"Der Tag danach" - Globaler Klimawandel in Tirol

Letzte Woche lief der neue Action-Streifen "The Day after Tomorrow" in den Tiroler Kinos an. Der Film prognostiziert eine neue Eiszeit auf der nördlichen Halbkugel. Doch Klimaforscher beobachten weltweit eher einen Anstieg der Temperaturen.
Klimawandel
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Der Hollywood-Film und die Podiumsdiskussion von vergangener Woche, in der der Vorstand des Instituts für Meteorologie und Geophysik der LFU Univ.-Prof. Dr. Michael Kuhn und Konsul Dkfm. Mario Stedile-Foradori, Alleinvorstand der Arlberger Bergbahnen, am MCI über den globalen Klimawandel diskutierten, war für die i-Point-Redaktion Anlass, sich bei Prof. Kuhn über mögliche "(Zukunfts-)Klimaszenarien" zu informieren.

Vorab der Diskussion gab Kuhn einen kurzen Einblick in die Klimaveränderungen der letzten Jahre: "Bei meinem Vortrag habe ich in erster Linie einen Einblick in die laufenden Klimaveränderungen mit einem Rückblick auf das letzte Jahrhundert und Jahrtausend gegeben. Die Statistiken zeigen generell, dass im letzten Jahrhundert die jährliche Durchschnittstemperatur global um 0.7°C gestiegen ist. In Innsbruck konnte man - so die Aufzeichnungen vom ersten bis zum letzten Jahrzehnt des vorigen Jahrhunderts - sogar einen Anstieg von ca. 1.5°C jährlich verzeichnen, die Winter wurden um durchschnittlich 2°C wärmer. Beim jährlichen Niederschlag hingegen gab es keine signifikanten Veränderungen. Zwar traten zwischenzeitlich einige Schwankungen auf, einen wesentlichen Trend konnte man aber hier nicht beobachten."

Was bedeutet der Anstieg der Temperaturen für Tirol, man hört ja, dass zum Beispiel aufgrund der steigenden Temperaturen die Gletscher langsam verschwinden werden? Ist diesbezüglich schon ein Trend zu verzeichnen?
Vor allem die Gletscher reagieren extrem empfindlich auf den Anstieg der Temperaturen. Eine unserer Forschungsstationen liegt auf dem Hintereisferner im Ötztal. Dort haben wir in den letzten 50 Jahren beobachtet, dass das Eis im Mittel über den ganzen Gletscher um 25 m dünner geworden ist, im letzten Sommer alleine um 2 m. Vor 150 Jahren hatte dieser Gletscher noch ein Volumen von 1.5 km³, bis zum heutigen Zeitpunkt sind nur mehr weniger als 0.5 km³ vorhanden.

Sie haben nun über die vergangenen Jahre gesprochen und gaben uns einen Einblick in die Ergebnisse ihrer Untersuchungen. Wie sieht es nun in Zukunft aus, was würde ein Anstieg der Temperaturen für die Fauna und Flora in Tirol grundsätzlich bedeuten?
Hier möchte ich einmal vorweg betonen, dass Klima-Prognosen für die Zukunft nur sehr schwer zu treffen sind, global gesehen und auch regional. Die Auswirkungen einer eventuellen Klimaänderung, wie zum Beispiel auf Vegetation, kann man aber mit sogenannten "Zukunftsszenarien" untersuchen.

Was würde also passieren, wenn es in den nächsten Jahren um ca. 3°C wärmer werden würde, welche Folgen hätte dies für Tirol?
Nun, wenn man annimmt, das die jährliche Durchschnittstemperatur um ca. 3°C ansteigt, dann würden die Winter kürzer werden. Auch der Niederschlag würde dann größtenteils in Form von Regen fallen. Die Flüsse würden im Winter mehr Wasser führen und die Schneeschmelze im Frühjahr würde natürlich geringer ausfallen. Dies zöge auch weniger Überschwemmungen mit sich, weil die Wasserzufuhr Winter wie Sommer ausgeglichener sein würde.

Also würde ein Anstieg der Temperaturen nicht nur negative Folgen mit sich ziehen?
Auf keinen Fall, denn wenn es kürzere und mildere Winter gäbe, dann wären natürlich auch die Heizkosten niedriger. Und für die Landwirtschaft würde dies längere Vegetationsperioden und somit ertragreichere Ernten bedeuten.

Und die Kehrseite?
Manche Tourismus-Gebiete, speziell die tiefer gelegenen Regionen hätten sicher im Winter Probleme mit der Schneedecke, auch bei einem Temperaturanstieg von nur 3°C. Aber die Schneedecke reagiert nicht nur auf die regionale Temperatur, sondern auch auf Geländeformen. Beispielsweise liegen manche Orte in Tirol in sogenannten "Beckenlagen", dort entstehen "Kaltluftseen", die auch in wärmeren Perioden nicht abfließen. Höher gelegene Orte wie St. Anton, Ischgl, Obergurgl und natürlich die Gletscherskigebiete müssten bei 3°C Erwärmung nicht um ein Ausbleiben des Schnees im Winter fürchten.

Was würde mit der Fauna und Flora im Alpenraum passieren, welche Veränderungen würden sich hier abzeichnen?
Zum einen würde die Vegetation in den Bergen einmal weiter nach oben wandern. Diesen Trend haben Botaniker in den letzten Jahren bereits beobachtet. Auch könnte es sein, dass sich mehr und vor allem andere Insekten bei uns ansiedeln. Kleinere Gletscher, könnten ganz verschwinden. Der Rückzug der Gletscher brächte eine Änderung des Landschaftsbildes und unter anderem auch einen Anstieg von Murenabgängen mit sich, weil dort, wo das Eis verschwunden ist, die darunter liegenden Gesteins- und Geröllschichten vom Wasser leichter mitgespült werden.

Ist aufgrund der Entwicklungen der letzten Jahrzehnte abzusehen, ob so ein Szenario nun in den nächsten Jahren eintreffen wird?
Die Möglichkeit einer konkreten langfristigen Vorhersage ist gering! Aber um zum Beispiel den heurigen Sommer vorauszusagen, kann man in den 100 Jahre zurückreichenden Aufzeichnungen die Winter heraussuchen, die mit dem eben abgelaufenen Winter 2003/04 vergleichbar sind, und nachschauen, wie die jeweils folgenden Sommer damals waren. Solche Analogieschlüsse sind zum Teil überraschend erfolgreich. (bb)