Zur Funktion von Biofilmen in Gewässern

In der jüngsten Ausgabe der Zeitschrift Nature berichten Wissenschaftler aus Innsbruck, Wien und Philadelphia über ihre Erkenntnisse zur Funktion von Biofilmen in Gewässern. Erstenmal konnte der Einfluss des Biofilms auf Hydrodynamik und Aufenthaltszeit von Wasser und gelösten Substanzen nachgewiesen werden.
Mit einem konfokalen Laser-Scanning-Mikroskop aufgenommene Ansicht aus einem Biofilm, …
Mit einem konfokalen Laser-Scanning-Mikroskop aufgenommene Ansicht aus einem Biofilm, die Bakterien, Algen und Substrat zeigt.
Biofilme sind in Fließgewässern aber auch im Grundwasser und in der Wasseraufbereitung die wichtigste Komponente für den Aufbau von Biomasse, den Umbau organischer Substanz und den Abbau von Schadstoffen. In der Medizin sind Biofilme für die Anlagerungen von Bakterien an den Wänden von Geräten und künstlichen Organen gefürchtet. Bisherige Untersuchungen von Biofilmen in Fließgewässern nahe der Alpinen Forschungsstelle Obergurgl haben gezeigt, dass auch unter so extremen Bedingungen wie in einem Gletscherbach der Stoffwechsel des Ökosystems hauptsächlich im Biofilm stattfindet. Woraus besteht ein Biofilm? Aus den Organismen selbst, z.B. Algen, Bakterien, Protozooen und aus den Ausscheidungen der Mikroorganismen, die alle Oberflächen mit einem Netz von Kanälen und klebrigen Substanzen überziehen. Die Biofilme werden vom vorbeifließenden Wasser umströmt und durchströmt und bilden, wenn die Nährstoffgehalte der Gewässer zu hoch werden, mit freiem Auge sichtbare Flocken.

Entscheidende Rolle in Gewässern

Um die Entwicklung und die Funktion von Biofilmen zu studieren, wurden am Stroud Water Research Center in Philadelphia künstliche Fließgewässerrinnen aufgebaut. Sie eignen sich deshalb besonders gut, weil die Fließgeschwindigkeit und die Nährstoffkonzentrationen kontrolliert und die deren Auswirkungen einfacher untersucht werden kann als im Freiland. Die Arbeit an den Fließgewässerrinnen wurde von Dr. Tom Battin von der Universität Wien und seinen amerikanischen Kollegen durchgeführt. Die Auswertung der Biofilme selbst erfolgte durch Dr. Claude Hansen an der Universität Innsbruck, der aus geographischen Informationssystemen entwickelte Methoden auf mikroskopische Strukturen anwandte. In dem Beitrag in Nature beschreiben die Forscher nicht nur die dreidimensionale Ausbildung von Biofilmen und die Wechselwirkungen zwischen Bakterien - den Pionieren und Erstbesiedlern der untersuchten Biofilme - und Kieselalgen und Bodentieren, die den Biofilm abweiden. Sie weisen zum erstenmal auf die Bedeutung des Biofilms auf Hydrodynamik und Zwischenspeicherung von Stoffen in einem Fließgewässer hin. Die zwischenzeitliche Speicherung von Substanzen ist eine entscheidende Größe für die Funktion von Fließgewässern, z.B. bei der Selbstreinigung, sie spielt aber auch für die Biodiversität eine große Rolle. Da sich die biologischen Prozesse in Bächen und Flüssen in erster Linie nicht in der fließenden Welle, sondern im Lückenraumsystem und auf Oberflächen abspielen, ist der Austausch des fließenden Wassers mit diesen Strukturen ausschlaggebend für die Gewässerqualität . Deshalb sollte man Wasser- und Gewässerzustand auf keinen Fall verwechseln. Wenn das Wasser also länger zurückgehalten werden kann und eine vielfältige und artenreiche Gesellschaft von Organismen die Stoffwechselrate des Gesamtsystems erhöht, ist das sowohl für das Abflussverhalten als auch für die Selbstreinigungskraft eines Gewässers von äußerster Wichtigkeit.

"Die Luxemburger machen das Leben lustig"

Das Sensationelle und Neue der Untersuchung besteht darin, dass zum erstenmal die Wirkung des Biofilms nicht nur auf sogenannte "biologische Prozesse" beschrieben wird, sondern auch der deutliche Einfluss auf Hydrodynamik und Aufenthaltszeit von Wasser, gelösten Substanzen und Partikeln nachgewiesen und quantifiziert wurde. "Dass Mikroorganismen unsere Welt bestimmen, ist für einen Limnologen nicht überraschend", meint Prof. Roland Psenner, Doktorvater von Claude Hansen, "aber dass sie auch das Abflussverhalten und die Retentionszeit so deutlich beeinflussen, hat mich überrascht".
Sowohl Tom Battin, der seit Jahren an den alpinen Stationen der Uni Innsbruck in Kühtai und Obergurgl forscht, als auch Claude Hansen, der soeben eine GIS-Studie über europäische Hochgebirgsseen abgeschlossen hat, kommen aus Luxemburg. "Ohne Luxemburger", betont Prof. Psenner, "wären die limnologische Forschung und vor allem das studentische Leben in Innsbruck weit weniger lustig". (cf)