Aufbruch in die Arktis

Letzten Donnerstag war es wieder soweit: Projektkoordinator des High-Arctic-Teams Dr. Günther Köck vom Institut für Zoologie und Limnologie brach zusammen mit seinem kanadischen Forschungskollegen Charles Talbot zu einer neuerlichen zweiwöchigen Forschungsexpedition in die Arktis auf. Am weltweit größten arktischen See, Lake Hazen in Kanada, werden diesmal Echolotmessungen zur Erstellung einer Tiefenkarte durchgeführt sowie Sedimentproben entnommen.
Arktis
Arktis
Die Stationen: Ottawa - Resolut Bay - Lake Hazen
Vergangenen Donnerstag brach Dr. Günther Köck, der auch als Projektkoordinator für nationale und internationale Projekte an der Akademie der Wissenschaften tätig ist, nach Ottawa auf, der ersten Station seiner Forschungsexpedition. Von da aus sollte er einen Tag später weiter zur Forschungsstation nach Polar Continental Shelf Project in Resolute Bay fliegen. Nach vorbereitenden Arbeiten beim vorjährigen Forschungsaufenthalt hat sich das Lake Hazen-Team, diesmal bestehend aus Charles Talbot aus Kananda und Günter Köck, heuer zum Ziel gesetzt, eine bathymetrische Karte, also eine "Tiefenkarte" mittels computer- und GPS-gestützter Sonargeräte zu erstellen. Basierend auf dieser Karte werden an der tiefsten Stelle des Sees sowie weiteren geeigneten Punkten Sedimentbohrkerne entnommen, die als "Klima-Archiv" dienen sollen.
Geplant war, dass Köck zusammen mit Charles Talbot dann am 31. Mai von der Forschungsstation Resolute Bay mit einer Propellermaschine zum Lake Hazen gebracht wird.
Doch letzten Meldungen zufolge wird Köck voraussichtlich erst einen Tag später als geplant zum Lake Hazen aufbrechen, das Wetter spielte nicht ganz mit: "Ich bin vor 3 Stunden in Resolute Bay angekommen. Es liegt sehr viel Schnee hier und wir haben ein paar Grad unter Null. Vor zwei Tagen war hier ein Blizzard. Ich habe hier noch nie soviel Schnee gesehen. Die Seen und das Meer sind natürlich meterdick zugefroren. Wir waren gestern bereits im Anflug auf Iqaluit, mussten aber wegen Schlechtwetter umdrehen. Wir sind dann in Kuujuak gelandet, haben besseres Wetter abgewartet und sind dann schlussendlich wieder nach Iqaluit zurückgeflogen. Der Weiterflug nach Resolute musste aber gecancelt werden. So mussten wir in Iqaluit, die Hauptstadt von Nunavut, übernachten, bevor wir heute nach Resolute Bay weiterfliegen konnten. Jetzt organisieren wir unser Gepäck, kriegen von der Forschungsstation "Polar Shelf" die restliche Ausrüstung und werden morgen am Vormittag weiter zum Lake Hazen fliegen. Ich denke, wir sind bestens ausgerüstet. Wir sind also guter Dinge!", schrieb Köck gestern in einem e-Mail nach seinem Eintreffen in Resolute Bay.
Aufgrund der Größe und Tiefe des Sees, ca. 70 km lang, bis zu 10 km breit, ca. 280 m tief, und der extremen Wetterverhältnisse sind sowohl die Tiefenkartierung als auch die Sedimentbeprobung ein schwieriges Unterfangen, das im Vorfeld umfassender Vorbereitungen bedurfte. Bereits letztes Jahr war Köck am Lake Hazen stationiert. Damals untersuchte das österreichisch-kanadische High-Arctic-Expeditionsteam am Lake Hazen die Einflüsse einer Klimaerwärmung auf die Quecksilberbelastung von Seesaiblingen und Seesedimenten in arktischen Seen. "Trotz der Vorbereitungen wird die Expedition sicherlich immer noch schwierig und auch ein kleines Abenteuer werden und nur von einem erfahrenen Team zu bewältigen sein," so Köck. Er gibt sich jedoch zuversichtlich, da sein "High-Arctic-Forschungsteam" schon seit acht Jahren sehr erfolgreich kooperiere und bestens aufeinander eingespielt sei. "Vor Ort herrschen üblicherweise noch winterliche Bedingungen mit etwa minus 15°C und wir werden diesmal im Zelt wohnen, da der überaus große Arbeitsaufwand, der für dieses Projekt erforderlich ist, es nicht zulässt, jedes Mal zur drei Stunden entfernten Forschungsstation nach Resolut Bay zurückzukehren," erzählt Köck vor der Abreise. Doch nicht nur Arbeiten und Wohnen auf engstem Raum und eine sehr knapp bemessene Zeitspanne von nur 12 Tagen für die Feldarbeiten stellt bei diesen Temperaturen eine Herausforderung dar, die für die Forscher sicherlich nicht leicht zu bewältigen sein wird. Hinzu kommt, dass die Tiefenmessungen und Sedimentbeprobungen durch eine Eisdicke von ca. 2,5-3 m durchgeführt werden müssen, da ja der See um diese Zeit noch zugefroren ist. "Der Vorteil hierbei ist auf jeden Fall die geringere Abhängigkeit vom Wetter (wie z.B. Wind) somit ist für uns erhöhte Sicherheit und eine leichtere Probennahme gewährleistet," erklärt Köck. Als Transportmittel vor Ort werden den Wissenschaftlern übrigens drei eigens dafür eingeflogene Schneemobile zur Verfügung stehen.

Lake Hazen
Lake Hazen wurde im Jahr 1882 durch die amerikanischen Lady Franklin Bay Expedition unter Adolphus Greely für die Neuzeit entdeckt. Dieser See besitzt sowohl innerhalb der Wissenschaft als auch in der Öffentlichkeit aus mehreren Gründen eine Sonderstellung: Der im nördlichsten Nationalpark der Welt, in Ellesmere Island National Park Reserve, gelegene See, ist mit einer Fläche von mehr als 540 km2 das größte Gewässer nördlich des Polarkreises. Durch Abschirmung zweier Gebirgszüge, der Reflektion des Sonnenlichts an der großen Wasserfläche und den umliegenden Gletschern stellt das Gebiet des Lake Hazen innerhalb der stark vergletscherten Umgebung eine sogenannte "thermale Oase" dar. 70 frostfreie Tage im Sommer ermöglichen dort auch eines der reichsten Wildvorkommen (z.B. Peary-Karibu und Moschusochsen) in dieser polaren Wüste der Hocharktis. Als Basis für zukünftige Sedimentuntersuchungen ist die Erstellung einer Tiefenkarte des Lake Hazen unbedingt notwendig. Trotz der Bedeutung dieses Sees ist es bis dato aufgrund der schwierigen Rahmenbedingungen nicht gelungen, eine Tiefenkartierung zu erstellen.

Der Nutzen des Projektes
Die aus diesem Projekt gewonnenen Daten sollen die Basis für die Bearbeitung des Sees als wertvolles Klima-Archiv einerseits und als Objekt für klima- und schadstoffbezogene Langzeitforschung andererseits dienen. Das Projekt wird damit nicht nur wertvolle topographische Seendaten liefern, sondern auch einen wichtigen Beitrag zur Global Change-Forschung leisten. Darüber hinaus ist die Tiefenkartierung auch für andere Forschungsdisziplinen, wie z.B. die Geologie, von Interesse. Mit paläolimnologischen Methoden kann die Entwicklung des Klimas anhand von Sedimentkernen über mehrere Jahrhunderte untersucht werden.
Seit vielen Jahren versucht die kanadische Nationalparkverwaltung (Parks Canada) den See weitgehend vor anthropogenen Einflüssen zu schützen, Forschungsgenehmigungen werden im allgemeinen sehr restriktiv gehandhabt. Aufgrund des hohen Interesses der kanadischen Nationalparkverwaltung an der Erstellung einer solchen Tiefenkarte ist es dem High-Arctic-Team gelungen, eine Genehmigung zu erhalten und mit Günther Köck dürfen nun erstmals österreicherische Wissenschaftler an diesem See forschen. Wie kaum ein anderer ist seine abgeschiedenen Lage, seine Nähe zum Nordpol (ca. 800 km) und nicht zuletzt seine reiche Fischpopulation für Global Change-Studien bestens geeignet. (bb)