"Grenzen und Grenzüberschreitungen" beim Forum Alpbach 2004

Das Europäische Forum Alpbach - seit nunmehr 60 Jahren renommierter sommerlicher Treffpunkt für internationale Politiker, Diplomaten, Ökonomen und Wissenschaftler - wurde am Sonntag im Rahmen des "Tiroltages" offiziell eröffnet. Wie jedes Jahr engagiert sich auch heuer wieder die Leopold-Franzens-Universität als Koordinatorin zwischen Wissenschaft, Wirtschaft, Politik, Kultur und Medien.
Alpbach Busek
Alpbach Busek
Von Zukunftsvisionen über Gegenwartsaufnahmen bis zu Vergangenheitsdarstellungen reichten die Ausführungen der Ländervertreter sowie aus der Wissenschaft anlässlich des diesjährigen Tiroltages, der ganz im Zeichen der grenzüberschreitenden Zusammenarbeit Tirols mit dem bayrischen Nachbarn stand. Der sich zum vierten Mal jährende Tiroltag bot einmal mehr Gelegenheit, nicht nur Freundschaftsbekundungen aufzufrischen, sondern auch über gemeinsame Visionen nachzudenken, so bestätigten die Repräsentanten beider Länder, dass besonders im Bereich Umwelt und Verkehr nur gemeinsam erfolgreiche Lösungen im europäischen Kontext zu finden wären.

In dem Tiroler Bergdorf zeigte sich am Sonntag politische und kirchliche Prominenz, die dem Forum zu ihrer bereits 60. Ausgabe gratulieren wollte, unter ihnen Landeshauptmann Herwig van Staa, EU-Agrarkommissar Franz Fischler sowie der österreichische "Europa-Bischof" Egon Kapellari. Der Höhepunkt der Eröffnungsfeier am schmalen Platz vor der Dorfkirche bildete die Verleihung des "Großen Tiroler Adler-Ordens" an den Präsidenten des Europäischen Forums, Erhard Busek, durch den Landeshauptmann.

Auszeichnung für Erhard Busek
Van Staa würdigte Busek als "großen Humanisten", der die Auszeichnung als Symbol der Anerkennung für seine vielfältigen Leistungen für Politik, Bildung und Wissenschaft erhalte. Er stelle eine Persönlichkeit dar, die Europa dringend brauche. "Erhard Busek war immer ein großer Freund von Tirol schon seit Jugendzeiten", so begründete Landeshauptmann Herwig van Staa die Entscheidung des Tiroler Landtages, dem Präsidenten des Forums den "Großen Tiroler Adlerorden" zu verleihen: "Die Leistungen konnte er nur erbringen, weil er eine außergewöhnliche Persönlichkeit ist." Er, "der oft als wahrer Mitteleuropäer bezeichnet wird, ist aber immer in Alpbach zu Hause gewesen." Dem schloss sich auch der Alpbacher Bürgermeister Markus Bischofer an. Er würdigte sein Engagement im Rahmen des Forums. Busek bedankte sich für den "äußerst dekorativen" Orden und gab die Anerkennung an "alle weiter, die hier beigetragen haben". Seine Eltern waren bereits seit 1927 hier nach Alpbach gekommen, er selbst habe "wesentliche Teile seiner Jugend hier verbracht".

Grenzüberschreitende Zusammenarbeit im Alpenraum
Das anschließende Vortrags- und Seminarprogramm im Congress Centrum Alpbach, das dieses Jahr bis 4. September dauern wird, stand dann ganz im Zeichen der tirolerisch-bayrischen Beziehungen. Zum Leitthema "Grenzüberschreitende Zusammenarbeit im Alpenraum" äußersten sich nicht nur Van Staa und Erwin Huber, sondern auch zwei Vertreter unserer Universität: der Historiker Josef Riedmann und die Finanzwissenschaftlerin Hannelore Weck-Hannemann.

Bayrisch ist nicht Deutsch
Josef Riedmann, Professor für Geschichte an der Universität Innsbruck und Koriphäe was die Tiroler Geschichte anbelangt, ging bei seinem Vortrag ausführlich auf die gemeinsamen Wurzeln der Nachbarländer ein. "Tirol und Bayern sind sich heute sehr ähnlich in Kultur und Landschaft. Den alten Bayern ist es zu verdanken, dass hier in Alpbach die Bewohner bayrisch sprechen und nicht ladinisch oder italienisch, das erst durch die bayrische Eroberung und Urbarmachung verdrängt wurde", meinte der Historiker. Erkennungswörter wie „pfoad“, „pfinstog“ oder „earchtog“ würden von Bayern und Tirolern gleichermaßen ausgemacht, denn bayrisch sei nicht gleich deutsch.
Auch die Mythenbildung um den legendären Andreas Hofer betreffend, ernüchtert Riedmanns Analyse: "Die Verteidigung Tirols vor allem im 19. Jahrhundert drang tief ins Bewusstsein der Bevölkerung ein, was einen Wandel hervor rief. Die Heroisierung, vom Ausland ausgehend, führte dazu, dass man der Auffassung war, Tiroler hätten sich gegen die Franzosen verteidigt." Tirol und Bayern verbinde eine mehr als 200-jährige kriegerische Auseinandersetzung, die Einigung von 1938 habe dann auch nur mehr wenig mit den Gemeinsamkeiten von früher zu tun. Dies gehöre aber nun zur Geschichte und sei Gegenstand der Historiker, während die Gestaltung der Gegenwart den Politikern obliege. (bb)