Privatisierung und Deregulierung

In den vergangenen Tagen trafen sich die Mitglieder des Vereins für Socialpolitik zu ihrer Jahrestagung in Innsbruck. Dabei diskutierten international renommierte Wirtschaftswissenschaftler in der SoWi Fragen der Privatisierung, Deregulierung und Marktverfassung. Organisiert wurde die Tagung von Prof. Hannelore Weck-Hannemann und Prof. Christian Smekal.
Prof. Monika Schnitzer (München), Prof. Martin Hellwig (Mannheim), Prof. Ingo Vogelsa …
Prof. Monika Schnitzer (München), Prof. Martin Hellwig (Mannheim), Prof. Ingo Vogelsang (Boston), Matthias Kurth (Präsident der Regulierungsbehörde für Telekommunikation und Post Deutschland), Prof. Ray Rees (München)
Gleich zu Beginn der Tagung wies Prof. Martin Hellwig, der Vorsitzende des Vereins für Socialpolitik, darauf hin, dass im Verhältnis von staatlicher und privater Tätigkeit in der Wirtschaft in den neunziger Jahren einiges in Bewegung geraten ist. Die Privatisierung ehemals staatlicher Unternehmen und die Liberalisierung von Monopolsektoren haben das Wirtschaftsgefüge deutlich verändert. Zehn Jahre später kann Bilanz gezogen und so manches Regulierungsregime kritisch hinterfragt werden. Insbesondere in den Ländern Osteuropas, wo nach dem Fall der Mauer der Wandel von der Planwirtschaft zur Marktwirtschaft mit vielen Hoffnungen verbunden war, herrscht heute oft Ernüchterung. "Die Einschätzung der Experten, welche Privatisierungsstrategie zu empfehlen sei, hat sich mit der Zeit deutlich verändert," so Prof. Monika Schnitzer in ihrem Vortrag. "Heute wird klar, dass Privatisierung nicht überall zu den gleichen Ergebnissen führt, in Mittel- und Osteuropa kommt es im Allgemeinen zu einer Verbesserung des Unternehmensergebnisses, in den Nachfolgestaaten der Sowjetunion ist dies nicht immer der Fall. Der Privatisierungserfolg hängt entscheidend von der Existenz funktionierender Institutionen ab."

Der Teufel steckt im Detail

Prof. Steven Littlechild berichtete am Mittwoch Nachmittag über die Erfahrungen mit Deregulierung und Privatisierung der Wirtschaft in Großbritannien. Dabei konnte er aufzeigen, dass die häufig zitierten Fehlschläge oft durch Detailprobleme verursacht wurden. So wurden bei der Privatisierung der Britischen Eisenbahnen den privaten Betreibergesellschaften nur siebenjährige Verträge gewährt, was deren Interesse in langfristige Investition deutlich schmälerte und damit zur Vernachlässigung des Bahnnetzes beitrug. Littlechild kam dann auch zu dem Ergebnis, "dass man die Rahmenbedingungen ändern muss, nicht aber das System." Prof. Ingo Vogelsang, von der Boston University, analysierte am Donnerstag die Reform des Telekommunikationssektors in Deutschland. Während dort die Reformen lange auf sich warten ließen, konnten sie umso rascher und effizienter umgesetzt werden, sodass Deutschland heute mit an der Spitze liegt. Seiner Meinung nach wird die Liberalisierung und Privatisierung im Telekom-Bereich weiter voranschreiten, wobei bestimmte Regulationsmechanismen weiter bestehen bleiben werden. Am Donnerstag Nachmittag fand eine Podiumsdiskussion zur Frage der Energiemarkt-Liberalisierung statt. Dabei kam insbesondere auch das Beispiel Kalifornien zur Sprache, wo die Deregulierung des Energiemarktes immer wieder zu Versorgungsengpässen führte.

Größte wirtschaftswissenschaftliche Gesellschaft

Mit über 3.000 Mitgliedern ist der Verein für Socialpolitik die bedeutendeste Vereinigung von Wirtschaftswissenschaftlern im deutschsprachigen Raum. Zu den Mitgliedern zählen rund 1.000 Hochschulprofessoren aus über 20 Ländern. Zuletzt traf sich der Verein vor 32 Jahren hier in Innsbruck, als 1970 "Grundfragen der Infrastrukturplanung für wachsende Wirtschaften" diskutiert wurden. Die Gesellschaft bietet auch Praktikern die Möglichkeit, den Kontakt zur Wissenschaft zu halten und sich über die neuesten Entwicklungen der Theorie zu informieren.