozent höheren Intelligenzquotienten im Jugend- und Erwachsenenalter aufweisen.

Langzeitige Auswirkungen
Diese für das Individuum und die Gesellschaft außerordentlich bedeutsamen Zusammenhänge diskutierten die Teilnehmer der Tagung. Neben den aktuellen Forschungsergebnissen, sind insbesondere auch die zu Grunde liegenden Mechanismen von Interesse. Durch die Zusammenarbeit von Grundlagenwissenschaften, Epidemiologie und klinischer Forschung ergeben sich Erkenntnisse zu den wirksamen Faktoren und den Mechanismen des biologischen Gedächtnisses. Beispielsweise ermöglichen epigenetische Mechanismen langzeitige Auswirkungen von Nahrungsbedingungen in der vor- und nachgeburtlichen Entwicklung auf Körperfunktionen viele Jahrzehnte später. Die wissenschaftliche Aufdeckung der wirksamen Einflussfaktoren ermöglicht es, präventiv wirksame Faktoren weiteren Kindern zugute kommen zulassen. Gegebenenfalls können Modifikationen der Säuglingsernährung auch für nicht gestillte Kinder genutzt werden. Die europäische Kommission hat im 6. Forschungsrahmenprogramm dem Projekt „EARNEST“ (Early Nutrition – Long Term Efficacy and Safety Trials) für den Zeitraum 2005 bis 2010 eine Förderung von 13,4 Millionen Euro zur Verfügung gestellt. Die Koordination von „EARNEST“ obliegt dem Tagungsleiter Prof. Berthold Koletzko von der Universität München.

Den teilnehmenden Wissenschaftlern bot das Universitäts-Zentrum Obergurgl eine ideale Umgebung für intensiven und kreativen Gedankenaustausch, so dass die Gruppe im kommenden Jahr zu einem erneuten Treffen hierher zurückkehren möchte.