Kosaken in Osttirol

Mit einem fächerübergreifende Studienprojekt wollen Harald Stadler vom Institut für Ur- und Frühgeschichte sowie Mittelalter- und Neuzeitarchäologie und Karl Berger vom Institut für Europäische Ethnologie/Volkskunde die Kosakentragödie in Osttirol und Oberkärtnen volkskundlich und archäologisch untersuchen.
Das historische Foto zeigt Oberst Kononow mit den Genäerälen Schkuro und Naumenko.
Das historische Foto zeigt Oberst Kononow mit den Genäerälen Schkuro und Naumenko.
Von Italien über den Plöckenpaß kommend, gelangten im Mai 1945 etwa 25.000 Kosaken in das Gebiet von Oberkärnten und Osttirol. Die Einheiten hatten unter General Pannwitz auf der Seite der Deutschen Wehrmacht gegen Stalin und die Sowjetische Armee gekämpft. Die bedingungslose Kapitulation Deutschlands bedrohte sie wegen Verrätertum mit dem Tod oder zumindest der Verbannung nach Sibirien. Deshalb flohen sie in Richtung Österreich. In der Gegend um Lienz glaubten sie sich in Sicherheit, wurde das Gebiet doch von den Engländern kontrolliert. Im Tross der Kosaken befanden sich auch Frauen, Kinder, alte Menschen und tausende Pferde. Ende Mai 1945 jedoch wurden, nachdem man die Führungsoffiziere verhaftet hatte, alle Kosaken interniert und an die Sowjetunion ausgeliefert. Die Deportation aus Lienz dauerte mehrere Tage. Im Lager spielten sich infolge der brutalen englischen Vorgangsweise unbeschreibliche Schreckensszenen ab. Mütter stürzten sich mit ihren Kindern in die Hochwasser führende Drau, Väter erschossen zuerst ihre Kinder, dann sich selbst. Nur wenigen gelang die Flucht in die Wälder rund um Lienz.

Vorbehalte waren groß

Die Bevölkerung reagierte 1945 angesichts der großen Zahl von Kosaken mit Furcht und Angst. Die Pferde fraßen innerhalb weniger Tage die Felder kahl. Die Vorbehalte gegenüber den Fremden waren sehr groß. Dennoch kam es zu regen Kontakten zwischen Einheimischen und Kosaken. Einige Osttiroler Bauern versteckten Kosaken, um sie vor der Auslieferung zu schützen. Nach der Deportation wurden die Kosakenlager nach allerlei Brauchbarem durchstöbert und untersucht, sodass sich noch heute zahlreiche kosakische Ausrüstungsgegenstände in Osttiroler bzw. Oberkärntner Privatbesitz befinden.

Fehlendes Wissen über damalige Ereignisse

Die Ereignisse liegen mittlerweile 58 Jahre zurück. Nur wenig erinnert noch an die damalige Tragödie. Viele Zeitzeugen sind bereits verstorben. Die Nachfolgegenerationen sind sich über die Bedeutung der in ihrem Besitz befindlichen kosakischen Gegenstände nicht bewusst und so landen diese, weil das Wissen dazu fehlt, oft im Altwarenhandel oder auf dem Müll und gehen so der Wissenschaft verloren. Auf Initiative von Harald Stadler vom Institut für Ur- und Frühgeschichte sowie Mittelalter- und Neuzeitarchäologie der Universität Innsbruck entstand eine Sonderlehrveranstaltung, die dieses dunkle und teilweise noch immer tabuisierte Thema zum Inhalt hat. In Zusammenarbeit mit Karl Berger vom Institut für Europäische Ethnologie/Volkskunde der Universität Innsbruck und aufbauend auf Interviews des Österreichischen Zeitzeugenarchivs sollen Gewährsleute befragt, noch vorhandene Objekte der Kosaken mit Ihrer Geschichte dokumentiert und die historischen Lagerplätze lokalisiert werden.

Zeitzeugen gesucht

Die Wissenschaftler suchen Zeitzeugen und Personen, die möglicherweise kosakische Gegenstände in ihren Besitz haben. Vor allem sind diese eingeladen, mit den Forschern in Verbindung zu treten. Alle Objekte bleiben selbstverständlich im Besitz der gegenwärtigen Eigentümer. (cf)