Gletscherforschung am Kilimanjaro

In der internationalen Presse sorgt derzeit der Gletscherrückgang am Kilimanjaro für hitzige Debatten. Forscher des Instituts für Geographie stehen dabei gemeinsam mit internationalen Kollegen im Mittelpunkt. Ihre provokante These lautet, dass die globale Erwärmung der Atmosphäre, wenn überhaupt, dabei nur eine geringe unmittelbare Rolle spielt.
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Alles begann im Frühjahr 2001, als Prof. Georg Kaser vom Institut für Geographie von seinem amerikanischen Kollegen Doug Hardy zu Dreharbeiten für eine Fernsehdokumentation nach Afrika eingeladen wurde. Als Glaziologe mit Erfahrung in tropischen Hochgebirgen war Kaser ein willkommener Gast bei den Dreharbeiten für New York Times Science und National Geographic. Fünf Tage verbrachte die Gruppe auf dem Gipfelplateau des Kibo und entwickelte dabei ein Konzept über die mögliche Ursachenkette für den Gletscherrückgang auf dem Berg. "Mangels Papier haben wir die Skizzen mit Skistöcken in die Vulkanasche gezeichnet", beschreibt Georg Kaser die Arbeit auf dem Berg. Ein Jahr später war der Innsbrucker Doktorand Thomas Mölg gemeinsam mit Hardy und Ray Bradley erneut auf dem Kilimanjaro. "Unsere ersten Vorstellungen sind danach zu einem Konzept gereift, das nun anhand zweier Studien im International Journal of Climatology und im Journal of Geophysical Research publiziert wurde", so Kaser weiter. Dabei konnten die ersten Thesen erhärtet werden, wonach der Gletscherrückgang auf dem Gipfelplateau des Kibo vor 120 Jahren begonnen hat und auf den seit damals anhaltend verminderten Niederschlag und die erhöhte Sonneneinstrahlung durch die verringerte Bewölkung zurückzuführen ist. Die Erwärmung der Atmosphäre spielt dabei, wenn überhaupt, nur eine geringe unmittelbare Rolle.

"Heiße" Debatte

Für die ohnehin angeheizte Debatte um die globale Erwärmung lieferte der Beitrag neuen Nährstoff. Industrielobbys sehen sich in ihrer Position bestätigt, dass natürliche Ursachen für den Gletscherrückgang verantwortlich sind. Georg Kaser nimmt es gelassen, gegenüber der New York Times kommentiert er: "Wir sind gegen die Schwarz-Weiss-Malerei, die sagt Gletscherrückgang durch globale Erwärmung ja oder nein. Als Wissenschaftler freue ich mich, dass die Sache etwas komplexer ist, denn sonst wäre es langweilig." Spannend sind auch die Thesen für die Zukunft der Gletscher auf Afrikas höchstem Berg: Die Plateaugletscher werden, auch bei einer Zunahme des Niederschlags, binnen weniger Jahrzehnte verschwunden sein, während die Gletscher an den Hängen des Vulkans nahe ihrem Gleichgewicht sind. Höhere Niederschlagsmengen könnten zu einer Vergrößerung der Hanggletscher führen, während sie den Zerfall der Plateaugletscher kaum aufhalten würde. Eine große Frage bleibt allerdings: Wie konnte unter den gegebenen atmosphärischen Verhältnissen soviel Schnee auf den Kilimanjaro fallen, dass sich solche Gletscher überhaupt gebildet haben?

Beitrag zur Rekonstruktion der tropischen Klimageschichte

"Wir wollen zusammen mit der Gruppe vom Climate System Research Center der University of Massachusetts, den Meteorologen aus Tanzania und der Mountain Meteorology-Gruppe um Prof. Georg Mayer am Innsbrucker Institut für Meteorologie und Geophysik mit Hilfe von Messungen am Berg und mit Simulationen der regionalen atmosphärischen Zirkulation dieses Rätsel lösen", so Kaser. "Dabei werden Annahmen über geänderte Temperatur- und Zirkulationsmuster im Indischen Ozean und unterschiedliche Schichtungen in der tropischen Atmosphäre erste Ansätze liefern. Sind die geforderten Klimabedingungen zufrieden stellend simuliert, werden diese ein wichtiger Baustein für die Rekonstruktion der tropischen Klimageschichte sein."
Die Innsbrucker Arbeiten finden innerhalb des "Innsbruck University Network of Crospheric and Climate Research" in der "Tropical Glaciology Group" am Institut für Geographie statt. Mit den Arbeiten über die Gletscher-Klima-Beziehung am Kilimanjaro hat Thomas Mölg im Dezember 2003 sein Doktorat erlangt, außerdem wurde er dafür mit dem Theodor-Körner-Preis für Naturwissenschaften ausgezeichnet. Die bisherigen Ergebnisse der Gruppe mündeten nun in einem Forschungsantrag beim Wissenschaftsfonds, der derzeit in Begutachtung ist. (cf)