Was unterscheidet menschliche Handlungen von Lawinenabgängen?

Ist es schwieriger Lawinenabgänge oder menschliche Handlungen vorherzusagen? Entscheiden wir uns überhaupt bewusst, oder hat unser Gehirn unser Tun schon längst bestimmt, wenn wir überhaupt erst verschiedene Handlungsmöglichkeiten bewusst auszuloten beginnen? Diesen und anderen Fragen wurden in der Konferenz „Agency and Causation in the Human Sciences“ nachgegangen.
Die Konferenz Agency and Causation in the Human Sciences
Die Konferenz Agency and Causation in the Human Sciences

Die Konferenz wurde im Rahmen der verstärkten Zusammenarbeit zwischen den Universitäten Innsbruck und Trient vom Institut für Christliche Philosophie, vertreten durch die Professoren Runggaldier und Quitterer  und der Facoltà di sociologia, vertreten durch die Professoren Di Bernardo und Castellani in Trient organisiert.

„Diese gemeinsam organisierte Konferenz ist ein Zeichen und Signal für die gute grenzüberschreitende Zusammenarbeit der Universitäten Trient und Innsbruck“, freute sich Vizerektor Tilmann Märk über die gelungene Tagung. 

Das Problem des freien Willens wurde ebenso diskutiert, wie Probleme der „rational choice theory“ oder die Bedeutung naturwissenschaftlicher Erkenntnisse für oder wider eine deterministische Weltsicht. Die Tagung war hochkarätig besetzt; es nahmen Forscher aus den USA, Großbritannien, Österreich, Italien, Frankreich und Deutschland an der Tagung teil. Einige von ihnen wie A. Mele (Florida/USA), T. O’Connor (Indiana/USA) oder J. Lowe (Durham/GBR) zählen zu den tonangebenden Forschern in der internationalen philosophischen Diskussion zur Handlungstheorie und Willensdebatte.  

Schwerpunkt der Tagung war die Fragestellung, ob kausale Modelle für die Erklärung von Handlungen genügen oder ob für ein adäquates Verständnis menschlichen Handelns auch die Ich-Perspektive des Handelnden und seine Gründe berücksichtigt werden müssen. Die Meinung, dass letzten Endes Gehirnforscher, Neurowissenschaftler und empirische Psychologen dank genauer Kenntnisse der neurophysiologischen Vorgänge mit Wahrscheinlichkeitsmodellen unser Handeln am besten erklären können, ist weit verbreitet. Handlungserklärungen werden dann ähnlich gedeutet wie Vorhersagen des Wetter – oder Lawinenwarndienstes: Aus bestimmten Ausgangsbedingungen werden mit einer gewissen Wahrscheinlichkeit Wirkungen abgeleitet.

Ein solches Verständnis menschlichen Handelns hat aber weitreichende Konsequenzen für unser Selbstverständnis. Wenn sich Handlungen prinzipiell wie naturwissenschaftlichen Ereignisse vorhersagen lassen, so stellt sich die Frage, warum wir im Alltag so viele Gedanken über mögliche Entscheidungen verschwenden. Trickst das Gehirn unser Ich aus und wir meinen nur, uns frei entscheiden zu können – gerade auch in so wichtigen Dingen wie der Partnerwahl oder der Entscheidung für das richtige Studium?

Auf der Konferenz wurde deutlich, dass der heutige Stand der Forschung weder eindeutig für noch gegen eine deterministische oder indeterministische Deutung menschlichen Handelns spricht. Auch die Beziehung von Geist und Körper ist noch keineswegs geklärt. Ist unser Bewusstsein nur eine Illusion oder soll es als ein Phänomen begriffen werden, das sich ab einer bestimmten Komplexitätsstufe aus neurophysiologischen Prozessen entwickelt und dann kausal auf den Körper einwirken kann?

Die Konferenz war nicht nur wissenschaftlich ein Erfolg, sondern gleichzeitig ein gelungener Auftakt für weitere grenzüberschreitende und interdisziplinäre Zusammenarbeit zwischen den beiden Universitäten. Davon waren nicht nur die angereisten Teilnehmer überzeugt, sondern auch Frau Dr. Tasser vom Italienzentrum der Universität Innsbruck, welches die Konferenz großzügig unterstützte. Der Präsident der Bank für Trient und Bozen, ein weiterer Sponsor, unterstrich die Bedeutung philosophischer Grundlagenarbeit für die Anwendung verschiedener Ergebnisse aus der Handlungs- und Entscheidungstheorie in der wirtschaftlichen Praxis. Abschließend hob Vizerektor Tilmann Märk die zunehmende Bedeutung internationaler Zusammenarbeit, auch im geisteswissenschaftlichen Bereich, als Voraussetzung für hochqualitative Forschung hervor.