Anton Pelinka im Gastkommentar zu den Palästinawahlen

(K)EIN AUSWEG AUS DER KRISE: Über den Umgang mit einer von der Hamas geführten Regierung Palästinas.
Prof. Anton Pelinka
Prof. Anton Pelinka

Die Demokratie wurde verkündet und praktiziert – und die Hamas wurde gewählt. Damit wurde eine Partei (oder Bewegung) zu einem wesentlichen Akteur im Nahen Osten, die bisher alles, was als Friedensinitiativen zwischen Israel, den Palästinensern und der internationalen Gemeinschaft versucht wurde, prinzipiell ablehnt.

 

Alle Friedensinitiativen – vom Oslo-Prozess bis zur „road map“ – gehen von einem Ziel aus: vom friedlichen Nebeneinander zweier Staaten, von Israel und Palästina. Diese „Zwei Staaten“- Theorie wurde von der Hamas (und nicht nur von ihr, sondern auch von anderen Akteuren) niemals akzeptiert. Hamas sieht Israel – auch das Israel in den Grenzen von 1967, also ohne die nach dem Sechstage-Krieg besetzten Gebiete – als eine feindselige, kolonialistische Macht, die aus der Region vertrieben werden soll.

 

Wie kann das gut gehen, wenn mit dieser Einstellung eine palästinensische Autonomiebehörde (sprich: Regierung) mit den USA und der EU kooperieren soll und sich auch im alltäglichen Umgang mit Israel irgendwie zu verständigen hat? Wie können Israel und Palästina in naher oder auch ferner Zukunft koexistieren, wenn die eine Seite (Israel) sich in seiner Existenz real bedroht fühlt – und die andere Seite (Palästina) sich als permanentes Opfer eines historischen Unrechts sieht?

 

Es gibt keinen Grund zum Optimismus. Die internationalen Akteure haben allerdings schon Bedingungen genannt, die eine Hamas-Regierung erfüllen muss, um die vor allem finanzielle Unterstützung der USA und der EU nicht zu verlieren: Gewaltverzicht und Anerkennung Israels.

 

Letzteres kann man nicht erwarten, jedenfalls nicht heute oder morgen. Die Hamas ist mit einem bestimmten Programm angetreten und gewählt worden, die Hamas kann dieses daher nach dem Wahlsieg nicht einfach über Bord werfen. Ersteres, der Gewaltverzicht also, ist weniger eine Frage der Worte als der Taten: Dass die Hamas auch ohne offiziellen Verzicht auf Gewalt aufhört, Selbstmordattentäter nach Israel zu schicken, ist (eine gewisse Zurückhaltung Israels vorausgesetzt) nicht auszuschließen. Ein solcher faktischer Gewaltverzicht würde den anderen (westlichen) Akteuren erlauben, Palästina weiterhin mit den lebenserhaltenden finanziellen Zuflüssen zu versorgen.

 

Die Anerkennung Israels ist eine Frage der Interpretation und der Zeit. Die USA und die EU haben ihre Beziehungen zu Saudi-Arabien auch nicht in Frage gestellt, obwohl die offizielle saudische Position der der Hamas nicht unähnlich ist. Und die Haltung der Fatah war Jahrzehnte hindurch dieselbe wie die der Hamas heute. Das aber zeigt die Möglichkeit auf, dass sich die Hamas unter dem Sachzwang des Regierens über eine de facto- Anerkennung Israels sich schrittweise hin zu einer de jure- Anerkennung bewegen könnte.

 

Die Hamas wird nun zeigen, ob sie auf bestimmte Anreize reagiert und in diesem Sinn eine berechenbare Regierung sein kann. Dafür sind aber Anreize notwendig – von Seiten Israels, der USA, der EU. Israel und der Westen könnten so auf „positive engagement“ setzen, um die Hamas allmählich in ein Politikmuster zu integrieren, das unausweichlich wieder in Richtung des „Zwei Staaten“-Konzepts weist.

 

Dagegen können viele gute Gründe eingewendet werden, insbesondere die für die Hamas typische Mischung aus islamischem Fundamentalismus und gewaltbereitem Extremismus; auch, dass die Hamas – über die libanesische Hezbollah – beste Kontakte zum Iran hat, dessen Regierung an einer Eskalation im Nahen Osten durchaus Interesse haben könnte.

 

Nur: Wenn man alle diese guten Gründe in Rechnung stellt und deshalb eine Hamas-geführten Regierung einfach ignoriert und völlig isoliert, dann hat man nur die Nachteile einer solchen Regierung, ohne aber die (vielleicht sehr geringen) Chancen wahrzunehmen, die in einem positiven Engagement liegen.

 

Mit der Hamas Politik machen zu wollen ist hoch riskant. Ohne die Hamas Politik machen zu wollen ist aber nicht möglich.

 

 

Anton Pelinka ist Professor am Institut für Politikwissenschaft und
Dekan der Fakultät für Politikwissenschaft und Soziologie der LFU Innsbruck.