Das Ende der Zauberformel?

Auf Einladung der Studienrichtungsvertretung Politikwissenschaft ging Prof. Anton Pelinka gestern der Frage nach, ob die Schweiz nach den Bundesratswahlen im Dezember das Ende einer langbewährten Zauberformel erlebt, nämlich jener des Ausgleichs von Interessen durch die Relativierung des Mehrheitsprinzips.
Prof. Anton Pelinka
Prof. Anton Pelinka
Aufgrund ihrer historischen Entwicklung ist die Schweiz durch starke binnenstaatliche Bruchlinien gekennzeichnet. So ist etwa das Verhältnis der vier Sprachgruppen durch eine deutliche Dominanz der Deutschsprachigen geprägt, die über zwei Drittel der Schweizer Bürger stellen. Hier liegt eine der Wurzeln der Zauberformel, die in der Machtbeteiligung von schwächer vertretene Gruppen besteht. "Demokratie ist dann nicht mehr eine einfache Mehrheitsherrschaft, das Mehrheitsprinzip wird relativiert", so Prof. Pelinka. Die religiösen Bruchlinien haben sich in der Schweizer Geschichte als noch explosiver erwiesen. Der Gegensatz zwischen Protestantismus und Katholizismus war lange Zeit prägend für Kriege, Konflikte und Auseinandersetzungen zwischen den Schweizer Kantonen. Dieser Bruch war auch immer durch den Konflikt zwischen protestantischen Zentren und dem ländlichen Katholizismus überdeterminiert. Nach der Verfassung von 1848 waren des die Schweizer Freisinnigen, die den bäuerlichen Katholizismus zum Machtausgleich einluden. Hier liegen die Wurzeln der Zauberformel, die sich in der festgelegten Aufteilung der Bundesratssitze manifestiert. Doch diese Zauberformel erfuhr in ihrer Geschichte immer wieder Veränderungen, so etwa durch die Einbindung der sozialdemokratischen Kräfte in die Regierung. Durch den Aufstieg der Schweizer Volkspartei (SVP) unter Christoph Blocher wurde das Traditionsprinzip in den neunziger Jahren erneut in Frage gestellt und im vergangenen Herbst schließlich auch neu definiert: Die SVP übernahm einen Regierungssitz der Christlichdemokratischen Volkspartei (CVP). Ob dies das Ende der Schweizerischen Zauberformel bedeutet, bleibt für Anton Pelinka zunächst offen. Wie die Geschichte gezeigt hat, war diese Form des Machtausgleichs durchaus zur Anpassung fähig. Dennoch bleibt die Frage, ob so divergierende Positionen, wie die des populistischen, antieuropäischen Blocher mit jener der europafreundlichen Linken überhaupt zu verbinden sind. "Hier sehen wir eine sehr explosive Mischung, die durchaus auch das Ende der Zauberformel einläuten könnte", so Pelinka zu Abschluss.

Die Veranstaltung mit Prof. Anton Pelinka war der Auftakt zu einer Reihe von Vorträgen, die von der Studienrichtungsvertretung Politikwissenschaft veranstaltet werden. Damit soll der politikwissenschaftliche Austausch zwischen Studierenden und Lehrenden zu aktuellen Themenfeldern gestärkt werden. (cf)